Johanna Wokalek feiert als Kommissarin Blohm ihren Einstand im Münchner “Polizeiruf”. Und das gleich mit einem extrasperrigen Themenkomplex: Wokeness. Die Meinungsfronten sind so verhärtet wie die Herzen, aber wie ist der Film?
Was passiert?
Am Münchner Institut für Postcolonial Studies wird ein wissenschaftlicher Mitarbeiter ermordet. Vor seinem Tod wurde der Mann mit einem Elektroschocker gefoltert, danach mit roter Farbe als “Rapist” gebrandmarkt. Die frisch von einem Auslandseinsatz zurückgekehrte Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und ihre Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) und Otto Ikwuakwu (Bless Amada) wollen herausfinden, wer den Mann ermordet hat und machen sich dafür auf die Suche nach dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer.
An der Uni schlägt den Kommissaren offene Aggression entgegen.
(Foto: Bayrischer Rundfunk)
Bei ihren Ermittlungen stoßen sie auf eine Mauer des Schweigens: Weil die möglichen Zeugen im Uni-Milieu grundsätzlich “gegen Kapitalismus, Rassismus, Transphobie und die Polizei” sind, will niemand mit den Kommissaren sprechen. Relativ schnell wird dafür klar, dass der Ermordete von seinen früheren Kommilitonen und Freunden verstoßen und bedroht wurde, nachdem er auf einem Blog der Vergewaltigung beschuldigt worden war – ohne weitere Indizien oder gar Beweise. Für die Ermittler wird das Navigieren durch diesen Sumpf aus zementierten Meinungen und ideologischer Verbohrtheit (von allen Seiten) zur echten Strapaze.
Worum geht es wirklich?
“Little Boxes” möchte mit seinem wilden Themenmix von Feminismus über Rassismus und Identitätspolitik bis hin zu Cancel Culture darauf aufmerksam machen, wie sprachlos die Gesellschaft all den neuen einordnenden Begrifflichkeiten zum Trotz geworden ist. Verhärtete Meinungsfronten, alle brüllen sich gegenseitig nieder. Und gerade die, die sich Toleranz auf die Fahnen schreiben, agieren dabei bisweilen genauso engstirnig wie die konservative Gegenseite. Durch die krasse Überzeichnung ausnahmslos aller Charaktere will Regisseur Dror Zahavi den schwer verdaulichen Themenkomplex genießbarer gestalten, entwertet dabei aber mit fehlplatziertem Humor genau an den falschen Stellen die Diskussion.
Wegzapp-Moment?
Dieser “Polizeiruf” bietet von der ersten Minute an so viele Gelegenheiten zum Wegzappen, dass das Zählen schwerfällt. Besonders geeignet ist aber auf jeden Fall die Kiff-Szene in der Asservatenkammer für elektronische Geräte, in der Kommissarin Blohm der IT-Nerdin Gras mitbringt, um die Untersuchung eines Laptops zu beschleunigen.
Wow-Faktor?
Wenn es ein Klischee-Bingo zu den verhandelten Themen gäbe, dieser “Polizeiruf” würde wirklich jede Box ticken. Das ist zwar auch die Absicht, deswegen aber nicht weniger beeindruckend. Oder, um es mit Kommissar Eden zu sagen: “Ich mag nicht in Wokeistan leben, da lass’ ich mich lieber notschlachten!”
Wie ist es?
Wer den Film als (ungewollte) Satire lesen möchte, darf gerne 7 von 10 Punkten vergeben. Bei allen anderen dürfte sich “Little Boxes” zwischen die Stühle setzen und sämtliche politischen und ideologischen Lager bei stabilen 3 Punkten vereinen.