Aktuelle Deutschland Nachrichten

Nur dieses eine Wunder kann den FC Bayern retten

0 1

In Dortmund kennt die Euphorie keine Grenzen mehr: Der BVB steht unmittelbar davor, die gnadenlose Dominanz des FC Bayern zu durchbrechen und erstmals seit 2012 Meister zu werden. Verhindern kann das an einem historisch spannenden Spieltag nur noch ein Wunder.

Beim FC Bayern ignorieren sie die Realität. Nicht, weil sie abermals einem gigantischen Irrtum aufsitzen, wie bei der Planung des aktuellen Kaders. Sondern, weil sie nach diesem Wochenende keine andere Wahl mehr haben. Noch sei alles möglich, rief Thomas Müller den Fans des taumelnden Rekordmeisters via Instagram zu. Er hat um Zusammenhalt. Für das letzte noch zu erreichende Ziel: die elfte Meisterschaft in Serie. Klar, in Reichweite ist der Titel noch. Aber um die Schale abermals in die Höhe zu stemmen, braucht es am Ende einer Saison mit niemals endenden Turbulenzen – nun etwa die RB-Pleite und Mazraoui-Ärger – ein Fußball-Wunder.

Ja, das Wort Wunder wird im Fußball reichlich zu viel bemüht, aber in diesem Fall ist es eben so. Die Münchner müssen ihr Auswärtsspiel beim formstarken 1. FC Köln gewinnen (möglich, mehr dazu unten) und darauf hoffen, dass ausgerechnet der FSV Mainz 05 dem verrückt gewordenen Tabellenführer BVB mindestens einen Punkt abknöpft. Noch vor wenigen Wochen schien das kein auswegloses Unterfangen. Die Mannschaft von Coach Bo Svensson kämpfte um die Qualifikation für Europa und fiel dabei im Heimspiel am 22. April über den wehrlosen FC Bayern her (3:1). Der Münchner Trainer Thomas Tuchel war hernach erstmal fassungslos.

Mainz bricht nach Bayern-Sieg zusammen

Seine Fußballer, so urteilte er, könnten sich einfach nicht mehr auflehnen, wenn Dinge schieflaufen. Er gab ihnen frei, gab ihnen Zeit, die Akkus aufzuladen. Und es schien, als würde sich die Sache zum Guten wenden, ehe RB Leipzig am Samstagabend nach München kam und die letzte bayrische Titelchance in Schutt und Asche legte. Weil Borussia Dortmund am Sonntagabend beim FC Augsburg mit Wucht die nächste Auswärtsblamage (3:0) abwendete und an die Tabellenspitze stürmte. Und weil die Schwarzgelben in ihrer enthemmten Glückseligkeit auf einen Gegner treffen, der sich von der kleinen Sensation gegen den FC Bayern nicht erholt hat. Die vier folgenden Spielen gingen verloren, zuletzt mit 1:4 daheim gegen Abstiegskandidat VfB Stuttgart.

Was soll eine Mannschaft, die in diesen Wochen Europa hergeschenkt hat und sich als Tabellen-Neunter Ziele nur noch konstruieren kann, gegen eine Fußballwucht in Schwarzgelb ausrichten, die vor über 80.000 Fans zur ersten Meisterschaft seit elf Jahren stürmen will? Gegen eine Wucht, die mit jedem Tag zum großen Finale hin mehr an Kraft gewinnt, an Euphorie, an Liebe und Glauben. Die Antwort darauf muss man nicht ausschreiben. Das Westfalenstadion, das schon so oft gebebt und gekocht hat, wird am Samstag vor glühender Leidenschaft fast zerbersten. Ja, die Sache kann noch schiefgehen. Aber für die Münchner könnte die Aussicht auf eine echte Chance nicht schlechter stehen. Zumal parallel die Hausaufgaben erledigt werden müssen.

In allen neun Partien geht’s noch um etwas

Der 34. Spieltag der 60. Bundesliga-Saison hat es in sich. Wie üblich werden alle Spiele parallel ausgetragen. Und in allen neun Partien geht es noch um etwas. Nicht immer um Zeitenwende (FC Bayern und BVB) oder Überleben in der Liga (Borussia Mönchengladbach – FC Augsburg, VfB Stuttgart – TSG Hoffenheim, VfL Bochum – gegen Bayer Leverkusen und RB Leipzig – FC Schalke 04), dafür aber um lukrative Finanzströme über die Wege Europa League (Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt) oder gar Champions League. Hier befinden sich Union Berlin (gegen Werder Bremen) und der SC Freiburg (bei der Eintracht) im Fernduell. So viel Spannung war selten – den Spielplan in der Übersicht gibt es hier und die aktuelle Tabelle hier.

Fünf Tage haben die Münchner nach diesem Montag noch Zeit, sich wiederaufzurichten. Antworten auf das zu finden, was sie am Samstag erlebt haben. Nach vielen kleinen Schritten in die richtige Richtung sei es für ihn unerklärlich, “wieso wir uns dann entscheiden, in die komplett andere Richtung mit Siebenmeilenstiefeln zu gehen”, schimpfte Tuchel. Er kündigte bereits eine radikale Analyse an: “Wir werden alles auf den Kopf stellen.” Das gilt mit Blick auf den nächsten Samstag, aber noch viel mehr mit Blick auf die nächste Saison. Denn die erste titellose Spielzeit seit 2012, dieses Szenario ist das wahrscheinlichste, werden die Münchner nicht auf sich sitzen lassen. Es wird gravierende Veränderungen geben, und geben müssen. Im Kader. An der Spitze?

“Finanziell ist der FC Bayern sehr, sehr gut aufgestellt”

Der heftig in die Kritik geratene Klubboss Oliver Kahn muss weiter um seine Zukunft bangen. Am 30. Mai, wenn der Aufsichtsrat mit Klubpatriarch Uli Hoeneß zusammenkommt, wird das große Ganze diskutiert. Dazu gehört auch die Rolle von Sportvorstand Hasan Salihamidžić, dem weiterhin angelastet wird, den Abgang von Robert Lewandowski völlig falsch eingeschätzt und kompensiert zu haben. Beiden haftet zudem die Fehleinschätzung an, dass mit der Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann alles besser werden, alles gut werden würde.

Aber auch das Thema Kaderoffensive wird zur Sprache kommen. Ein neuer Stürmer muss her, ein Weltklasse-Sechser soll ebenfalls kommen. Ob der mit Konrad Laimer bereits gefunden ist, unklar. Das nötige Kleingeld für den Neuanfang ist da, wie Präsident Herbert Hainer versicherte. “Finanziell ist der FC Bayern sehr, sehr gut aufgestellt. Wir haben eine hohe Eigenkapitalquote und auch noch ein bisschen Geld auf dem Festgeldkonto.”

Eine millionenschwere Attacke auf dem Transfermarkt – das wäre klassisch FC Bayern. Nach Platz vier 2007 kamen Franck Ribéry und Luca Toni, nach der Klatsche gegen den späteren Meister Wolfsburg 2009 Arjen Robben und Mario Gomez, nach dem Vize-Triple 2012 Rekordzugang und Abwehrgigant Javi Martinez sowie Sturmhüne Mario Mandzukic, später ergänzt durch die BVB-Stars Mario Götze und Robert Lewandowski. Aber die Kräfteverhältnisse am Markt haben sich verschoben. Der FC Bayern konkurriert nicht mehr nur mit Klubs um die besten Spieler, sondern mit mächtigen Investoren. Aber die Lage ist eben so: “Wenn man die Bayern reizt”, weiß der damalige Dortmunder Meistermacher Jürgen Klopp, “schlagen sie in Dekaden zurück”.

“Die Ehre der Bayern war verletzt”

Also eher Hoffnung statt Wunder. “Auch wenn es traurig und schmerzhaft war, war es wichtig für den FC Bayern, 2012 zu verlieren – um dann alles in die richtigen Bahnen zu lenken”, sagte der frühere Sportvorstand Matthias Sammer in einem Interview von “Münchner Merkur” und “tz” anlässlich des zehnten Jahrestags des Münchner Triples 2013. “Die Ehre der Bayern war verletzt, das habe ich schon bei den ersten Gesprächen mit Uli (Hoeneß) gemerkt. Es herrschte eine große Unsicherheit, alle Stellen wurden hinterfragt. Für die Wahnsinnsentwicklung, die der FC Bayern danach und bis heute genommen hat, war der Sieg weniger wichtig als die Niederlage.”

Die Münchner hatten 2012 nicht nur das Finale der Champions League in der eigenen Arena gegen den FC Chelsea, sondern auch das Endspiel in Berlin um den DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund verloren. In der Bundesliga wurden sie nur Zweiter hinter Borussia Dortmund. “Ich habe sofort gemerkt, wie sehr dieses Vize-Jahr Uli und Karl-Heinz (Rummenigge) ins Mark getroffen hatte”, berichtete Sammer, der aktuell BVB-Berater ist. “Damals wurden Entscheidungen getroffen und vorgelebt, was jeder wusste: Es gibt keine Ausreden mehr! Jupp (Heynckes) hat das als Trainer perfekt beeinflusst und moderiert, so ist das alles gewachsen. Am Ende war das Finale in London eigentlich nur ein Produkt dieser Entwicklung.” Aber noch gibt es ja Köln – und Mainz.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Cookies, um Ihr Erlebnis zu verbessern. Wir gehen davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, aber Sie können sich abmelden, wenn Sie dies wünschen. Annehmen Weiterlesen

Datenschutz- und Cookie-Richtlinie