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Die wilden Stürmer-Irrwege des FC Bayern

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Uli Hoeneß selbst sorgte damals trickreich dafür, dass die Stürmernot nach dem vorzeitigen Abgang von Gerd Müller erst gar nicht ausbrach. Und doch hatte auch der frühere Bayern-Offizielle einige Irrwege zu verantworten – die ihm eine Lehre waren. Deshalb würde Hoeneß wohl heute ohne großes Nachdenken einen Niclas Füllkrug verpflichten!

Damals im Frühjahr 1979 musste Uli Hoeneß schnell sein. Wenige Wochen zuvor war der Mann gegangen, der über Jahre den FC Bayern mit seinen Toren nach vorne geschossen hatte. Nachdem Gerd Müller aber am 3. Februar 1979 von seinem Trainer Pál Csernai vorzeitig ausgewechselt worden war, bat die Bayern-Legende enttäuscht und frustriert um seine sofortige Freigabe. Und nur eine Woche später, am 10. Februar, stand Gerd Müller dann bereits zum letzten Mal für die Bayern in der Bundesliga auf dem Rasen. Urplötzlich und unerwartet hatten die Münchener nach knapp fünfzehn Jahren der Sorglosigkeit ein Stürmerproblem. Dringend musste ein Partner auf dem Platz für Karl-Heinz Rummenigge gefunden werden. Und Uli Hoeneß hatte eine Idee.

Obwohl der Weltmeister von 1974 offiziell bei den Bayern noch gar nicht als Manager aktiv war, sorgte er dafür, dass sein Bruder Dieter vom VfB Stuttgart zu den Münchenern transferiert wurde. Denn Uli Hoeneß wusste etwas, das sonst niemand wusste: Dieter hatte bei den Schwaben eine fest fixierte Ablösesumme im Vertrag stehen. Und Uli Hoeneß kannte diese Summe – nur 175.000 DM -, denn er hatte den Kontrakt seines Bruders mit dem VfB ausgehandelt. Die Stuttgarter waren natürlich alles andere als begeistert über diesen Coup von Uli Hoeneß – doch die Bayern hatten erst einmal für einige Jahre Ruhe auf der Stürmerposition.

Hoeneß und sein “Killer mit dem Engelsgesicht”

Als Rummenigge 1984 zu Inter Mailand ging, holte Hoeneß wieder einen jungen Stürmer aus der Bundesliga. Der Duisburger Roland Wohlfarth sollte zu den Bayern wechseln und fortan, trotz beständiger Konkurrenz, regelmäßig seine Tore erzielen. Wohlfarths größtes Problem war in all den Jahren allein er selbst, wie sein Trainer Udo Lattek schon recht früh bemerkte: “Ich nenne ihn oft den ›Killer mit dem Engelsgesicht‹, weil er mir im Strafraum noch zu brav und zu wenig clever ist. Man hört und sieht ihn fast nie, nur dann, wenn er Tore macht.”

Und doch landete Wohlfarth in der Torjägerliste stets weit vorne – und war so gut, dass sein Rivale Jürgen “Kobra” Wegmann (“Ich bin giftiger als die giftigste Schlange”) nicht auf Dauer an ihm vorbeikam. Auch wenn sich Bayerns neuer Stürmer aus dem Ruhrgebiet darauf verstand, sich speziell und doch gepflegt auszudrücken: “Du musst nur wollen. Du musst fest dran glauben, dass die Kugel reinfährt. Dann fährt sie auch rein.”

Nach dem gescheiterten Wechsel 1987 von Rabah Madjer veränderten Hoeneß und der FC Bayern ihre Transferpolitik. Internationale Spieler – Stars und Sternchen – sollten an die Säbener Straße wechseln. Der Plan mit Mark Hughes ging nicht recht auf und dennoch kamen in der Folge Spieler mit Namen wie Alan McInally, Radmilo Mihajlovic, der Kolumbianer Adolfo “El tren” Valencia, Emil Kostadinow oder auch der legendäre Jean-Pierre Papin zum FC Bayern – ehe man nach schwierigen und orientierungslosen Jahren, in denen unter anderem Bruno Labbadia die Kohlen aus dem Feuer holen musste, mit Jürgen Klinsmann wieder einen deutschen Topstürmer verpflichtete.

Stürmercasting in der Bundesliga

Fortan konzentrierten sich die Bayern auch wieder darauf, ihre potentiellen Torjäger aus den Reihen der Bundesliga zu verpflichten. Carsten Jancker oder Giovane Elber wurden für viele Jahre tragende Säulen im System des Rekordmeisters oder wie es Trainer Ottmar Hitzfeld damals so schön formulierte: “Wir haben drei erstklassige Stürmer plus Alexander Zickler!” Nachdem man in der Bundesliga neben Elber auch die ausländischen Klasse-Torjäger Paulo Sergio und Claudio Pizarro gefunden hatte, fiel in das letzte Jahr von Hitzfelds Amtszeit auch die Verpflichtung von Roy Maakay. Ein erster Versuch der Bayern wieder im internationalen Transfergeschäft mitzumischen. Und tatsächlich: Die Verpflichtung des Niederländers war ein voller Erfolg – und bestätigte die Münchener Verantwortlichen Jahre später, bei einem weiteren großen Umbruch im Kader des FC Bayern, die kostspieligen und riskanten Transfers von Luca Toni, Arjen Robben und Franck Ribery in Angriff zu nehmen.

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Doch eine Sache zieht sich seit damals, als Uli Hoeneß seinen Bruder Dieter vom VfB Stuttgart einkaufte und später Roland Wohlfarth die Tore für die Münchener schoss, über all die Jahre hinweg durch: Die Bayern haben immer und zuerst innerhalb der Bundesliga geschaut, wer die oberen Plätze in der Torjägerliste belegte. Miroslav Klose, Mario Gomez oder auch ein Lukas Podolski sind ein Beleg für diese Transferpolitik in der jüngeren Geschichte. Und mit dem Abgang der letzten großen Verpflichtung aus den Reihen der Bundesliga, Robert Lewandowski, hat das Dilemma dieser Spielzeit erst begonnen. Der Irrglaube der Bayern-Verantwortlichen ohne echten Stürmer in die Saison zu gehen, rächt sich nun.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Niclas Füllkrug in der kommenden Spielzeit im Trikot der Bayern aufläuft, sollte in den vergangenen Wochen, trotz der Verpflichtung von Thomas Tuchel, deutlich gestiegen sein. Denn wenn der Rekordmeister eine Lehre aus dieser Saison ziehen sollte, dann wäre ein Zurück zu den Wurzeln sicherlich anzuraten. Und beim Blick auf den aktuellen Kader erscheint die Idee, ohne einen Spielertypen wie Füllkrug in die Saison gegangen zu sein, im Nachhinein fast schon unglaublich. Es wird Zeit, die Uhren beim FC Bayern für eine erfolgreiche Zukunft zurückzudrehen.

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