Erstmals wird eine Frau ein Männer-Profiteam im englischen Fußball trainieren. Hannah Dingley ist die Vorreiterin beim Viertligisten Forest Green Rovers. Die 39-Jährige ist schon seit 2019 im Klub, steigt nun interimsweise auf. Für den Klubboss ist sie aufgrund ihrer “fantastischen Arbeit” die logische Wahl.
Die Forest Green Rovers starten eine Revolution im Männerfußball: Sie sind der erste englische Profiklub, der eine Frau als Trainerin verpflichtet. Hannah Dingley steigt beim Viertligisten aus Nailsworth im Westen Englands von der Leiterin der Nachwuchsakademie zur Interimstrainerin auf. Der bisherige Chefcoach Duncan Ferguson war nach nur sechs Monaten im Amt entlassen worden, nachdem er den Abstieg aus der EFL League One nicht verhindern konnte. Erst vor einem Jahr hatte der Klub erstmals den Aufstieg geschafft.
“Es ist eine aufregende Zeit im Fußball. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, einen so fortschrittlichen und vorausschauenden Verein zu leiten”, sagte die 39-jährige Dingley, die 2019 zum Verein kam. Nach wie vor ist sie die einzige Frau, die eine Akademie eines Klubs in der englischen Männer-Liga leitet. 2021 hat sie zudem die Mädchen-Akademie des Klubs gegründet. “Ich freue mich sehr auf diesen nächsten Schritt in meiner Karriere. Die Saisonvorbereitung hat gerade erst begonnen, und schon bald geht es in die volle Saison.” Schon am heutigen Mittwoch wartet gegen Melksham Town das erste Freundschaftsspiel auf sie.
Klubbesitzer Dale Vince sagte über die Beförderung: “Hannah war für uns die erste Wahl als Interims-Cheftrainerin der ersten Mannschaft – sie hat fantastische Arbeit in der Leitung unserer Akademie geleistet und passt gut zu den Werten des Vereins.” Vince ist sich der Aufmerksamkeit bewusst, die der Klub mit Dingley als Trainerin erhält: “Es ist wohl bezeichnend für den Männerfußball, dass wir mit dieser Ernennung Neuland betreten.”
In Deutschland gibt es zwei Vorbilder
Dingley ist eine Vorreiterin im englischen Fußball – und schafft womöglich den Wechsel von der Interims- zur Dauerlösung. “Man hat die Verantwortung, als Erste die Türen für andere zu öffnen und andere zu ermutigen”, sagte sie schon im März in einem Gespräch mit der BBC über Vorbilder im Fußball. In Deutschland gibt es Vorbilder für sie, die allerdings beide nicht lange im Amt waren. Inka Grings und Imke Wübbenhorst sind die einzigen zwei Trainerinnen im hochklassigen Männerfußball, die es bislang in Deutschland gab. Grings hatte ab April 2019 den Regionalligisten SV Straelen trainiert, den Abstieg konnte sie in dieser Saison nicht mehr verhindern, doch sie schaffte den erfolgreichen Wiederaufstieg, ehe sie den Klub verließ. Wübbenhorst war 2020 Trainerin bei den Sportfreunden Lotte in der Regionalliga, mit ihr gelangen aber nur drei Siege aus 19 Spielen.
Grings ist seit diesem Jahr die Nationaltrainerin der Schweizer Frauen und tritt mit diesen bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland an. Wübbenhorst trainiert die Frauen des Schweizer Klubs Young Boys Bern, wo sie die Freude am Fußball wiedergefunden hat, wie sie Ende 2022 dem “Kicker” sagte. Eine Rückkehr in den Männerfußball schließt die 34-Jährige nicht aus: “Es geht nicht um Männer- oder Frauenfußball. Es gibt auch gut aufgestellte Klubs, bei denen ich denke, dass sie eine gute Führung haben. Aber es gibt eben auch viele andere Beispiele. Bei guten Strukturen ist es egal, ob Männer- oder Frauenfußball.”
Dingley will Frauen ermutigen
Für Dingley geht es vor allem um die Sichtbarkeit von Frauen in der Männerdomäne: “Wenn du es dir nicht vorstellen kannst, wirst du es wahrscheinlich nicht erreichen”, sagte sie im März der BBC. “Ich hoffe, dass die Tatsache, dass ich dies tue, mehr Frauen dazu ermutigt, als Trainerin zu arbeiten, in den Fußball einzusteigen und verschiedene Rollen zu übernehmen. Ich fühle eine große Verantwortung, darüber zu sprechen.” Damals war sie sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis eine Frau ein Männer-Profiteam übernehmen würde – nun ist sie selbst diejenige, die die Revolution anführt.
Womöglich ist es folgerichtig, dass die Forest Green Rovers diesen Schritt wagen, der Klub geht gern neue Wege. Mit der Übernahme von Vince im Jahr 2010 kam das Thema Nachhaltigkeit auf, seit 2013 ist das Catering im Klub und Stadion nach und nach auf vegan umgestellt worden. Und auch die Ausstattung der Spieler ist angepasst, sie tragen etwa Trikots und Schienbeinschoner, die aus Bambus hergestellt sind. Der Rasen des Stadions wird ohne Pestizide gepflegt. Für das Ziel, der “grünste” Fußballklub der Welt sein zu wollen, gab es 2018 den “Momentum for Change”-Preis des UN-Klimaschutzsekretariats.