Seit knapp einem Jahr ist Linus Straßer Vater – und musste deshalb einen neuen Zugang zum alpinen Skisport finden. Inzwischen hat der Slalom-Fahrer den Spaß wiederentdeckt. Diese Veränderung erklärt der 31-Jährige mit einer simplen Erkenntnis.
Linus Straßer redet nicht lange um den heißen Brei herum. “Ich hatte einfach keine Lust mehr”, sagt der beste deutsche Slalom-Fahrer über die Zeit nach der verkorksten WM im Februar, “das kann ich ganz offen und ehrlich zugeben.” Nach zwei dritten und zwei vierten Plätzen im Weltcup war Straßer als Mitfavorit zu den Titelkämpfen gefahren. Doch schon das Parallel-Rennen verlief enttäuschend – Platz 14. Im Slalom hatte er die erhoffte Medaille als Vierter nach dem ersten Durchgang dann klar vor Augen, stürzte aber ab auf Rang neun.
“Das hing mir schon nach”, sagt Straßer, “das war hart und hat lange gedauert.” Ihm war das Skifahren gründlich vergangen – und nicht nur das. “Ich hatte keinen Bock mehr zu trainieren, auch nicht im Sommer”, gibt er zu. Seine Lustlosigkeit, erklärt der Münchner, war aber nicht nur Ergebnis der WM-Enttäuschungen. Vor rund elf Monaten habe sich sein Leben “grundlegend verändert”, erklärt der 31-Jährige. Damals wurde er erstmals Vater, nach der Saison schlug diese Erfahrung voll durch – und beförderte Straßer in ein Loch.
“Wenn du Papa wirst – das ist eines der schönsten Dinge der Welt”, sagt Cheftrainer Christian Schwaiger, “aber das verändert auch deine Freiheit als Sportler, du hast mehr Verantwortung, musst deine Frau unterstützen. Das musst du alles erst mal auf die Schiene bringen.” Straßer brauchte Zeit – und fand einen Kniff, um wieder in die Spur zu kommen. “Ich hab’ es einfach als Arbeit gesehen”, das Training, sagt er. Irgendwann sei er dabei “wieder auf andere Gedanken” gekommen. “Der Linus”, bestätigt Chef Schwaiger, “hat das super in den Griff gekriegt.”
Das Ziel für die Weltcup-Saison ist klar
Zumal er sich ja auskennt mit Situationen, in denen nichts mehr weiterzugehen scheint. Vor viereinhalb Jahren war er schon mal an dem Punkt, dass er sagte, er habe “keine Lust mehr” auf den Stangenkampf. Im Winter 2018/19, dem letzten an der Seite von Felix Neureuther, holte der Hochtalentierte nur in einem einzigen Weltcup-Slalom Punkte.
Dabei fuhr er dem großen Neureuther im Training regelmäßig um die Ohren. “Sehr zermürbend” sei es gewesen, dass er sein Können in den Rennen nicht habe umsetzen können. Auch damals halfen grundlegende Änderungen – im Trainerteam. Schwaiger übernahm als Chef, Bernd Brunner wurde Techniktrainer, und Straßer startete durch.
In der ersten Saison unter neuer Führung fuhr er dreimal in die Top 10, in der zweiten holte er den erlösenden ersten Slalom-Sieg, seitdem ist er in der Weltspitze etabliert. Dass er im vergangenen Winter nicht noch mehr erreichte und bei der WM scheiterte, lag auch an einer hartnäckigen Erkrankung rund um den Jahreswechsel. “Der Linus”, sagt Schwaiger, sei körperlich “hinten raus komplett auseinandergefallen, der war fertig.”
Am Samstag (10.45 Uhr/13.45 Uhr, BR und Eurosport) unternimmt er beim ersten Slalom des Winters in Gurgl/Österreich einen neuen Anlauf mit dem alten Ziel: “Bei jedem Rennen um das Podium mitzufahren.” Als inzwischen etwas routinierterer Vater.