Die Europäische Zentralbank schreibt rote Zahlen und muss ihre Bilanz mit Bordmitteln ausgleichen. Im Gegenzug gehen die Notenbanken im gemeinsamen Währungsraum leer aus – sie erhalten keinen Scheck aus Frankfurt. Grund sind milliardenschwere Abschreibungen auf das Anleihe-Portfolio.
Die Notenbanken der Euro-Länder können in diesem Jahr nicht mit Geld aus dem Gewinn der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnen. Denn die Währungshüter verbuchten aufgrund hoher Zinsausgaben und Abschreibungen auf Wertpapiere einen Milliardenverlust. Um die Verluste abzudecken nutzte Die EZB 1,63 Milliarden Euro aus ihren Reserven. So stand 2022 unter dem Strich insgesamt nur eine schwarze Null. Bereits im Jahr zuvor war der Jahresüberschuss der Euro-Notenbank deutlich auf 192 Millionen Euro zusammengeschmolzen.
Die EZB schüttet ihre Gewinne stets vollständig an die nationalen Notenbanken der Euro-Staaten aus. Mit dem Beitritt Kroatiens zur Währungsunion zum Jahresstart gehören inzwischen 20 nationale Notenbanken dazu. Die EZB und mehrere nationale Euro-Notenbanken hatten bereits vor möglichen Bilanzverlusten gewarnt.
Die Bundesbank hat angekündigt, dass sie aktuell noch über ausreichend Reserven verfügt. In den kommenden Jahren würden die Rückstellungen aber sukzessive aufgebraucht, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel vor kurzem. Es werde daher Jahre geben, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit rote Zahlen ausgewiesen werden. Nagel hatte im vergangenen Herbst gesagt, es sei aber nicht damit zu rechnen, dass der Staat Kapital nachschießen müsse.
Zinswende trifft auch die EZB
Die EZB vollzog im vergangenen Juli nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik die Zinswende. Hintergrund ist der massive Inflationsanstieg. In den USA leitete die US-Notenbank den Straffungskurs im Kampf gegen die hohe Teuerung schon früher ein. Die EZB hob ihre Schlüsselzinsen inzwischen binnen weniger Monate bereits fünf Mal an. Für die nächste Zinssitzung am 16. März hat sie eine weitere Zinserhöhung um 0,5 Punkte in Aussicht gestellt.
Die Zinswende spiegelt sich bei der EZB nun in der eigenen Bilanz wider. So nahm sie hohe Abschreibungen auf Anleihen in ihrem sogenannten Eigenmittelportfolio und in ihrem US-Dollar-Porfolio vor. Die Kurse dieser Papiere sind im Zuge des Straffungskurses gesunken – ihre Renditen dagegen gestiegen. Die bei den großen Anleihenkaufprogramme erworbenen Anleihenbestände sind davon aber nicht betroffen. Diese werden zu fortgeführten Anschaffungskosten erfasst. Dazu kamen umfangreiche Zinszahlungen im Zusammenhang mit dem Verrechnungssystem Target 2 der Notenbanken der Eurozone, die mit dem Leitzinsanstieg zusammenhängen.
Die EZB verfügt nach Nutzung eines Teils ihrer Risikovorsorge immer noch über eine Rückstellung für finanzielle Risiken von 6,6 Milliarden Euro. Ihr Kapital liegt bei 8,9 Milliarden Euro – dazu kommen sogenannte revaluation accounts von 36,1 Milliarden Euro. Die finanziellen Ressourcen der EZB lagen damit zusammengenommen Ende 2022 bei 51,6 Milliarden Euro.
Die EZB erzielte im vergangenen Jahr ein Zinsergebnis von 900 Millionen Euro – ein Rückgang von knapp 43 Prozent binnen Jahresfrist. Die Abschreibungen schossen dagegen in die Höhe auf 1,84 Milliarden Euro nach lediglich 133 Millionen Euro im Jahr zuvor. Die EZB-Bilanz nahm 2022 insgesamt um 19 Milliarden Euro auf 699 Milliarden Euro zu.