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Ein Vertrag sagt viel über deutschen NHL-Star

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In Kanadas Hauptstadt Ottawa geht es hauptsächlich um Politik. Derzeit sorgt jedoch ein Deutscher auch für sportliche Schlagzeilen: Tim Stützle. Der 21-Jährige ist bereits der beste Stürmer des Vereins – und hat schon einen Rekordvertrag unterschrieben.

Tim Stützle ist ein redseliger Gesprächspartner. Er beantwortet nicht nur Fragen, sondern erzählt tatsächlich auch was – sofern er denn die Zeit dafür hat. Zu Wochenbeginn war das nicht der Fall. Nach der 1:3-Niederlage der Ottawa Senators bei den Boston Bruins verschwand der 21-Jährige zunächst unter der Dusche und flitzte anschließend im dunklen Anzug und weißem Hemd die Tribünen des TD Garden hinauf, um seinen Agenten Ben Hankinson zu treffen.

Knapp 20 Minuten später musste er dann zum Mannschaftsbus, der das Team zum Flughafen brachte. Stützle selbst – das war ihm anzumerken – hätte zwar gerne noch in den Katakomben mit ntv.de gesprochen, doch Mitglieder der Presseabteilung zeigten mit Vehemenz auf die Uhr. “Tut mir leid”, meinte Stützle. Weg war er.

“Im Moment läuft es relativ gut”

Aber nur für zwei Tage. Denn am Mittwoch hatte die NHL deutsche Journalisten zu einem Zoom Call mit dem Rheinländer eingeladen. Die Liga hatte natürlich mitbekommen, wie gut Stützle seit Jahresbeginn spielt. 21 Partien, 28 Punkte. Spieler der Woche mit dem Ligabestwert von zehn Zählern im Zeitraum vom 13. bis 19. Februar. Dieses Momentum wollte die NHL nutzen. Und so saß Stützle nach der Senators-Trainingseinheit vor einem Computer, die Haare noch leicht verwuschelt, und sprach über Form, Entwicklung und seinen Alltag in Ottawa.

“Man hat immer so Phasen, in denen es gut läuft. Im Moment läuft es relativ gut, deswegen versuche ich einfach, daran weiterzuarbeiten”, meinte er mit Blick auf seine zuletzt starken Leistungen. Doch es läuft bei ihm nicht nur derzeit relativ gut. Nein, der Stürmer mit der Rückennummer 18 ist schon seit nunmehr fast zwei Monaten in bestechender Form. Seine 14 Tore seit dem 1. Januar beispielsweise sind die drittbeste Marke aller NHL-Spieler in diesem Zeitraum.

Und das, obwohl er als Center der ersten Sturmreihe stets auf die besten Angriffslinien des Gegners trifft. “Das sind große Herausforderungen”, betont Ottawa-Trainer DJ Smith gegenüber ntv.de. “Trotzdem”, so Smith weiter “setze ich ihn in allen wichtigen Spielsituationen ein. Und er rechtfertigt das Vertrauen jedes Mal.” Stützle sieht die direkten Duelle gegen die besten Offensivspieler der Liga als “Ansporn, noch besser zu werden.” Doch er habe bereits jetzt “viel Selbstvertrauen”, ergänzt er. Und ja, er wisse, dass er in dieser Liga ein guter Spieler werden könne. Aber natürlich, so Stützle, sei da “auch noch sehr viel Luft nach oben.”

Vertrag für Rekordsumme verlängert

Und er hat ja auch noch Zeit, sein volles Potential zu entfalten. Zum einen ist Stützle am 15. Januar gerade 21 Jahre alt geworden. Zum anderen hat er im Sommer vorzeitig in Ottawa um acht Jahre verlängert und ist somit bis 2031 an die Senators gebunden. Manager Pierre Dorion sprach von “einem historischen Tag für den Verein.” Denn der neue Kontrakt mit einem Finanzvolumen von 66,8 Millionen Dollar ist der höchst dotierte der Vereinsgeschichte. Und das wiederum zeigt, wie überzeugt sie in Ottawa vom jungen Mann sind, der einst als Vierjähriger in Krefeld erstmals auf Schlittschuhen stand.

Die Zusammenarbeit begann Anfang Oktober 2020. Als Stützle bei der Talenteverteilung Draft an dritter Stelle vom Verein aus der kanadischen Hauptstadt ausgewählt wurde, hieß es im lokalen Fernsehen, dass es “viele Gründe” für die Senators-Fans gäbe, “begeistert zu sein.” Das klang erstmal gut. Doch für viele im Mutterland des Eishockeys war dieser damals 18-jährige Teenager aus Tönisvorst ein komplett Unbekannter. Denn Stützle hatte nicht, wie viele andere Talente wie Landsmann Leon Draisaitl in einer kanadischen Juniorenliga gespielt, sondern die Deutsche Eishockeyliga vorgezogen.

Wie einst der große Gretzky

Bei den Mannheimer Adlern stand er nicht etwa Gleichaltrigen gegenüber, sondern Männern, die mitunter doppelt so alt waren, wie er. Doch diese Erfahrung half ihm enorm. Das wurde bereits Ende Dezember 2020, Anfang Januar 2021 bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Edmonton deutlich. Das Turnier hat im Gegensatz zu globalen Nachwuchs-Titelkämpfen in anderen Sportarten einen hohen Stellenwert und gilt in Kanada als eine Art Goldwaage.

Deutschland erreichte, angeführt von Kapitän Stützle, erstmals das Viertelfinale. Stützle schoss in den fünf Spielen fünf Tore und bereitete fünf weitere vor. Und er wurde, als erster Deutscher, zum “besten Stürmer des Turniers” geehrt – wie zum Beispiel einst auch Eishockey-Idol Wayne Gretzky (1978) oder Alexander Owetschkin (2005). Nun wussten auch die Fans in Ottawa, was für ein Juwel die Senators da verpflichtet hatten.

An seinem 19. Geburtstag debütierte der Deutsche in der NHL, einen Tag später schoss er gegen die Toronto Maple Leafs sein erstes Tor. Und was für eins. Stützle donnerte den Puck mit einem Dropkick-Schlagschuss ins Netz. Mittlerweile spielt er seine dritte Saison und weißt, da noch 25 Vorrunden-Partien ausstehen, eine Statistik von 185 Spielen, 60 Toren und 86 Torvorlagen auf. Somit hat Stützle bessere Werte als Leon Draisaitl zum gleichen Zeitpunkt seiner Karriere. Der Kölner in Diensten der Edmonton Oilers kam in seinen ersten drei NHL-Spielzeiten auf 191 Partien, 50 Treffer und 87 Assists.

Seit Debüt immer NHL gespielt

Draisaitl ist spätestens seit der Saison 2019/20, als er unter anderem zum “wertvollsten Spieler” (MVP) der Vorrunde gewählt wurde, ein Superstar der Liga – und der Maßstab für jeden deutschen NHL-Profi. Doch Stützle braucht einen Vergleich nicht zu scheuen. Draisaitl wurde bei der Draft 2014 unter den weltweiten Talenten seines Jahrgangs an dritter Stelle ausgewählt – Stützle 2020 ebenso.

Während Draisaitl in seiner ersten NHL-Saison in die Juniorenliga geschickt wurde und sein zweites Jahr im zweitklassigen Farmteam begann, hat Stützle immer in der NHL gespielt. Draisaitl hat seit der Saison 2019/20 die meisten Siegtreffer (38) in der Liga geschossen – und die meisten Powerplaytore auch (77). Seine 164 Tore, die 227 Vorlagen und die somit erzielten 391 Punkte sind jeweils die zweitbesten Werte.

Doch Draisaitl hat – leider – das Problem, dass er mit Connor McDavid zusammenspielt. Der Kanadier ist nicht nur Oilers-Kapitän, sondern auch seit geraumer Zeit der beste Spieler der Welt. Wer mal ein Heimspiel des Vereins besucht, wird schnell sehen, dass rund 90 Prozent der Oilers-Anhänger McDavid-Trikots tragen. Egal, wie herausragend Draisaitl auch spielen mag, er wird – das stört ihn allerdings überhaupt nicht – für das Gros der Fans und Medien, immer die Nummer 1b in Edmonton bleiben.

Mit etwas Glück sind Playoffs möglich

Stützle hingegen ist auf einem guten Weg, das Gesicht der Senators zu werden. Ihr bester Stürmer ist er bereits, den längsten Vertrag hat er auch. Die Fans lieben ihn – und er wiederum liebt Ottawa. 2007 standen die Senators zuletzt im Stanley Cup-Finale. Seitdem gab es nicht mehr viel zu bejubeln. Vom Titel redet niemand in Ottawa. Das wäre ohnehin viel zu vermessen. Mit etwas Glück könnte es aber in diesem Jahr erstmals seit 2017 wieder mit dem Erreichen der Playoffs klappen. Die Stimmung in der Stadt ist dementsprechend gut. Stützle hat mit seinen Leistungen enormen Anteil daran.

Mit Sonnenbrille müsse er trotzdem noch nicht zum Einkaufen gehen, sagt er. Frei bewegen könne er sich schon noch. Aber natürlich gebe es “immer Leute, die Fotos machen oder Autogramme haben wollen”, so Stützle. Aber für ihn sei das “eine riesengroße Ehre.” Denn: “Ohne die Fans wäre ich heute nicht die Person, die ich bin – und hätte wahrscheinlich auch keinen so guten Vertrag unterschrieben.”

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