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HSV spielt phänomenal, Juventus reagiert brutal

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Vor 40 Jahren war der Hamburger SV oben auf. Im Finale des Europapokals der Landesmeister hatten die Hanseaten die hoch favorisierte Mannschaft von Juventus Turin geschlagen. Da konnte selbst ein fieser Ellenbogenschlag die Feier nicht trüben!

“Ich habe den Happel und die Mannschaft nie so entspannt gesehen wie bei diesem Spiel”, erinnerte sich der damalige Manager Günter Netzer später einmal an diese legendäre Nacht des 25. Mai 1983 – als der Hamburger SV im Finale des Europapokals der Landesmeister Juventus Turin besiegte und den Pokal in die Hansestadt holte. In seinem Buch über Happel, “Danke, Ernst!”, schrieb der ORF-Radiosportchef Heinz Prüller einst: “Der Hamburger SV – für jeden chancenlos. Die Italiener werden schon vorher gefeiert, haben Banderolen drucken lassen für den Europapokalsieger ´83, Feste geplant in Griechenland.” Netzer lächelte nach dem Triumph: “Doch das hat uns alles nicht berührt!”

Der Matchwinner: Felix Magath.

(Foto: imago images/Ferdi Hartung)

40 Jahre später will Italiens Torwartlegende, der Keeper des damaligen HSV-Gegners Juventus Turin, Dino Zoff, von dieser falschen Euphorie vor der Partie nichts mehr wissen: “Das ist alles Blödsinn! Klar waren wir favorisiert – Italien war ja Weltmeister, außerdem hatten wir Platini. Also tippte jeder auf uns. Aber dass wir schon vor dem Spiel an die Feier nach dem Spiel gedacht haben: Jetzt übertreiben wir mal nicht.” Doch im Großen und Ganzen waren sich die Fußballexperten einig, dass der HSV vor 77.000 Zuschauern – davon über 50.000 Anhänger des italienischen Abonnement-Meisters Juve – in Athen nur eine Außenseiter-Chance hatte.

“Ein herrlicher Treffer, ein wunderbarer Treffer!”

Doch genau die nutzten die Hamburger in dieser magischen Nacht bereits nach acht Minuten – als Felix Magath mit seinem Schuss aus halblinker Position in den rechten, oberen Winkel das Tor des Tages erzielte. Das besiegelte italienische Schicksal kommentierte NDR-Reporter Fritz Klein damals für seine Verhältnisse nahezu ausgelassen: “Ein herrlicher Treffer, ein wunderbarer Treffer!”

Dieses frühe Tor führte auch dazu, dass sich der ansonsten so gerne grantelnde HSV-Coach Ernst Happel im Rückblick immer sehr gerne an dieses besondere Spiel erinnerte: “Die erste Halbzeit in Athen – da habe ich die Arme verschränkt und hab gedacht: Es gibt nichts Schöneres. In einer Kirche ist es auch nicht schöner.” Und auch Felix Magath überkamen lange nach seinem Karriereende noch warme Gefühle, wenn er an seinen entscheidenden Treffer im Finale 1983 zurückdachte: “Mein berühmtestes Tor. Noch heute passiert es, dass sich Italiener dafür bedanken und mir Champagner überreichen. Das sind natürlich keine Juve-Fans.”

“Sie spielten Fußball im Liverpool-Stil”

Happels Elf, die von ihm am Endspieltag morgens eher beiläufig auf das Spiel am Abend auf einem Golfplatz (!) eingestellt worden war, hatte eigentlich nur noch zwei echte Schrecksekunden zu überstehen. Die eine, als Keeper Uli Stein eine Viertelstunde vor Schluss Juves Starspieler Platini elfmeterreif im Strafraum niederstreckte und Glück hatte, dass der Schiedsrichter nicht auf Strafstoß entschied. Und die andere, als Lars Bastrup vom Italiener Claudio Gentile mit einem Ellenbogenschlag den Kiefer gebrochen bekommen hatte – absichtlich. Eine üble Nummer, die noch ein groteskes Nachspiel hatte, wie sich Manager Netzer später erinnerte: “Bastrup und Gentile wurden zum Dopingtest ausgelost, das fand ich unglaublich. Und dann saßen die beiden also in einem engen Raum, und Lars wollte auf den Italiener los, er konnte sich überhaupt nicht beruhigen. Er verstand nicht, dass ein Spieler seinem Gegenspieler so etwas Brutales antun kann. Ich stand zwischen den beiden und versuchte zu schlichten, aber das war sehr schwierig.” Stunden später saß Bastrup dann auf der Siegesfeier und trank mit schmerzverzerrtem Gesicht Champagner aus einer Schnabeltasse.

Zum Autor

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  • Sein aktuelles Buch “60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum” ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag “Die Werkstatt”

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Die Medien waren nach diesem Abend und dem überraschenden Erfolg der Hanseaten voll des Lobes über den HSV. Selbst der englische “Daily Express” verfasste eine Ode an die Gewinner: “Die Hamburger sind die Könige Europas. Sie spielten Fußball im Liverpool-Stil. Die Elf, die in England durch Kevin Keegan berühmt wurde, sah in den rotgestreiften Trikots richtig englisch aus.” Und der “Kicker” sah den “HSV am Ziel seiner Träume.” 40 Jahre später analysiert Weltmeister Dino Zoff ganz nüchtern: “Hamburg war einfach besser als wir. Das geschieht oft im Sport, wenn man vorher schon meint, dass man stärker ist.”

“Das allein mildert die Enttäuschung”

Damals versuchte Juves Ehrenpräsident auf Lebenszeit, Giovanni Agnelli, seinen Klub und sein Team noch auf andere Weise zu trösten: “Wir müssen uns sagen, dass wir von einer großen Mannschaft geschlagen wurden. Das allein mildert die Enttäuschung.” Doch die Niederlage in der Nacht von Athen liegt bis heute vielen Juve-Anhängern schwer im Magen. Und wie war die Stimmungslage beim HSV?

Der reiste am Morgen nach dem Titelgewinn bereits um 6.00 Uhr früh aus Athen ab (Happel: “Damit uns keine Fotoreporter auflauern”). Der österreichische HSV-Erfolgscoach hatte die Meisterschaft als nächstes Ziel ausgegeben – und gönnte seinem Team deshalb nur ein kurzes Innehalten. Im Hamburg selbst gab es überhaupt keine offiziellen Feierlichkeiten. Ganz im Gegenteil: Kaum war die Mannschaft auf dem Flughafen gelandet, verdrückte sie sich sogleich durch einen Seitengang. Die wartenden Fans waren enttäuscht, doch Trainer Happel hatte bereits eine morgendliche Trainingseinheit am Ochsenzoll angesetzt. Schließlich wartete am Wochenende der 33. Spieltag auf die Mannschaft. Und es klappte: Der HSV schlug den BVB mit 5:0 und war bei einem eigenen Sieg im Gelsenkirchener Parkstadion vom Konkurrenten Werder Bremen nicht mehr einzuholen.

Und tatsächlich: Der Hamburger SV holte nur anderthalb Wochen nach dem Triumph von Athen mit einem 2:1-Erfolg auf Schalke auch die Deutsche Meisterschaft. Doch was sollte nach diesem legendären Doppelsieg für den HSV in Zukunft noch kommen? Dem “Kicker” schwante Böses. Unter der Überschrift “Die Angst, sich kaputt zu siegen” schrieb er: “Die Hamburger fürchten, dass sie mit zu vielen Siegen ihre Fans langweilen und abschrecken könnten.” Doch diese Sorge sollte, wie wir heute wissen, unbegründet sein. Einzig im Jahr 1987 holten die Hamburger mit dem DFB-Pokal noch einen weiteren Titel – ansonsten träumen sich die HSV-Fans seitdem sehnsüchtig zu den Tagen des Frühsommers 1983 zurück, als der Klub und seine Anhänger für einen Moment die “Könige von Europa” waren.

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