Die Gruppenphase verläuft für die deutschen Basketballer perfekt. So gut, dass Trainer Gordon Herbert seinen Spielern einen freien Tag gönnt. Die Wagner-Brüder treffen sich mit ihren Eltern – und alle zusammen auf die mitgereisten Fans. Das, was nun droht, lässt das Team noch kalt.
Die Sonne strahlte über Okinawa, als Moritz und Franz Wagner ihre Eltern einsammelten und dem WM-Bohei entflohen. “Ich bin tatsächlich mit der Familie ganz entspannt zum Strand gefahren”, erzählte Moritz: “Und habe nicht so viel über Basketball nachgedacht, was sehr erfrischend ist.” Am freien Tag nach der perfekten WM-Gruppenphase mussten die deutschen Medaillenjäger dringend mal abschalten.
Besonders Franz, der die letzten beiden Gruppenspiele wegen einer Knöchelverletzung verpasst hatte, kam die Auszeit mit Mama Beate und Papa Axel gelegen. “Es war sehr schön, einfach als Familie ein bisschen zusammen zu sein. Und ein bisschen vom ganzen Trubel wegzukommen”, sagte der 22-Jährige. Ruhe, Entspannung und Familie – so heilt das Sprunggelenk der Basketball-Nation am schnellsten.
Dass die Mannschaft nach seiner Verletzung zum Auftakt gegen Japan auch ohne ihn glänzen konnte und mit einer perfekten Bilanz von drei Siegen aus drei Gruppenspielen in die Zwischenrunde einzog, freute Wagner derweil sehr. Bei den Siegen gegen Australien (85:82) und Finnland (101:75) habe das Team “zwei gute Spiele gespielt”, so Wagner: “Gleichzeitig ist es natürlich schwierig für mich. Ich wäre gerne da draußen und würde dem Team auf dem Spielfeld helfen.”
Auch ein Fan-Treff steht auf dem Programm
Noch ist jedoch offen, ob Wagner zur Zwischenrunde am Freitag gegen Georgien und Sonntag gegen Superstar Luka Doncic und Slowenien fit wird, wenn es um die Tickets für die K.-o.-Runde in Manila geht. Doch daran dachten am Mittwoch wohl die Wenigsten, Bundestrainer Gordon Herbert hatte dem Team nach drei Spielen in fünf Tagen freigegeben.
Kein Mannschaftstraining, gemeinsames Essen und Krafttraining optional. Neben den Wagners plantschten auch Johannes Thiemann, Justus Hollatz und David Krämer am Sunset Beach im hellblauen Meer, ehe am Nachmittag ein Treffen mit deutschen Fans auf dem Plan stand. Im La’gent Hotel, 200 Metern entfernt vom Mannschaftshotel Hilton, trafen die deutschen Spieler 36 mitgereiste Anhänger, welche die Mannschaft mit Applaus empfingen.
Selfies, Autogramme, lockerer Plausch in Speeddating-Atmosphäre: Die Stars um Kapitän Dennis Schröder nahmen sich reichlich Zeit und erfüllten jeden Wunsch. “Als Spieler nimmt man das viel zu oft als selbstverständlich. Man vergisst, dass da ein Mensch dahinter ist, der Urlaub und Geld opfert, um hierherzufliegen und uns zu unterstützen”, sagte Moritz Wagner: “Und das ist sehr cool, das zu sehen.”
Ruhestörung schon bekannt
Erst am morgigen Donnerstag bittet Herbert seine Spieler wieder zum Training, bis dahin sollen seine Spieler, so der Coach, “den Kopf frei kriegen”. Am besten stellen die Nationalspieler dann ihre Wetter-Apps aus. Ein Taifun nähert sich der japanischen Insel, die er passend zum ersten Zwischenrunden-Spiel am Freitag erreichen soll. Herbert nahm die Situation mit Humor. “Hoffentlich sind wir am Freitagabend der Taifun”, scherzte der Kanadier. Hollatz sah sich an den Raketenalarm kurz vor WM-Start erinnert: “Wir hatten ja schonmal eine Ruhestörung in der Nacht. Ich glaube, das kann uns nicht aufhalten.”
Die Stimmung im Team ist hervorragend, nach der tollen Gruppenphase auch kein Wunder. Doch Herbert trat gleich auf die Euphoriebremse: “Auf dem Weg zum Gipfel des Berges sind wir erst bei der Hälfte. Wir haben höhere Erwartungen.” Eine Medaille nämlich. Und dafür müssen die Deutschen erst in ihrer Zwischenrunden-Gruppe unter die ersten beiden Teams kommen, um sich für das Viertelfinale zu qualifizieren.
Die imposanten WM-Auftritte lassen Deutschland immer mehr in den engsten Kreis der Turnierfavoriten aufrücken. Finnlands Trainer Lassi Tuovi nannte den EM-Dritten nach der 75:101-Schlappe seines Teams einen Topkandidaten auf den Titel. “Sie können es bis ganz zum Ende schaffen”, sagte Tuovi. Ähnlich hatte sich bereits Steve Kerr geäußert, nachdem sein US-Team in Abu Dhabi beim 99:91 sehr viel Mühe hatte. Es sei “klar, dass Deutschland eines der besten Teams der Welt ist”, sagte Kerr der dpa. Die Leistungen bei der WM in Japan belegen dies eindrucksvoll.