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Fast wäre Pelés Weltkarriere verhindert worden

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Mit 17 Jahren verzauberte der Mann, den alle nur Pelé nannten, die Fußballwelt. Sein Aufstieg zum Superstar bei der WM 1958 ist bis heute einzigartig. Wie seine ganze Karriere. Für viele Fachleute ist und bleibt der Brasilianer der beste Fußballer der Geschichte. Nun ist Pelé im Alter von 82 Jahren verstorben.

Beinahe hätte er die Stunde seines kometenhaften Aufstiegs, damals bei der WM 1958 in Schweden, verpasst. Denn eigentlich war der junge Mann, den alle Pelé riefen und der als Edson Arantes do Nascimento geboren wurde, fast schon wieder auf der Heimreise gewesen. Psychologen der Nationalmannschaft hatten die große Nachwuchshoffnung der Brasilianer als “infantil” bezeichnet.

Im Nachhinein ist das natürlich fast schon lustig, weil Pelé bis heute mit 17 Jahren, 8 Monaten und 6 Tagen der jüngste Torschütze in einem WM-Finale ist, aber damals nahmen die bösen Worte und der Rummel um seine Person den jungen Fußballer auf eine sehr spezielle Weise mit. Pelé fühlte sich in diesen Anfangstagen in Schweden nicht gut, denn er glaubte, eine Knieverletzung zu haben – und wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder nach Hause.

Doch sein Trainer Vicente Feola sagte nein, obwohl er selbst nicht mehr wirklich damit rechnete, dass dieser kleine, kindliche Bursche ihm noch einmal zu etwas zunutze sein würde. Mario Américo, der legendäre Masseur der Nationalmannschaft, hatte ihm zwar gesagt, dass Pelé in Wahrheit keine Verletzung, sondern eher einen “Knie-Komplex” habe, doch Feola gab nicht so viel auf die Worte des Physiotherapeuten. Dabei schien die Begründung Américos durchaus sinnvoll: Hatte doch Pelés Vater seine Karriere wegen eines komplizierten Knieschadens frühzeitig beenden müssen. Und nun, als die brasilianische Nachwuchshoffnung leichte Schmerzen im Knie verspürte, spielte der Kopf des jungen Menschen verständlicherweise verrückt. Medizinisch jedoch hatte der Masseur nichts finden können.

Und so vergingen die Tage und die ersten beiden Spiele der WM, ohne dass Pelé zum Einsatz kam. Doch das scherte den jungen Mann nicht. Und sein schmerzendes Knie hatte er mittlerweile auch schon fast vergessen. Denn der 17-Jährige hatte sich – vor allem abseits des Fußballplatzes – in Schweden eingelebt, wie der Journalist Fritz Hack in seinem Buch “Schwarze Perle Pelé” schildert: “Wie eine Wildkatze lag er auf der Lauer und jauchzte auf, wenn er ein Eichkätzchen sah.

Brasilien ist ein einziger Tierpark, aber so ein Ding mit einem langen Schweif hatte er noch nie gesehen. Stundenlang konnte er die rotbraunen Bewohner der schwedischen Wälder jagen. Und er fasste es einfach nicht, dass er danebengriff, wenn er sich wie ein Torwart darauf stürzte. Mit ihm, dem jungen Brasilianer, schwarz wie die Nacht, jagten vier schwedische Mädchen, blond wie Weizenfeld. ‘Pe-Lä’, das konnten sie schnell sagen, aber sonst verstanden sie kein Wort. Doch ließ sie die Weltsprache der Herzen vieles begreifen.”

Und dann kam dieser legendäre Nachmittag des 29. Juni 1958 in Stockholm, als Brasilien den Gastgeber Schweden mit 5:2 besiegte und Pelé, der neue Star am Fußballfirmament, selbst zwei Tore schoss. Seit diesem Tag trägt Edson Arantes do Nascimento einen Beinamen: “Rei Pelé” – “König Pelé”.

WM 1970 lässt Gegner kopfschüttelnd zurück

Es ist schwer, Menschen, die Edson Arantes do Nascimento, kurz Pelé, nie haben spielen sehen, die Faszination dieses alles überragenden Fußballers nahezubringen. Hans Blickensdörfer, selbst einer der größten und begabtesten Sportjournalisten seiner Zeit, hat bis zu seinem Tode im Jahr 1997 viele unglaubliche Ballkünstler auf dem grünen Rasen live agieren gesehen – aber einer wie Pelé, der war nur ein einziges Mal dabei, wie er in seinem Buch “Ein Ball fliegt um die Welt” gewohnt anschaulich beschrieb: “Wir lernen im Physikunterricht, dass da, wo ein Körper ist, kein anderer sein kann. Und im Fußballunterricht lernen wir, dass der Stürmer einen weiten Bogen schlagen muss, wenn sich eine vielbeinige und gar gestaffelte Mauer vor ihm aufbaut. Denn er kann sich ja nicht mit Fäusten oder Ellenbogen wie ein amerikanischer Footballer durchboxen, und er kann sich auch nicht körperlos machen. Aber Edson Arantes do Nascimento, genannt Pelé, kann es. Zumindest erhält der Zuschauer diesen Eindruck, wenn auch Zeitlupenaufnahmen beweisen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Freilich müssen diese Katzengewandtheit und dieses unwahrscheinliche Ballgefühl jeden deprimieren, der geglaubt hat, einiges von der Kunst des Fußballspiels zu verstehen.”

Einer, der aus hautnaher Betrachtung wusste, wovon er redet, war Italiens Nationalspieler Tarcisio Burgnich. Nach der deutlichen Finalniederlage bei der WM 1970 gegen Brasilien schaute er noch lange kopfschüttelnd auf diese unwirkliche Begegnung mit dem südamerikanischen Jahrhunderttalent zurück. “Wir stiegen beide gemeinsam zum Kopfball hoch, doch als ich schon wieder unten war, war Pelé immer noch in der Luft!”

Nur zwei Vereine in der Karriere

Wenn Pelé, der in seiner ganzen langen Karriere von 1956 bis 1977 nur für zwei Vereine – den FC Santos und New York Cosmos – gespielt hat, über das Geheimnis seiner eigenen Fußballkunst sprach, hörte es sich eigentlich recht simpel an: “Wenn ein guter Fußballer zu einem ganz großen, überdurchschnittlichen Spieler werden will, dann muss er mit Freude und Enthusiasmus dabei sein und vor allem immer wissen, was er mit dem Ball macht, noch bevor er ihn zugespielt bekommt.” Zeitzeugen von damals sahen es allerdings nicht ganz so nüchtern. Für sie war der Fußballer Pelé schlicht und ergreifend nicht von dieser Welt. Zwölf Jahre nach seinem Triumph mit der brasilianischen Nationalmannschaft in Schweden lautete nach dem Gewinn der WM 1970 in Mexiko die Überschrift der “Sunday Times” deshalb genau so: “Wie buchstabiert man Pelé? G-O-T-T!”

Und obwohl ihm die überschwänglichen Lobhudeleien selbstverständlich schmeichelten, wusste er stets die eigenen Fähigkeiten selbst am besten einzuordnen – und ging damit auch wie selbstverständlich um. Nachdem ihn Kollegen mal wieder mit der Jahrhundert-Parade des englischen Torwarts Gordon Banks während der WM 1970 in Mexiko aufgezogen hatten, meinte Pelé lächelnd: “Ich habe mehr als 1000 Tore in meinem Leben geschossen. Aber das eine Ding, das ich nicht gemacht habe, bleibt euch in Erinnerung.”

Pelé von WM-Auslosung ausgeladen

Viele jüngere Fußballfans lernten Pelé erst nach seiner aktiven Karriere kennen und schätzen. Seine Auseinandersetzungen mit seinem Landsmann und langjährigen Präsidenten des Fußball-Weltverbandes FIFA, João Havelange, sind legendär. Als Pelé die Korruption im brasilianischen Verband, dessen Vorsitz Havelangs Schwiegersohn Ricardo Texeira innehatte, anprangerte, lud ihn der FIFA-Präsident eigenmächtig von der Auslosung zur WM 1994 aus. Seine Begründung schallt heute noch nach: “Als ich ein Junge war, gab mir mein Vater eine Ohrfeige, wenn ich mich respektlos benommen habe. Genauso habe ich es mit Pelé gemacht.” Lange Zeit hatte Pelé auch große Probleme mit der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs. Seine Worte dazu gingen um die Welt und werden bis heute zitiert: “Wenn Spieler heutzutage über ein Tor jubeln, schauen sie zuerst die Bandenwerbung an und entscheiden dann, vor welchem Schriftzug sie in die Knie gehen.”

Nach dem WM-Finale 1970 in Mexiko sagte der Italiener Tarcisio Burgnich übrigens noch etwas. Besser kann man den großen und bis heute unerreichten Fußballer Edson Arantes do Nascimento wohl nicht in kurzen Worten beschreiben: “Vor dem Endspiel sagte ich zu mir: Pelé ist aus Fleisch und Knochen, so wie ich. Danach erkannte ich, dass ich Unrecht hatte.” Pelé hat einmal über sein einzigartiges Leben gesagt: “Ich weiß selber nicht, wie alles kam und meine oft, es ist nur ein Traum”.

Dieser Traum ist nun zu Ende – und wird doch auf ewig im Herzen vieler Fußballfans weiterleben. Heute ist der größte Fußballer aller Zeiten im Alter von 82 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in São Paulo verstorben.

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