Tijen Onaran ist eine der lautesten weiblichen Stimmen in der digitalen Businesswelt. Sie wuchs als Tochter türkischer Eltern in Karlsruhe auf, arbeitete nach dem Abitur ein paar Jahre in der Politik, ehe sie die Global Digital Women Community gründete – ein Netzwerk für mehr Diversität und Sichtbarkeit von Frauen in der Wirtschaft.
Die 38-Jährige organisiert Events, tritt als Speakerin und Moderatorin auf, berät Unternehmen, podcastet und schreibt reichweitenstarke LinkedIn-Beiträge sowie Karriere-Bücher. Außerdem investiert sie seit knapp drei Jahren mit ihrer eigenen Investmentfirma – und zwar ausschließlich in weibliche Startups. Derzeit ist sie als Investorin in der “Höhle der Löwen” zu sehen.
Frau Onaran, warum sind Sie als Investorin bei “Die Höhle der Löwen” eingestiegen?
Einerseits, um coole Business-Ideen zu sehen, die in meiner Filter-Bubble sonst nicht vorkommen. Andererseits aber auch, um dem Thema sozialer Aufstieg im deutschen Fernsehen eine größere Sichtbarkeit zu geben. Ich sitze dort als Selfmade-Unternehmerin, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind. Ich stehe für Diversität und Empowerment.
Wie zu hören ist, haben Sie den Laden mit Ihrer kommunikativen Art ganz schön aufgemischt. Stimmt es, dass Sie die anderen Löwen bei den Drehs ermahnt haben, korrekt zu gendern?
Ich habe niemanden zum Gendern gezwungen, aber ich finde es schon wichtig, ob man von Investor oder Investorin spricht. Oder ob man sagt, da stehen zwei Gründer, obwohl eine von denen Gründerin ist. Sprache schafft Realität – wenn wir mehr Gründerinnen wollen, müssen wir sie so nennen. Das möchte ich auch den Menschen vor dem Bildschirm vermitteln, die ich sonst nicht erreiche über LinkedIn und Co.
Können Sie Menschen verstehen, die sagen: Gendern ist mir zu anstrengend? Oder sollten sich Ihrer Meinung nach alle die Mühe machen?
Sprache hat sich immer verändert und wird sich immer verändern. Wir benutzen ja auch aus guten Gründen gewisse Begriffe nicht mehr, die wir in der Vergangenheit benutzt haben. Wenn jemand sagt, ich möchte nicht gendern, weil das meinen Sprachfluss stört oder was auch immer, dann ist das für mich fein. Aber wenn ich gendere, erwarte ich im Gegenzug, dass das auch akzeptiert und toleriert wird. Ich diskutiere gerne über diese Themen und dann kann man schauen, ob man zusammenkommt oder eben nicht. Aber wir haben wenigstens darüber gesprochen.
Mit welchem Löwen haben Sie sich gut verstanden, und wem sind Sie aneinandergeraten?
Dass ich für einige Löwen eine Provokation auf zwei Beinen bin, war mir vorher klar. Mit wem ich mich sehr gut verstanden habe, war Ralf Dümmel. Wir haben beide diese Aufstiegsgeschichte und konnten uns manchmal allein mit Blicken verstehen. Ich schätze aber auch die anderen. Bei jedem Löwen gibt es Punkte, bei denen ich andocken kann und Punkte, bei denen es Unterschiede gibt. Jemand, der geerbt hat zum Beispiel, ist einfach mit einem anderen Selbstverständnis aufgewachsen, stellt andere Fragen, geht anders mit Gründern und Gründerinnen um.
Sie haben vor etwa drei Jahren einen Risikokapitalfonds gegründet, der ausschließlich Geld in Startups von Frauen steckt. Investieren Sie auch in der “Höhle der Löwen” nur in Gründerinnen?
Das wird man sehen, da möchte ich nicht zu viel verraten. Klar ist: Ein wichtiges Kriterium in meiner Investmentstrategie ist Diversität. Ich bin angetreten, um in die Startup- und Investmentszene mehr Vielfalt reinzubringen und möchte dezidiert in Gründerinnen investieren. Den Vorsatz habe ich auch in die Show mitgenommen.
Rein männliche Gründerteams haben es also schwer bei Ihnen.
Sie müssen sich jedenfalls auf die Frage gefasst machen, wie es mit der Diversität im Team aussieht.
Abgesehen von der Geschlechterfrage: In welche Themen investieren Sie?
Meine Firma Thunder See Investments hat, was die Branchen betrifft, ein sehr diverses Portfolio. Es gibt den Bereich intime Wellness – Nevernot macht Gleitgels und Softtampons, Cheex ist eine Pornoplattform für Female Friendly Porn. Spannend ist auch die Geldanlage-App Beatvest oder die Bio-Babynahrung von Pumpkin Organics.
Investieren Sie Ihr eigenes Geld oder das von anderen?
Ich investiere mein eigenes, hart erarbeitetes Geld. Aber ich habe auch eine Art Investmentverteiler, über den ich Startups an andere Investoren und Business Angels (private Investoren mit unternehmerischer Erfahrung, Anm. d. Red.) vermittele. Das ist eine Mischung aus prominenten Persönlichkeiten und Menschen aus der Konzernwelt. Bei Never Not habe ich Carolin Kebekus mit an Bord geholt, bei anderen Startups waren es eher klassische Business Angels.
Nochmal zur “Höhle der Löwen”: Einige Löwen dort haben extrem tiefe Taschen. Können Sie da als Investorin finanziell mithalten?
Für mich basiert das Investmentspiel darauf, dass ich den Gründerinnen und Gründern aufzeige, welchen Mehrwert ich als Person mitbringe. Ich kann die tiefsten Taschen haben, wenn ich mich nicht anständig um meine Startups kümmere und denen beim Wachstum helfe, bringt ihnen das Geld auch nicht viel. Vielen Gründerinnen in der Show war sehr bewusst, für welche Themen ich stehe, welches Netzwerk ich habe und welche Türen ich öffnen kann.
Welche Summen investieren Sie pro Startup?
Das können 50.000 Euro sein oder 250.000 Euro. Ich bin gespannt, was meine Eltern sagen, wenn sie die Folgen sehen, in denen ich da mitbiete. Mein Vater hat mir damals 50 Euro Startkapital für mein erstes Unternehmen gegeben. Das ist, wo ich herkomme.
Mit Tijen Onaran sprach Daniel Bakir
Dieses Interview erschien zuerst bei stern.de