Die Bundesministerien kommen auf 70 Milliarden Euro Mehrkosten für das Jahr 2024. Als Lösung schlägt Wirtschaftsminister Robert Habeck vor, klimaschädliche Subventionen zu streichen. Das, sagt Jens Boysen-Hogrefe, werde nicht ausreichen, um das riesige Loch im Haushalt zu stopfen. “Die Hoffnung, dadurch riesige Mehreinnahmen zu generieren (…), sehe ich einfach nicht”, sagt der Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Was sind eigentlich klimaschädliche Subventionen?
Jens Boysen-Hogrefe: Das ist nicht so einfach zu definieren. Es gibt viele Bereiche des Steuerrechts, die zu klimaschädlichem Verhalten führen können. Ein Beispiel ist die Entfernungspauschale.
Die Entfernungspauschale erhalten aber alle Pendler, unabhängig davon, ob sie mit dem Auto oder dem Fahrrad fahren.
Ja, aber 80 Prozent der Pendler nutzen das Auto. Dementsprechend gibt es schon einen Zusammenhang zwischen Entfernungspauschale und Autonutzung. Natürlich ist nicht das Ziel dieser Maßnahme, den CO2-Ausstoß zu erhöhen. Aber es dürfte den unerwünschten Nebeneffekt haben, weitere Pendelstrecken und damit mehr CO2-Ausstoß zu fördern.
Ein zweites Beispiel, das oft angeführt wird, ist das Dienstwagenprivileg. Ist es wirklich eine klimaschädliche Subvention, wenn jemand ein Auto braucht, um seine Arbeit zu erledigen?
Die Autos werden nicht nur für dienstliche, sondern auch für private Zwecke genutzt. Die Dienstwagenregelung ist derzeit so ausgestaltet, dass Mehrverbrauch für den Nutzer nicht ins Gewicht fällt. Vor allem Neufahrzeuge werden relativ stark gefördert. Das zeigt sich auch in der Statistik: Die Firmenwagen sind alle relativ groß und recht jung und verbrauchen mehr als Privatwagen.
Aber gilt das Dienstwagenprivileg nicht nur für E-Autos?
Es gilt auch für Hybridfahrzeuge. Anekdotisch hören wir, dass die Autos nach zwei Jahren auf dem Hof des Leasinggebers zurückgegeben werden und das Ladekabel nicht einmal ausgepackt wurde. Die Dienstwagenregelung, so wie sie jetzt ist, lädt einfach zu ineffizientem Verhalten ein.
Die Pendlerpauschale und das Dienstwagenprivileg sind zwei Beispiele. Haben Sie noch weitere?
Also es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass Flugbenzin immer noch steuerlich begünstigt ist.
Warum gibt es diese Subventionen?
Im Fall der Steuervergünstigungen für Flugbenzin ist das relativ einfach. Lange Zeit hat man versucht, den Flugverkehr in Europa zu fördern. Das würde man heute sicher anders machen. Aber wenn diese Subvention heute wegfallen würde, wäre das ein Standortnachteil für die deutschen Flughäfen. Im Hinblick auf den Klimawandel halte ich die Steuerbegünstigung trotzdem für eine fragwürdige Maßnahme.
Über welche Summe reden wir hier?
Wenn wir über die Steuerbefreiung von Flugbenzin sprechen, dann geht es nur dann um größere Summen, wenn Langstreckenflüge hinzukommen. Da käme es aber zu starken Ausweichreaktionen, sodass allenfalls Erträge im unteren einstelligen Milliardenbereich zu erwarten sind. Weder die Abschaffung der Entfernungspauschale, noch die Modifikation der Dienstwagenregelung würden große Summen einbringen. Ersatzlos dürften die Regelungen vermutlich nicht entfallen, denn gerade Bezieher niedrigerer Einkommen haben oft längere Pendelstrecken. So reden wir hier unterm Strich auch von einstelligen Milliardenbeträgen. Das wird den Bundeshaushalt nicht in neue Höhen heben.
Vor zwei Jahren hat das Umweltbundesamt alle klimaschädlichen Subventionen zusammengezählt und kam auf eine Summe von 65 Milliarden Euro. Damit wäre das Problem im Haushaltsstreit doch schon gelöst, oder?
Erstens wird bei der Rechnung nicht berücksichtigt, dass für viele Maßnahmen Ersatzregelungen getroffen werden müssen. Ich halte es für sehr sinnvoll, die Dienstwagenregelung zu ändern und die Entfernungspauschale zu ersetzen. Politisch wird das aber ohne alternative Maßnahmen nicht durchsetzbar sein. Und auch diese werden Geld kosten. Es mag sein, dass bei einer statischen Betrachtung 65 Milliarden Euro zusammenkommen, aber sie würden nicht so viel Geld in den Haushalt bringen, wenn sie tatsächlich abgeschafft würden.
Und zweitens …
… gibt es in der Liste des Umweltbundesamtes Maßnahmen, die ich nicht in die Kategorie der klimaschädlichen Subventionen einordnen würde oder die sogar einen klimapolitischen Nutzen haben könnten.
Zum Beispiel?
In der Liste wird auch die niedrige Mehrwertsteuer auf tierische Produkte als Subvention genannt. Das ist keine Subvention. Man kann eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte fordern, ich halte das sogar für sinnvoll. Aber das ist einfach eine Steuererhöhung, da wird keine Subvention gestrichen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte würde doch mehr Geld in den Haushalt bringen, oder?
Ja, durchaus. Aber wird damit eine Subvention gestrichen? Die Frage ist hier, was die Alternative zum Fleischkonsum wäre. Das ist Konsum von anderen Lebensmitteln. Diese werden in der Regel ebenfalls mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Als Klimamaßnahme ist es sinnvoll, weil dadurch weniger tierische Produkte, die teilweise klimaschädlich sind, konsumiert werden. Das wäre dann aber nicht das Ende eine Subvention, sondern eine steuerliche Benachteiligung des Fleischkonsums.
Ist Habecks Wunsch, das Loch im Bundeshaushalt durch die Streichung klimaschädlicher Subventionen zu stopfen, also nicht realistisch?
Ich halte die Streichung von klimaschädlichen Subventionen für die Bekämpfung vom Klimawandel für durchaus sinnvoll. Die Hoffnung, dadurch riesige Mehreinnahmen zu generieren, um eine Vielzahl neuer Projekte anzuschieben, sehe ich allerdings nicht.
Mit Jens Boysen-Hogrefe sprach Clara Suchy