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“Playboy”-Bunnys, Belehrungen und nackte Tatsachen

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Eine geheimnisvolle Schöne im Fahrstuhl, sexy Playmates und eine Social-Media-Stasi, die nie schläft: Alles über einen rauschenden Abend eines weltberühmten Herrenmagazins, hinter dem – huch – gar nicht nur ein “alter, weißer Mann” steckt.

Baden-Baden an einem Donnerstag im Wonnemonat Mai. Aus beruflichen Gründen bin ich, statt in meine alte Franzosenkarre, in die Deutsche Bahn gestiegen und in den schönen Schwarzwald gefahren. Ein rauschender Abend steht an, denn das “Playmate des Jahres 2023” wird gekürt. Zu diesem feierlichen Anlass hat Florian Boitin, Chefredakteur des Herrenmagazins “Playboy” ins weltberühmte Casino der Kurstadt geladen, und glauben Sie mir, liebe Leserinnen und Leser, es wird noch richtig lustig!

Der Abend beginnt, zumindest für mich, mit dem Tausch meiner bequemen Rennsemmeln gegen hochhackige Riemchensandalen und dem Hineinschlüpfen in ein glamourös wirkendes Kleid, denn: Dresscode ist angesagt. Man kann bei so einem mondänen Event ja schließlich nicht aufkreuzen, als sei man gerade aufgestanden. Minimales Problem: Meine Robe besteht zu einhundert Prozent aus Polyester und juckt wie ebenso viele Mückenstiche. Schon bald werde ich mich an diesem Abend mit dem Gedanken plagen, das Ding einfach kopfüber auszuziehen, schließlich machen die Damen im “Playboy” das ja nicht anders.

Auf dem Weg ins Casino Baden-Baden steige ich mit meinem Polyester-Fummel in den Fahrstuhl und – da steht sie plötzlich vor mir! Milena Milyaeva, “Playmate des Jahres 2023”. Sie trägt einen weißen Hosenanzug, dessen Revers eine riesige Rose ziert und wirkt auf den ersten Blick ein bisschen wie die junge Marilyn Monroe. Wir lächeln einander zu. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich natürlich noch nicht, dass die schöne Frau im Fahrstuhl die 21-jährige Ukrainerin Milena ist, die das Cover der Juni-Ausgabe ziert und von Tausenden Lesern für den Award auserkoren wurde.

Puschel am Po und prunkvolle Kronleuchter

Die Gala wirkt auf mich ein bisschen wie eine dieser Grammy-Verleihungen in Hollywood, bei denen die Stars wie bei einem großen Familienfest an vielen kleinen runden Tischen sitzen und sich einander zuprosten. Der Moderator Alexander Mazza führt durch den Abend, “Playboy”-Boss Florian Boitin überreicht Milena Milyaeva die etwa zwei Kilo schwere, güldene Trophäe und The BossHoss stellen die Bierchen ab und rocken die Bühne. Überall wuseln gut gelaunte “Playboy”-Bunnys mit Puschel am Po umher, Barbara Becker tanzt durch den Saal und ich ertappe mich dabei, wie ich prompt unterm Tisch: “Welches Fitness-Programm macht Barbara Becker?” google.

Während ich meinen Blick durch den Saal schweifen lasse, sehe ich bekannte und weniger bekannte TV-Gesichter und Schönheiten, die unlängst für das Herrenmagazin blankzogen. Eva Benetatou huscht über die Flure und die Playmates von 2021, 2020 und sogar von 1988 tanzen ausgelassen zur Musik, die Noah Becker auflegt. Besonders angetan aber hat es mir der prunkvolle Florentiner-Saal mit seinen üppigen Kronleuchtern, die ungefähr so groß sind, wie meine Altbau-Bude.

Würde meine Robe nicht so unsäglich jucken, käme ich für einen Augenblick in die Verzückung, mich in einen James-Bond-Film hineinzuträumen, in dem ich mit einem kleinen Häufchen Jetons am Roulette-Tisch stehe, alles auf Schwarz setze und damit so dermaßen abräume, dass das Casino Kredite bei der Bank aufnehmen muss. Stattdessen mache ich ein paar Schnappschüsse von meinen Eindrücken und teile sie auf Social Media. Zack, da ist sie auch schon, die werte Insta-Polizei! Wie immer: nicht bestellt und trotzdem auf der Matte.

Mehrere Belehrungen fluten mein Postfach: “Liebe Verena, du gibst diesem Mann tatsächlich recht, dass der “Playboy” die Selbstbestimmung von Frauen fördert, da sie sich darstellen können, wie sie sind? Zum Kaputtlachen! Der “Playboy” sexualisiert Frauen und dient Männern als W****vorlage.” Eine andere Person fragt mich, ob ich nicht mal “Stellung beziehen” möchte.

Die Feministin hinter dem “Playboy”

Ja, okay! Mache ich. Jetzt und hier beziehe ich Stellung. Ich muss mich kurz gedanklich runterkühlen, damit mir ob dieser Meinungsdiktatur, in der wildfremde Menschen sich das Recht herausnehmen, anderen ständig ungefragt Vorschriften zu machen, nicht der Kamm schwillt. Anprangern, belehren, spionieren: Willkommen bei der Social-Media-Stasi!

Im vergangenen Jahr wurde der “Playboy” 50 Jahre alt. “Sinnlichkeit, Erotik, Lebensfreude”: Dafür, so heißt es, stehe das Herrenmagazin. Und natürlich für bombastische Bildstrecken wunderschöner Frauen, die über die vielen Jahre freiwillig und selbstbestimmt blankziehen und mit berechtigtem Stolz auf ästhetische Hochglanzfotos schauen können. Viele Podcast-Hörer lauschten Gitta Saxx, Playmate des Jahrhunderts, als sie von ihren ersten Shootings erzählte, damals in den Achtzigerjahren, als es noch keine sozialen Netzwerke gab.

Mittlerweile haben Hunderte Frauen, darunter die schönsten der Welt, die Cover des Herrenmagazins geziert. Aber klar: Bestimmt wurden sie allesamt gezwungen! Und garantiert wurden sie vom bösen “Playboy”-Chef angehalten, sich während ihrer Fotopausen kratzige Umhänge überzuwerfen, die zu 100 Prozent aus Polyester bestehen.

Dieses Krakeelen und Belehren auf Social Media: Wann hat das eigentlich angefangen? Und wieso sind stets jene am lautesten, die nicht die leiseste Ahnung haben? So wird der “Playboy” nämlich nicht nur von einem “alten, weißen Mann”, sondern – huch! – tatsächlich auch von einer Frau gemacht! Ihr Name: Myriam Karsch. Wertschätzend in ihrer Kommunikation, feministisch und open-minded, zählt sie zu den erfolgreichsten Verlegerinnen dieses Landes. Also: Bevor man sich das nächste Mal künstlich erregt, vielleicht einfach mal ein paar Frauen fragen, die für den “Playboy” vor der Kamera standen oder das Heft mitverantworten! Es sind Produzentinnen, Fotografinnen, Feministinnen, schlicht: selbstbestimmte Frauen. Denn: Nackte Tatsachen sind noch lange nicht sexistisch, nur, weil sie sexy sind.

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