Aktuelle Deutschland Nachrichten

“Hoffe, es geht noch weiter als ins Achtelfinale”

0 8

Der vorletzte Schritt ist geschafft auf dem Weg zu deutscher Darts-Geschichte: Gabriel Clemens steht bei der Weltmeisterschaft wie vor zwei Jahren im Achtelfinale. Am Abend seines dramatischen Comeback-Sieges über Jim Williams ist der “German Giant” im Interview mit ntv.de von der lautstarken Unterstützung der vielen deutschen Fans im “Ally Pally” überwältigt. Für die Runde der letzten 16 hat sich Clemens vorgenommen, “die Doppel 1 zu vermeiden”, wie bei seinem denkwürdigen Achtelfinal-Aus gegen Krzysztof Ratajski bei der von Corona überschatteten Geister-WM 2020/2021. Damit es für den 39-jährigen Saarländer im Londoner Alexandra Palace “noch weiter geht”.

ntv.de: Gabriel Clemens, Sie lagen mit 2:3 in den Sätzen und 0:2 in den Legs in Rückstand. Hand aufs Herz, haben Sie in dieser Phase überhaupt daran geglaubt, das Spiel noch drehen zu können?

Gabriel Clemens: Glauben tut man natürlich immer daran. Ich weiß, man bekommt in einem solch langen Match irgendwann immer noch eine Chance. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass Williams mal an einem Doppel vorbei wirft. Er hat dann im sechsten Satz den Matchdart auf Doppel 6 liegen gelassen. Und vielleicht war das der eine Dart, den ich gebraucht habe, die eine verpasste Chance, die dem Spiel nochmal eine Wendung gab.

Der Spielverlauf muss für Sie ja eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen sein. 1:0 vorne, 2:1 vorne, zwei Chancen zum 3:1 verpasst, 2:3 in Rückstand, Matchdart überstanden, selbst den ersten Matchdart auf Bullseye genutzt.

Ich muss unbedingt das 3:1 machen unmittelbar vor der Pause, dann ist es ein ganz anderes Spiel. Stattdessen steht es 2:2 und Jim Williams spielt anschließend den fünften Satz richtig gut. Dann liege ich auf einmal hinten und es wird plötzlich ganz schwierig. Zum Glück habe ich den Schalter rechtzeitig umgelegt, wieder gut gespielt und das Spiel irgendwie noch gewonnen.

Irgendwie gewonnen ist gut, schließlich landete der entscheidende Dart zum Sieg im Bullseye. Spektakulärer können Sie diese Partie ja nicht beenden. Beschreiben Sie mal Ihre Gefühlslage in dem Moment.

Ich war natürlich total glücklich in der Situation. Das Match in dieser Art und Weise gewonnen zu haben, nach dem Rückstand, gibt natürlich viel Selbstvertrauen. Eigentlich war ich sportlich tot, bei 2:3-Rückstand und 0:2 in den Legs.

Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie vor allem mental so stark waren und unter dem größtmöglichen Druck standgehalten haben?

Ich arbeite jeden Tag daran, unter Druck fokussiert bleiben zu können. Aber das lässt sich nicht pauschalisieren, wie man das macht. Klar ist, dass Erfahrungen wie diese einem nur weiterhelfen können. Wenn man solche Spiele übersteht, kann man sich in Zukunft in ähnlichen Situationen besser behaupten, an den Erinnerungen hochziehen.

In den entscheidenden Momenten waren Sie in der Schlussphase zur Stelle, um im Spiel zu bleiben. Das war mental sicherlich nicht selbstverständlich, weil dieses Jahr, was die TV-Turniere betrifft, ja nicht Ihr erfolgreichstes war.

Ich denke, das ist normal, dass es eine Zeit lang mal nicht so läuft auf den großen Bühnen. Irgendwann kommt dann der Moment, an dem es wieder besser läuft. Und dieser Moment war heute.

Diese emotionale Achterbahnfahrt stand Ihrer Freundin und Ihren weiteren Gästen in der ersten Reihe im Publikum ins Gesicht geschrieben. Haben Sie mitbekommen, wie ihr Anhang mit Ihnen gelitten und sich gefreut hat?

Ein Spiel hat immer viele Facetten, das ist auch für die Begleitpersonen nicht so einfach, gerade bei einem solch engen Match. Es ist einfach toll zu sehen, dass sie emotional derart mitgehen, dass sie hochspringen, wenn man etwas Gutes gemacht hat. Wenn ich etwas nicht so Gutes gemacht habe, gucke ich aber lieber gar nicht zu ihnen herunter. (lacht)

Wie haben Sie die Fans wahrgenommen? Es waren etwa 750 deutsche Zuschauer im “Ally Pally”.

Ja, Wahnsinn. Es war teilweise so laut, dass man Russ Bray (Caller, der die Punkte ansagt; Anm. d. Red.) manchmal gar nicht gehört hat. Deshalb musste ich stattdessen oft auf den Punktezettel schauen. Was für eine Wahnsinns-Stimmung. Ich hoffe, das kommt hier jetzt noch häufiger vor.

Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte der PDC-Weltmeisterschaft, dass sich ein Deutscher fürs Achtelfinale qualifiziert. Vor zwei Jahren haben Sie es erstmals geschafft. Verspüren Sie dadurch zusätzlichen Druck?

Ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Klar, das ist schön, zweimal im Achtelfinale zu sein. Und, dass es noch niemand anderes geschafft hat, ist natürlich schade. Wir hatten hier im “Ally Pally” schon viele gute deutsche Dartspieler, die das auch hätten erreichen können, und auch immer noch können. Aber man schaut natürlich nur auf sich und will so weit kommen, wie es nur irgendwie geht. Ich hoffe, es geht irgendwann noch etwas weiter als ins Achtelfinale.

Was müssen Sie im Hinblick auf das Achtelfinale gegen Danny Noppert oder Alan Soutar verbessern?

Grundsätzlich war es ein gutes Spiel gegen Jim Williams. Ich habe zwar nicht so viele 180er geworfen, dafür aber viele 140er. Das war insgesamt ein hohes Niveau. Bei den Würfen auf die Doppelfelder habe ich am Ende nichts mehr ausgelassen, über weite Strecken der Partie war es aber nicht so gut wie in meinem ersten Spiel gegen William O’Connor. Also die Doppel sollte ich im nächsten Match dann schon in dem einen oder anderen Moment früher treffen. Aber, ganz ehrlich, im Endeffekt ist es mir nach diesem Spiel jetzt auch egal. Ich habe gewonnen, nur das zählt.

Machen Sie irgendetwas anders in der Vorbereitung im Vergleich zum Achtelfinale vor zwei Jahren?

Nein, ich habe nun erst mal ein oder zwei Tage Pause, je nachdem wann das Achtelfinale stattfindet. Natürlich werde ich Martin (Schindler, spielt am Mittwochabend gegen Michael Smith, Anm. d. Red.) in der Halle unterstützen. Und logisch, dass ich auch trainieren werde. Ansonsten ruhe ich mich aus und dann werde ich im Achtelfinale wieder Vollgas geben.

In Ihrem ersten Achtelfinale vor zwei Jahren haben Sie in einem unfassbaren Doppel-Drama sieben Matchdarts vergeben, davon etliche auf Doppel 1. Worauf kommt es diesmal an?

Ich sollte mein Doppel früher treffen, damit ich die Doppel 1 vermeiden kann. (lacht)

Mit Gabriel Clemens sprach Kevin Schulte

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Cookies, um Ihr Erlebnis zu verbessern. Wir gehen davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, aber Sie können sich abmelden, wenn Sie dies wünschen. Annehmen Weiterlesen

Datenschutz- und Cookie-Richtlinie