Wie sehr hat sich die russische Sängerin Netrebko von Präsident Putin und dessen Krieg distanziert? Die Staatsoper unter den Linden in Berlin betont, dass sich Netrebko klar positioniert habe und plant mehrere Auftritte mit ihr. Kritiker schäumen.
Die Staatsoper Unter den Linden in Berlin will die Arbeit mit der russischen Sängerin Anna Netrebko wieder aufnehmen. Die Leitung der Oper habe sich eingängig mit der 51-Jährigen auseinandergesetzt: “Es ist wichtig hier differenziert vorzugehen und zwischen vor und nach dem Kriegsausbruch zu unterscheiden. Anna Netrebko hat seitdem keine Engagements in Russland angenommen und es wurde uns seitens ihres Managements bestätigt, dass es auch weiterhin keinerlei Vorhaben für Auftritte in Russland gibt”, teilte die Staatsoper Unter den Linden mit. Sie habe sowohl durch ihr Statement als auch durch ihr Handeln seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine eine klare Position eingenommen und sich distanziert – “das gilt es anzuerkennen”. Ihren ersten Auftritt an der Staatsoper hat Netrebko am 15. September in “Macbeth”.
Die Staatsoper betonte zugleich die Solidarität mit der Ukraine. “Ohne eine deutliche Positionierung der Künstlerin war und wäre eine weitere Zusammenarbeit für die Staatsoper Unter den Linden nicht tragbar.” Gleichzeitig sei der Staatsoper auch ein verantwortungsvoller Umgang mit den Künstlern wichtig.
Die Sopranistin hatte vor rund anderthalb Jahren erklärt: “Meine Position ist klar. Ich bin weder Mitglied einer politischen Partei noch bin ich mit irgendeinem Führer Russlands verbunden. Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten.” Von der Authentizität ihrer Positionierung habe sich der Intendant der Oper überzeugen können.
Netrebko war wegen ihrer mangelnden Distanz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 in die Kritik geraten. Es folgten Proteste, manche Opernhäuser hielten an Netrebko fest. Die Staatsoper legte Produktionen mit ihr kurzzeitig auf Eis, in Prag und in New York an der Met Opera folgten jedoch Konzertabsagen. Netrebko verklagte daraufhin die Met Opera auf Schadenersatz und monierte in ihrer Klage, durch öffentliche Erklärungen gegen die russische Führung Engagements an russischen Theatern verloren und ihre Familie in Russland in Gefahr gebracht zu haben.
Kritiker laufen Sturm gegen Auftritt in Berlin
In ihrem Statement vom März 2022 betonte sie: “Tatsächlich habe ich Präsident Putin in meinem ganzen Leben nur eine Handvoll Mal getroffen, vor allem im Rahmen von Verleihungen von Auszeichnungen für meine Kunst oder bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Ich habe ansonsten nie finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung erhalten und lebe in Österreich, wo ich auch steuerlich ansässig bin.”
Kritiker werfen Netrebko dagegen vor, lange Jahre Putin unterstützt zu haben. 2012 hatte sie eine Petition unterschrieben für die Rückkehr Putins in das Amt des Präsidenten. Im Jahr zuvor war es zu heftigen Protesten in Russland gegen die Parlamentswahlen gekommen, wobei etliche Oppositionelle festgenommen wurden. Im Dezember 2014 zeigte sich die Sängerin vor der Flagge des sogenannten Neurusslands – einer proklamierten Union zwischen der selbsternannten “Volksrepublik Donezk” und der “Volksrepublik Luhansk”.
Die Osteuropa-Historiker Franziska Davies kritisiert außerdem, dass Netrebko die Auszeichnung als “Volkskünstlerin Russlands” von Putin bis heute nicht zurückgegeben habe. Außerdem habe sie eine Million Rubel für das Opernhaus in der russisch besetzten Stadt Donezk gespendet und sei Patin eines Kinderdorfs, in das ukrainische Kinder verschleppt wurden. “Über ein Engagement für die Ukraine ist nichts bekannt”, so Davies.
Eine Petition von Change.org mit inzwischen mehr als 28.000 Unterzeichnern fordert, die Rolle Netrebkos mit einer anderen Künstlerin zu besetzen. Netrebko habe “mit keinem Wort die Verantwortung Russlands und Wladimir Putins für den Angriffskrieg anerkannt und dessen Handeln verurteilt. Dies ist im Hinblick auf ihre Vorgeschichte der Nähe zum Kreml vollkommen unzureichend und inakzeptabel. “Am 15. September gibt es in Berlin außerdem eine Demonstration gegen den Auftritt.