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Fratzscher: “Das ist oft Panikmache” deutscher Firmen

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Deutschland steuert auf die nächste Rezession zu, der IFO-Geschäftsklimaindex zeigt nach unten. Maybrit Illner will von den Gästen ihrer Talkshow wissen, was sich dagegen tun lässt.

Irgendwie ist dann alles gar nicht so schlimm. Dabei klingen die Warnungen zu Beginn der ersten Talkshow nach der Sommerpause von Maybrit Illner im ZDF erst einmal vernichtend. Okay, vor dem wirtschaftlichen Abgrund steht Deutschland noch nicht, aber die Prognosen sind düster, glaubt man der Moderatorin. Deutschland ist abgehängt, was das Wirtschaftswachstum angeht. Unsere Wirtschaft wächst nicht, oder um es mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu sagen: “Das Wachstum ist nicht so stark, wie wir es uns wünschen.” Die Ampelkoalition hat zwar während ihrer Klausur in Brandenburg in dieser Woche einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, wie sie den Stillstand beenden will, aber wird der wirklich funktionieren? Das will Illner von ihren Gästen wissen.

Die sehen die Lage dann gar nicht so negativ, wie der Anfang der Sendung vermuten lässt. DIW-Chef Marcel Fratzscher zum Beispiel. Er weist darauf hin, dass die 2010er-Jahre für die deutsche Industrie ein sehr erfolgreiches Jahrzehnt waren. “Die deutschen Industrieunternehmen sind gewachsen und haben global Marktanteile aufgebaut, wir haben Beschäftigung aufgebaut, die Löhne sind gestiegen.” Gleichzeitig seien jedoch Entwicklungen zum Beispiel in der Autoindustrie verschlafen worden.

Den Wachstumsstillstand der Industrie leugnet Fratzscher nicht. Der hängt für ihn damit zusammen, dass Deutschland ein Exportland ist. “Die Weltwirtschaft läuft nicht rund”, sagt Fratzscher. Die Wirtschaftsweise Monica Grimm fügt hinzu, Deutschland sei aus zwei Krisen erfolgreich herausgekommen: aus der Corona- und der Gaskrise. Durch diese Krisen haben die Lieferketten gelitten. Nun müssten die aktuellen Krisen angefasst werden: Infrastruktur, der Fachkräftemangel, der zum Arbeitskräftemangel wird, und die geopolitische Krise, bedingt unter anderem durch den Ukraine-Krieg.

“Energieintensive Industrie uns stark gemacht”

Eine Wachstumsschwäche sei möglich, sagt Grimm. “Wir haben eine sehr energieintensive Industrie: Das hat uns stark gemacht, führt aber auch dazu, dass wir sehr viele Transformationsherausforderungen haben, weil sich diese energieintensive Industrie jetzt neu erfinden muss.” Zudem müsse man den Fachkräftemangel durch eine verbesserte Einwanderungspolitik bekämpfen.

Das sieht Fratzscher ähnlich, der DIW-Chef schränkt jedoch ein: “Wirtschaft hat viel zu tun mit Psychologie und Vertrauen. Viele Unternehmen investieren nicht, wenn sie nicht ein gewisses Grundvertrauen darin haben, dass es eine gewisse Perspektive gibt, dass es sich lohnt zu investieren.” Und er kritisiert: “Wir reden uns schlecht.”

Ein Problem der deutschen Wirtschaft: die hohen Energiepreise. Um besonders große Industrieunternehmen in Deutschland zu halten, wollen SPD und Grüne einen besonders subventionierten Strompreis für diese Unternehmen einführen. Er soll bei fünf Cent pro Kilowattstunde liegen. Die FDP, sonst eher als die wirtschaftsnahe Partei bekannt, lehnt den verbilligten Industriestrompreis ab. Sie sieht darin eine Ungerechtigkeit dem Mittelstand und den Bürgern gegenüber.

Die stellvertretende Fraktionschefin der SPD, Verena Hubertz, spricht sich dafür aus. Die Unternehmen träfen derzeit Standortentscheidungen, sagt sie. “Denen müssen wir eine Brücke bauen, damit sie nicht abwandern.” Der Industriestrompreis sei kein Soli für die Großindustrie, sondern ein Soli für “eine gezielte Wirtschaftsförderung da, wo man ansonsten den Laden zumacht”.

“Das ist oft Panikmache”

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen ist wie die Unionsparteien gegen einen Industriestrompreis. Er setzt sich vorwiegend dafür ein, die Energie dort zu vergünstigen, wo sie entsteht. “Wir wollen Menschen zur Energiewende motivieren. Das müssen wir dadurch schaffen, dass sie davon auch Vorteile haben.”

Grimm findet einen Industriepreis ebenfalls problematisch – und bezweifelt, dass es wirklich wichtig sei, so viel wie möglich in Deutschland herzustellen. Viele Produkte könnten in anderen Ländern günstiger hergestellt und dann importiert werden. Als Beispiele nennt sie Wasserstoff, der 2030 zu zwei Dritteln importiert werden soll, oder Ammoniak.

Auch Fratzscher mag den Industriestrompreis nicht wirklich positiv bewerten. Er geht davon aus, dass dadurch der Strom für kleine Firmen und Privathaushalte teurer werde und glaubt nicht an den Abwanderungswillen vieler Firmen. “Das ist oft Panikmache”, so Fratzscher.

Madsen möchte nicht nur über die Firmen nachdenken, die vielleicht Deutschland verlassen, sondern Anreize schaffen, damit Industrien nach Deutschland kommen. Dazu müssten viele unnötige Gesetze und Regeln abgeschafft werden. “Sie müssen von einer Behörde zur anderen laufen und Sie haben irgendwann das Gefühl, Sie sind eine lebendige E-Mail.” Er beklagt: “Wir lieben es, beregelt zu werden. Wir fordern für alles Gesetze, und wenn wir sie dann haben, suchen wir nach Schlupflöchern, um sie zu umgehen.”

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