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Deborah Rothe leitet die größte Reisemesse der Welt. Im Interview spricht sie über Trends, steigende Preise und die zunehmend auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich im Tourismus. Rothe fordert mehr Angebote für die breite Bevölkerung.
Man hat bei der Reisebranche das Gefühl, dass sie einfach da weitermacht, wo sie vor Corona aufgehört hat. Die Leute reisen wieder wie verrückt, oder?
Deborah Rothe: Es stimmt, dass die Reiselust ungebrochen ist. Aber es gibt schon starke neue Trends, die durch die Pandemie befördert wurden. Zum einen gibt es immer mehr Workation-Angebote, also Hotels oder Reiseziele, an denen man arbeiten und zugleich seinen privaten Urlaub verbringen kann. Ein zweiter Trend ist die große Nachfrage nach Last Minute-Angeboten. Die Kunden wollten die Option für kurzfristige Stornierungen oder Buchungen haben, also Flexi-Optionen bis zum Geht-nicht-mehr. Das ist zum Teil geblieben, und es gibt auch die Bereitschaft, dafür Geld auszugeben.
Es steht ja fest, dass Reisen wie vieles andere teurer geworden ist. Gefährdet das nicht auch den Boom der Branche?
Wichtig ist, dass die Tourismusindustrie darauf setzt, dass Reisen kein elitäres Gut wird, sondern etwas für die gesamte Bevölkerung bleibt. Wir sehen Familien, die in der Business Class reisen, weil sie den Komfort haben möchten. Auf der anderen Seite gibt es Familien, die sich kaum noch den Jahresurlaub leisten können. Auch in der Touristik öffnet sich die Schere, das muss man ehrlich sagen. Wir müssen daher Lösungen finden, wie man Reisen weiter anbieten kann, sodass sie auch der breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Unterkünfte sind teurer geworden, Flüge sind deutlich teurer geworden. Wie sollen denn die Anbieter darauf reagieren?
Natürlich haben auch Hotels und Airlines mit den Kostensteigerungen zu kämpfen. Diese Kosten werden nicht zu hundert Prozent an die Kunden weitergegeben. Es wird versucht, auf anderen Wegen, diese Kosten aufzufangen. Wir sehen, dass das Umsatzvolumen in der Touristik eher stabil bleibt.
Gleich bleibender Umsatz und höhere Kosten – das heißt niedrigere Margen in der Branche?
Das kommt teilweise hinzu, ja.
Der fortschreitende Klimawandel beschäftigt uns alle. Die Reisebranche ist allerdings nicht unbedingt dafür bekannt, da positive Beiträge zu leisten. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?
Wir bringen bei der ITB genau diese Themen auf die Bühne. Wir sind sicher noch in einem Stadium, in dem wir über gemeinsame Lösungen nachdenken müssen. Die Flugreiseindustrie zum Beispiel sucht nach nachhaltigen Kraftstoffen für Flugzeuge. Die Forschung läuft da auf Hochtouren. Wir sind aber noch nicht auf dem Stand, dass wir komplett auf fossile Brennstoffe verzichten könnten.
Das wird auch noch eine Weile dauern.
Deborah Rothe leitet seit Januar 2023 die größte Reisemesse der Welt.
(Foto: PR)
Ja, aber das sehen wir in allen Industriezweigen. Es gibt aber viele gute Konzepte. Es gibt Hotels, die mit grünem Strom arbeiten oder die eine bewusste Abfallstrategie fahren. Es gibt Anbieter, die ausschließlich mit lokalen Partnern zusammenarbeiten. Aber das bedeutet natürlich teilweise auch, dass es mehr Geld kostet.
Und gibt es dafür eine Nachfrage?
Wir sehen, dass viele Konsumenten, vor allem in der jüngeren Generation, bereit sind, mehr Geld für eine nachhaltige Option auszugeben. Im Verkehr oder in der Unterkunft. Ein solches Angebot wird sogar in gewisser Hinsicht erwartet, das sehen wir in Studien.
Spiegelt sich das auch in den Buchungen wider oder ist das nur ein verbales Bekenntnis?
Der Trend geht jetzt erst los, und wir werden in den kommenden Jahren in der Statistik sehen können, ob das tatsächlich stattfindet oder nur auf geäußerten Meinungen beruht. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Branche für nachhaltige und bezahlbare Angebote sorgen muss. Weil die Nachfrage steigt.
Hören Sie in der neuen Folge von “Die Stunde Null“
- Welche Auswirkungen die zunehmenden Kriege auf den Tourismus haben
- Was die Messebranche aus Corona gelernt hat
- Wozu Deborah Rothe Chatbots nutzt
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