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Dieser FC Chelsea macht es keinem Trainer leicht

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Eine sportlich katastrophale Saison, der absurde Transferwahn: Der FC Chelsea versinkt derzeit im Chaos. Ex-Stars erkennen ihren Klub nicht mehr. Und Ralf Rangnick rät jedem davon ab, den Trainerposten zu übernehmen.

Ralf Rangnick hatte es in der vergangenen Saison vorgemacht. In seiner Rettungsmission wagte er sich erst als Interimstrainer zu Manchester United und sollte dem englischen Fußball-Rekordmeister danach als Berater beistehen. Doch das Modell funktionierte nicht: Rangnicks Beraterrolle endete früher als gedacht, mittlerweile trainiert er die österreichische Nationalmannschaft. United wird unterdessen von Erik ten Hag betreut und stümperte sich zuletzt auf kuriose Weise aus der Europa League.

Doch Rangnicks United-Erfahrung verleiht dem, was er im ZDF sagte, noch einmal mehr Gewicht. Er riet dem ehemaligen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann dringend davon ab, den Job beim FC Chelsea anzunehmen – eben auch ein englischer Fußballkoloss, dem der Erfolg abhandengekommen ist. Es fehle eine Strategie, der Kader müsse erst verkleinert werden. “Im Moment kann man niemanden empfehlen, dorthin zu wechseln”, sagte Rangnick.

Und der deutsche Trainer hat diese Meinung nicht exklusiv. Denn die Lage für den FC Chelsea ist grausig. Das Aus in der Königsklasse war die finale Krönung einer desolaten Saison. In der Premier League beträgt der Rückstand auf die internationalen Plätze mittlerweile 14 Punkte, in den nationalen Pokalwettbewerben schieden die Londoner sang- und klanglos aus.

Zudem lesen sich auch die Wortmeldung derer, die es normalerweise mit den Londonern halten, äußerst bedenklich. Bayern-Albtraum Didier Drogba erklärte, er erkenne seinen Klub nicht mehr. Ex-Mittelfeldspieler Gustavo Poyet ging noch einen Schritt weiter und sagte, dass sich Chelsea gerade sogar zurückentwickle. Erschüttert zeigte sich Ex-DFB-Kapitän Michael Ballack. Die Leistung beim Champions-League-Aus gegen Real Madrid (0:2) am Mittwochabend sei teilweise unterirdisch gewesen.

Frank Lampard mit Horror-Bilanz

Die deutlichste Analyse lieferte jedoch der brasilianische Innenverteidiger Thiago Silva. Der Transferwahn der vergangenen Monate, ständig neue Unruhe: Der 38-Jährige hatte nach der Real-Pleite genug. “Wir müssen damit aufhören und uns eine Strategie zurechtlegen. Sonst werden wir in der nächsten Saison die gleichen Fehler machen”, rechnete er unmittelbar nach Spielende mit den neuen Eigentümern ab. “Wir mussten die Umkleidekabine vergrößern, weil sie nicht zur Größe des Kaders passte. Es ist eine schwierige Zeit für den Verein, mit großer Unschlüssigkeit.”

Silva muss es ja wissen. Schließlich sitzt er als Spieler mitten in dem Hochofen, in dem der neue Besitzer, US-Amerikaner Todd Boehly, Unsummen an Geld verfeuert hat. Nachdem er den Klub im vergangenen Sommer von dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch übernommen hatte, pumpte er mehr als 600 Millionen Euro in den Kader. Das Ergebnis ist ein aufgeblähtes Konstrukt mit mehr als 30 Profis. Im Winter wurden allein 300 Millionen Euro für acht neue Spieler investiert. Rein theoretisch gibt es zehn Kandidaten für die beiden Innenverteidigerpositionen. Aber ein echter Mittelstürmer, der ist immer noch nicht da.

Zudem verschleißt Chelsea einen Trainer nach dem anderen. Erst musste Thomas Tuchel im vergangenen September gehen, auf ihn folgte der von Brighton verpflichtete Graham Potter. Dessen undankbare Mission endete erst vor einigen Wochen. Potter, so kommentierte ein englisches Medium, sei damit von seinem sportlichen Leiden erlöst worden. Nun steht zum zweiten Mal Klub-Ikone Frank Lampard an der Seitenlinie – und darf die sportlichen Scherben des Chaos übergangsweise aufkehren.

Mit Lampard verloren die Londoner in der Premier League erst bei den Wolverhampton Wanderers, dann gegen Brighton. In der Königsklasse gab es gegen Real zwei 0:2-Pleiten – das Rückspiel war das 18. Saisonspiel ohne Chelsea-Tor. Eine solche Negativserie erlebten die Blues zuletzt in der Saison 1980/81. Vier Niederlagen in Serie kassierte Chelsea zuletzt vor 30 Jahren im November 1993. Obendrauf ist es für Lampard eine ganz persönliche Horror-Bilanz. Noch nie startete ein Chelsea-Trainer in der 118-jährigen Geschichte mit vier Niederlagen. Die Vereinsikone der Blues war erst vor wenigen Monaten beim Traditionsklub Everton gefeuert worden. Er hatte den Verein aus Liverpool direkt in den Abstiegskampf geführt.

Wer soll’s richten?

Und dennoch nahm Thiago Silva ihn in Schutz. “Wir zeigen immer mit dem Finger auf die Trainer, aber wir müssen in uns gehen und sehen, was wir falsch machen und versuchen, es zu ändern”, erklärte der erfahrende Innenverteidiger. “Wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, zeigen drei Finger auf einen selbst zurück. Also müssen wir erstens schauen, was wir falsch gemacht haben und mehr als Team spielen – denn wir brauchen keinen Helden, wir brauchen Helden”, so die Analyse. “Wenn wir am Ende der Saison das tun, was wir tun müssen, können wir sie zumindest mit Würde beenden”, erklärte Silva.

Mit Würde, das deutet sich schon an, endet die Saison wohl nicht. Nach der Brighton-Niederlage am vergangenen Wochenende ging Klub-Besitzer Boehly Berichten zufolge in die Chelsea-Kabine. Wie der “Guardian” schrieb, soll er dort die Mannschaft für eine “peinliche Saison” zusammengestaucht und dann einen nicht genannten, dafür aber wohl teuren Neuzugang als Sündenbock ausgemacht haben. Ein Insider beschrieb das Schauspiel gegenüber dem “Guardian” als “seltsam”.

Die Frage ist: Wer soll sich um diese Gemengelage künftig kümmern? Die Ausgangslage ist wahrlich nicht attraktiv, im nächsten Jahr spielen die Blues höchstwahrscheinlich auch nicht international. Englische Medien führten lange Zeit Nagelsmann als Top-Favoriten auf den Trainerjob. Der Deutsche soll angeblich im Vorstellungsgespräch überzeugt haben. Zudem wertete die “Times” die Einigung zwischen den Bayern und den Londonern beim Tuchel-Assistenten Anthony Barry als weiteres Indiz für den Coach. Schließlich bräuchten die Londoner für Nagelsmann selbst eine Münchner Freigabe, die hätte damit einfacher sein können. Aber das hat sich wohl erledigt, angeblich soll der 35-Jährige den Job abgelehnt haben. Rangnick hatte ihm ja auch davon abgeraten.

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