Für die große Sensation bei der Darts-WM hat es nicht gereicht: Mit Martin Schindler ist als zweiter Deutscher beim wichtigsten Turnier des Jahres ausgeschieden. Gegen Michael Smith unterlag “The Wall” im Londoner Alexandra Palace nach großem Kampf mit 3:4.
Deutschland erlebt unmittelbar nach Weihnachten über Strecken Darts-Feiertage bei der Weltmeisterschaft in London. Nach dem Achtelfinal-Einzug von Gabriel Clemens am Dienstagabend hatte zwischenzeitlich alles nach einem Sensationssieg von Martin Schindler über den englischen Spitzenspieler und Titelkandidaten Michael Smith ausgesehen. Am Ende ging dem Deutschen allerdings die Luft aus, Smith drehte die Partie nach einem 1:3-Rückstand noch zum knappen 4:3-Erfolg.
Zunächst beim Walk-on zur größten Darts-Bühne der Welt von den größtenteils englischen Fans ausgebuht, hatte die Partie aus Sicht des Deutschen stark begonnen. Mit einem Punkte-Durchschnitt von über 100 sicherte sich “The Wall”, wie der gebürtige Brandenburger genannt wird, den ersten Satz hauchdünn mit 3:2. Zwar schlug Smith mit einem glatten 3:0 im zweiten Durchgang zurück, doch Schindler kam mit einem Feuerwerk aus der zweiten Pause. Die Sätze drei und vier gewann Schindler, der mit etlichen 180er-Aufnahmen seinem hoch favorisierten Gegner den Schneid abkaufte.
Zittersieg für den “Bully Boy”: Michael Smith siegt mit 4:3.
(Foto: IMAGO/Pro Sports Images)
Dass Smith zwischenzeitlich der “Big Fish” (170 Punkte mit drei Würfen checken) gelang, beschäftigte Schindler nicht lange. Dieser setzte sich mit hohen Scores immer mehr ab und behielt auf die Doppelfelder die Nerven. “Ich werde die ganze Zeit keulen müssen, um hinterherzukommen”, hatte Schindler im Vorfeld befürchtet.
Zeitweise agierte Schindler im bisher mit Abstand größten und wichtigsten Spiel seiner Karriere aber wie entfesselt. Dabei hatte es bei der Rückreise nach Großbritannien am zweiten Weihnachtsfeiertag erneut Komplikationen mit dem Gepäck am Londoner Flughafen gegeben. “Es gab ein Problem. Das Personal hat gestreikt. Der Koffer wurde nicht abgeladen. Die erste Nacht war wieder ohne Koffer. Gestern gab es dann die Koffer. Beim letzten Mal hat es Glück gebracht”, berichtete Schindler im Vorfeld der Partie bei “Sport1”.
Gegen Michael Smith half auch das glückbringende Koffer-Chaos nicht. Für Martin Schindler hat es an einem dramatischen Darts-Abend im “Ally Pally” nur knapp nicht gereicht. Weil der “Bully Boy” mit dem Mute der Verzweiflung unter teils großem Druck die entscheidenden Doppelfelder traf und aus einem 1:3-Rückstand in den Sätzen zunächst ein 3:3 machte und im “Decider” schließlich einen Ticken besser punktete.
Van Gerwen trotz Arroganz-Anfall weiter
Unmittelbar vor dem Duell zwischen Smith und Schindler hatte WM-Topfavorit Michael van Gerwen mit einer bärenstarken Leistung ein Signal Richtung Konkurrenz gesetzt. Seinem österreichischen Gegner Mensur Suljovic reichte eine Topleistung seinerseits nicht zur Sensation. Suljovic traf zwar 65 Prozent seiner Versuche auf die acht Millimeter schmalen Doppelfelder, “MvG” hatte jedoch fast immer eine Antwort parat und so setzte sich mit 4:1 durch. Der WM-Topfavorit kam am Ende der Partie auf einen Punkteschnitt von 107 pro Aufnahme. Der mit Abstand beste Wert eines Spielers bei der aktuellen Weltmeisterschaft.
Statistiken, die der Weltranglistendritte und Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 aber auch brauchte, um ins Achtelfinale einzuziehen. Satz eins und zwei gingen jeweils knapp an van Gerwen. Satz drei schnappte sich wiederum Suljovic mit 3:1. Und auch im folgenden Durchgang hielt sich “The Gentle” mit seiner überragenden Doppelquote von zeitweise über 80 Prozent aussichtsreich im Rennen. Bis “MvG” im Entscheidungs-Leg mit zwei 180er-Aufnahmen ein Statement setzte und mit 3:1 in Führung ging.
Was wie die Vorentscheidung aussah, stachelte den klaren Außenseiter Suljovic aber nur noch mehr an. Auch der fünfte Durchgang musste im entscheidenden Leg entschieden werden. Hier sah alles nach dem ersten Matchdart für Michael van Gerwen aus. Aber der 33-Jährige ließ eine Chance auf Bullseye absichtlich liegen, um sich stattdessen ein einfacheres Doppel zu stellen. Ein Arroganz-Anfall, den Suljovic sofort bestrafen konnte. 161 Punkte brachte Suljovic auf Null und den “Ally Pally” – abgesehen von den “MvG”-Fans – in Ekstase. Letztlich war der Satzgewinn von Suljovic aber für den Ausgang der Partie nicht mehr entscheidend. Matchdart Nummer fünf konnte van Gerwen endlich nutzen.
Doppel-Weltmeister Anderson schon raus
Im ersten Spiel der Abendsession hatte sich Joe Cullen überraschend deutlich gegen den Australier Damon Heta durchgesetzt. Glatt mit 4:0 gewann der “Rockstar”, der im Achtelfinale am Freitagnachmittag nun der nächste Gegner von Michael Smith ist.
Bereits am Nachmittag musste sich dagegen der zweifache Weltmeister Gary Anderson aus dem Turnier verabschieden. Nach Finaleinzug bei der WM 2021 und der Halbfinal-Teilnahme im Vorjahr, schied der “Flying Scotsman” bei der Darts-WM 2023 bereits in Runde drei aus. Gegen Chris Dobey konnte Anderson zu keiner Zeit an seine erfolgreichen Jahre anknüpfen. Die 1:4-Niederlage ist gleichbedeutend mit einem krachenden Absturz in der Weltrangliste, die auf dem eingespielten Preisgeld der vergangenen zwei Jahre basiert. Anderson ist kein Top-20-Spieler mehr.
Ebenfalls eine Runde weiter zog Feuerwehrmann Alan Soutar, der sich nach 0:2-Rückstand noch gegen Danny Noppert durchsetzte. Einen noch höheren Rückstand drehte im ersten Spiel des Tages José de Sousa gegen Ryan Searle. Der Portugiese kam nach einem 0:3-Rückstand zurück, überstand einen Matchdart von Searle und gewann noch mit 4:3. “The Special One” verdiente sich mit dem Erfolg ein Achtelfinale gegen den Weltranglisten-Ersten Gerwyn Price am Donnerstagabend.