Klare Worte findet Herbert Grönemeyer zu vielen Themen, vor allem zu Ostdeutschland – aber auch zum Krieg in der Ukraine. Der Sänger, der sich früher gegen die Aufrüstung ausgesprochen hat, sagt heute: “Man kann sich nicht an seinen Prinzipien festnageln, wenn ein Land ausgelöscht werden soll.”
Der Sänger Herbert Grönemeyer hat die Abschaffung des Amtes des Ost-Beauftragten der Bundesregierung gefordert. “Die Ostdeutschen sind doch nicht unsere Sorgenkinder, denen muss man keinen Stempel geben. Ich finde diese Institution eine Unverschämtheit”, sagte Deutschlands erfolgreichster Musiker im Interview mit dem “Tagesspiegel”.
Grönemeyer, der am Freitag sein neues Album “Das ist los” veröffentlicht, sagte weiter: “Den Osten gibt’s abgekoppelt nicht mehr, jedenfalls nicht für mich. Wir sind ein Land, 16 Bundesländer in Europa, fertig.” Es brauche vielmehr einen Beauftragten für Gemeinsinn: “Menschen, die darüber nachdenken, wie wir jetzt und in 20 Jahren leben wollen”.
In Deutschland würden 13 Millionen Menschen nicht genug Geld zum Leben haben, gerade Kinder, Familien, Alleinerziehende und Ältere. Der 66-Jährige sagte dazu im Interview: “Setzt mal das Thema Armut in den Fokus! Das würde Identität stiften. Nicht dieses neoliberale ‘Meine Freiheit über alles’-Gedöns.”
“Könnten wir dann noch so wohlig hier rumsitzen?”
Mit Blick auf den von Russland entfesselten Krieg in der Ukraine sagte Grönemeyer, dessen Mutter aus Estland stammt und dessen Vater seinen Arm bei der Schlacht von Stalingrad verloren hatte: “Was wäre, wenn nicht die Ukraine überfallen worden wäre, sondern Estland? Könnten wir dann noch so wohlig hier rumsitzen?” Seine Mutter habe fliehen müssen, als die Russen in Estland einmarschiert seien, so sei sie von Tallinn nach Bochum gekommen. “Meine Großmutter hat es traumatisiert, dass die Russen ihr das Haus weggenommen haben. Selbst in der Demenz packte sie andauernd Bücher ein, damit sie keiner mitnehmen kann. Nach dem Essen hat sie das Besteck eingesammelt und in die Jacke gesteckt”, erzählte Grönemeyer.
Der heutigen Friedensbewegung, die sich gegen Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine ausspricht, rief der Sänger, der einst gegen Aufrüstung ansang, zu: “Man kann sich nicht an seinen Prinzipien festnageln, wenn ein Land ausgelöscht werden soll.” Die Friedensbewegung von einst sei nicht gescheitert, aber heute brauche es Beistand und Mitgefühl für die Überfallenen. Grönemeyer dazu: “Was würde ich denn machen, wenn meinen Eltern das Haus über dem Kopf weggeschossen wird, wenn meine Frau vergewaltigt wird, wenn meine Stadt in Schutt und Asche gelegt wird? Wenn ganz Norddeutschland zerbombt werden würde, würden wir uns auch wehren und nicht sagen: Lass uns die anderen mal zum Kaffee einladen.”