In der Modebranche häufen sich die Schwierigkeiten, Marken und Ketten wie Peek & Cloppenburg durchlaufen Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter Christian Gerloff erklärt, wo die Probleme liegen – und warum es bald wieder aufwärtsgehen könnte.
Gerry Weber insolvent, Hallhuber insolvent, der Einzelhändler Peek & Cloppenburg mit Problemen: Seit Jahresbeginn hat es über 40 Insolvenzen in der Modebranche gegeben. Was geschieht da?
Christian Gerloff: Wir haben seit Jahren einen Wandel in der Branche, der sehr unterschiedliche Ursachen hat. Da kommen neue Akteure, zum Beispiel mit Fast Fashion, was auch etablierte Marken in Probleme gebracht hat. Gleichzeitig haben wir gerade in Deutschland viele ältere Marken. Und manche Marken sterben aus, wenn sie sich nicht in jeder Generation neu erfinden.
Und wie kommt es zu den Problemen im Handel?
Das Einkaufsverhalten wandelt sich sehr stark, auch durch das Online-Geschäft. Zudem haben wir schlicht ein Überangebot an Mode, wir hatten eine starke Expansion der Verkaufsflächen in den Innenstädten. Zusammen mit den Folgen der Corona-Pandemie und der hohen Inflation trifft das eine Branche noch härter, die ohnehin schon im Umbruch ist.
Haben die Unternehmen mit ihren Marken zu wenig getan?
Es ist sicher so, dass manche ihre Produkte zu wenig nach vorne entwickelt haben. Es gibt im Damenbereich solche, die sagen: Wir machen Mode für die Frau ab 50. Das sagen sie aber seit 20 oder 30 Jahren. Ohne zu merken, dass diese Kundinnen jetzt 70 oder 80 Jahre alt sind. Da fragt man sich gar nicht, ob man die neue 50-Jährige überhaupt noch erreicht. Im Handelsbereich gibt es ähnliche Phänomene: Da wird es versäumt, den eigenen Handel spannend zu machen, ihn in die neue Zeit zu führen.
Sie haben auch von neuen Anbietern gesprochen, die die Sache erschweren.
Ja, wir erleben immer kürzere Zyklen am Markt. Immer mehr Labels werden kurzfristig gehypt und haben danach Schwierigkeiten. Da haben sich die Mechanismen in den letzten zehn Jahren stark gewandelt.
Wie ist es zu erklären, dass nicht nur der stationäre Handel ein Problem hat, sondern auch der Online-Handel, der doch als die Zukunft galt?
Es gibt tatsächlich nur relativ wenige Online-Stores, die profitabel laufen. Die allermeisten schreiben Verluste. Der Grund ist klar: Die müssen die Waren durch Retouren mehrmals anfassen, sie haben hohe Marketing-Kosten und es gibt eine größere Vergleichbarkeit zu anderen Anbietern. Der Preisvergleich führt da noch einmal zu einem ganz anderen Druck als im stationären Handel. Ich hatte unlängst einen Online-Sportanbieter, dessen Marketing-Kosten bei 35 Prozent lagen. Wenn dann die Ware zwei- oder dreimal zurückkommt, dann muss man nicht Mathematik studiert haben, um zu wissen, dass das nicht funktionieren kann.
Das heißt, solche Angebote sind auf Dauer nicht haltbar und werden verschwinden?
Jeder sollte sich auf das konzentrieren, was er kann. Online-Verkauf ist etwas ganz anderes als stationärer Handel. Und natürlich sollte jeder stationäre Händler einen Online-Auftritt haben. Das heißt aber nicht, dass er auch einen eigenen Online-Handel unterhält. Das lässt sich nicht locker-leicht miteinander verbinden.
Warum trifft es gerade die Modebranche so hart?
Diese Branche ist natürlich besonders hart durch die Pandemie und die Lockdowns getroffen worden. Und auch die aktuelle Kaufzurückhaltung trifft diese Anbieter extrem stark. Wir haben dadurch mehrere Fälle, in denen das gleiche Unternehmen in kurzer Zeit zweimal Insolvenz beantragen musste.
Oft kommt es in solchen Branchen ja zu einer Konsolidierung – bei der einfach am Ende weniger und größere Anbieter stehen. Wie ist das in der Mode?
Gerry Weber zum Beispiel hat eine Vielzahl von Stores geschlossen. Da wird deutlich zurückgefahren. Auch Galeria hat sich deutlich verkleinert. Da findet schon eine Marktbereinigung statt.
Und was geschieht dann mit diesen Flächen, bleiben die einfach leer?
Das ist tatsächlich ein Problem. Die Frage ist, was in bestimmten Innenstadtlagen passiert. In mittelgroßen Städten sieht man das Problem schon. Da werden kluge Konzepte gebraucht. Die entstehenden Lücken werden aber sicher irgendwann durch andere Anbieter gefüllt. Ich glaube, dass wir eine Art Gründerboom erleben werden. Aber das wird noch vier oder fünf Jahre dauern.
Mit Christian Gerloff sprach Nils Kreimeier