Wenn er dem Fußball geschadet habe, dann tue es ihm leid, sagt Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter. Gleichzeitig räumt er ein, in seiner Amtszeit vielleicht ein “Monster” geschaffen zu haben. In einem Interview spricht Blatter über eigene Fehler und wirft seinem Nachfolger Gianni Infantino Respektlosigkeit vor.
Der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter wirft dem Verband vor, die Überkommerzialisierung des Fußballs zu befeuern. “Was derzeit geschieht, ist eine Überkommerzialisierung des Spiels. Es wird versucht, immer mehr aus der Zitrone zu pressen”, sagte der 86-Jährige im Interview mit der “Zeit”. Die FIFA mische sich in etwas ein, das sie eigentlich nichts angehe – den Klubfußball, so der Schweizer. Als Beispiel nannte er zusätzlich auch die Ausweitung der WM-Endrunde.
Die FIFA hatte zuletzt unter der Führung von Blatters Nachfolger Gianni Infantino das Teilnehmerfeld der Fußball-Weltmeisterschaft erweitert. Bei dem Turnier 2026 in den USA, Mexiko und Kanada werden 48 statt bisher 32 Nationen den Titel ausspielen. Zudem kündigte FIFA-Präsident Infantino während der umstrittenen WM in Katar an, die Klub-WM massiv auszuweiten. Ab 2025 sollen die 32 statt derzeit 7 besten Vereinsmannschaften der Welt regelmäßig gegeneinander spielen. Besonders bei den europäischen Fußballverbänden sorgt das für Unmut.
Auch auf der persönlichen Ebene ging Blatter seinen Nachfolger scharf an. “Ich habe kein Verhältnis zu Infantino. Er hat sich respektlos verhalten, weil er seit seiner Wahl jeglichen Kontakt mit mir verweigert hat. Er kommuniziert nur über Anwälte mit mir. Dabei konnte er sich in ein gemachtes Nest setzen.”
Vielleicht “ein Monster” erschaffen
In dem “Zeit”-Interview räumte Blatter indes ein, selbst eine Verantwortung dafür zu tragen, dass der Fußball zunehmend zum Spielball von Politik und Wirtschaft geworden ist. Im Rückblick definiere er seinen Einstieg bei der FIFA als “die Geburtsstunde von etwas, was so groß geworden ist, dass es außer Kontrolle geriet”. Sein Vorgänger João Havelange habe einmal zu ihm gesagt: “Sepp, du hast ein Monster geschaffen.” Der Brasilianer habe damit gemeint, “dass wir es nicht geschafft haben, den Fußball vor wirtschaftlicher und politischer Einflussnahme zu beschützen”. Blatter fügte hinzu: “Vielleicht hatte er recht.” Er habe “versucht, das Geschäft zu kontrollieren”, sei aber immer wieder “am wirtschaftlichen Wert des Fußballs und an der Politik” gescheitert, so der ehemalige FIFA-Präsident.
Blatter war lange Zeit für die FIFA in verschiedenen Funktionen tätig: ab 1975 als Direktor der Entwicklungsprogramme, dann als Generalsekretär und schließlich von 1998 bis 2016 als Präsident. Wenige Tage nach seiner Wiederwahl kündigte er 2015 seinen Rücktritt als FIFA-Präsident an, blieb aber noch kommissarisch im Amt. In der Folge ermittelte die FIFA-Ethikkommission mehrmals gegen ihn. 2016 trat er infolge einer Sperre zurück, Infantino wurde als sein Nachfolger gewählt.
Blatter, der vor anderthalb Jahren fünf Monate im Krankenhaus lag und nach mehreren Operationen zwei Wochen ins Koma versetzt wurde, entschuldigte sich zudem: “Als ich dem Tod nahe war, da war das kein beängstigendes Gefühl. Es fühlte sich ruhig an, irgendwie zufrieden. Ich habe wirklich versucht, dem Fußball immer zu dienen. Wenn ich ihm damit geschadet habe, dann tut es mir leid.”
Die Austragung der WM in Katar halte Blatter für einen Fehler, weil Fußball nicht politisch sein dürfe. “Das kann man aber nur verhindern, wenn ausschließlich Nationen eine WM ausrichten dürfen, die die Menschenrechte achten. Ansonsten wird der Fußball dazu missbraucht, von den eigenen Missständen abzulenken.” Während Blatters Amtszeit als Präsident wurde die Weltmeisterschaft erst nach Russland und dann Katar vergeben. Darauf angesprochen sagte Blatter, er selbst habe nicht für Katar, sondern für die USA gestimmt. “Aber es gab politische Kräfte, die stärker waren als ich.” Bereits vor Beginn der Wüsten-WM bezeichnete er die Vergabe in das Emirat als Irrtum.