Während die Bundesregierung auf mehr Abschiebungen setzt, macht die neue Chefin der UN-Organisation für Migration einen gegensätzlichen Vorschlag. Amy Pope zufolge könnten Jobs auch mit abgelehnten Asylbewerbern besetzt werden. Grundsätzlich lobt sie aber die deutsche Migrationspolitik.
Auch irregulär nach Deutschland gelangte Migranten und abgelehnte Asylbewerber könnten helfen, den Arbeitskräftemangel zu beseitigen, findet die neue Chefin der UN-Organisation für Migration (IOM), Amy Pope. Für Arbeitgeber sei es einfacher, Menschen einzustellen, die schon im Land seien, sagte sie vor ihrem ersten Berlin-Besuch. “Wir hören aus dem Privatsektor, dass es einfacher ist, jemand zu beschäftigen, der schon im Land ist”, sagte Pope. “Aus praktischer Sicht gibt es gute Gründe, so zu verfahren.”
Sie akzeptiere es aber, wenn Regierungen Migranten nicht mit Jobs belohnen wollten, die irregulär eingereist sind. Dies sei eine politische Frage. “Es gibt aber keine eindeutigen Beweise, dass irreguläre Migranten, die dann eine Arbeitsgenehmigung bekommen, als Magnet für andere dienen”, sagte Pope. Die IOM stünde in jedem Fall bereit: bei der Rückführung etwa von abgelehnten Asylbewerbern und ausgewiesenen Migranten genauso wie bei der Suche nach passenden Arbeitskräften im Ausland.
Lob für Abkommen mit Indien
Pope lobte die deutsche Migrationspolitik als beispielhaft. Sie nannte Abkommen wie mit Indien, bei denen Deutschland den Bedarf an Fachkräften ermittle und Indien die nötigen Kandidaten suche. “Das ist die beste Praxis”, sagte sie. Nötig sei dies aber nicht nur für Fachkräfte. “Ingenieurinnen und Ingenieure, Gesundheitspersonal, das ist relativ einfach”, sagte Pope. “Aber es fehlen auch Arbeitskräfte im Bau, in der Landwirtschaft, in der Seniorenbetreuung. IOM kann helfen, den Bedarf zu decken.” Die Organisation biete bei Bedarf in Entsendeländern Aus- und Weiterbildungen sowie Sprachkurse und Kurse über die Kultur im Zielland an.
“Der Arbeitskräftemangel ist real, weder der Einsatz künstlicher Intelligenz noch eine plötzlich steigende Geburtenrate könnte das mittelfristig ändern”, sagte Pope. Alle Untersuchungen zeigten zudem, dass Volkswirtschaften langfristig von Migration profitierten, dass sie die Innovation ankurbele und der Reichtum wachse. Privatunternehmen müssten viel lauter über Erfolgsgeschichten mit Migranten reden, die sie in ihr Personal integriert haben, meinte Pope. Dazu will sie in Deutschland auch deutsche Firmen ermuntern. So könnte Ängsten in der Bevölkerung begegnet werden.
Pope wirbt auch um private Investitionen in “das Personal der Zukunft”, wie sie sagt. “Wir können Firmen helfen, in andern Ländern in Ausbildungsprogramme zu investieren, sodass dort die Fertigkeiten gelernt werden, die die Firmen in zwei, drei Jahren brauchen.” Pope trifft in Berlin unter anderem Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan, und den Staatssekretär im Innenministerium, Bernd Krösser. Sie will unter anderem über die Finanzierung von IOM-Programmen reden. Deutschland gehört zu den wichtigsten Geberländern der IOM.
Mehr junge Ausländer machen eine Ausbildung
Derweil zeigt eine Untersuchung, dass immer mehr junge Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit Ausbildungen in Deutschland absolviert haben. Das ergab eine repräsentative Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft, die der Funke Mediengruppe vorliegt. Die Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren um 64 Prozent von 33.500 auf knapp 55.000 Azubis erhöht.
Jeder Dritte stammt dabei aus einem der acht größten Asylherkunftsländer: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Insbesondere in Engpassberufen verdoppelte sich demnach die Zahl der internationalen Azubis. So ist ihre Zahl in vielen Berufen der Gastronomie, aber auch im Handwerk deutlich gestiegen, so die Studie. Gefragt sind vor allem Ausbildungen in Berufen, die für den Energie- und Klimawandel Bedeutung haben, wie beispielsweise Bauelektrik.