Hitziger Abstiegskampf und eine brisante Rückkehr: Thomas Reis ist mit seinem FC Schalke 04 am Samstag zum kleinen Revierderby beim VfL Bochum zu Gast. Die Reise zu seinem Ex-Verein könnte für den Trainer ungemütlich werden – sportlich und emotional.
Thomas Reis weiß, was ihn erwartet. Nein, “viel Liebe” werde ihm und Schalke 04 im Stadion des VfL Bochum sicher nicht entgegenschlagen. Die Tabellensituation “prekär”, beide Mannschaften im Abstiegskampf – und als wäre das für ein emotionales Derby nicht schon genug, ist da auch noch die brisante Rückkehr des S04-Trainers an die alte Wirkungsstätte. Reis spielte das in vor allem Bochum heikle Thema rund um seine Person vor dem ersten Aufeinandertreffen mit seinem Ex-Klub jedoch herunter. Ja, die Trennung sei “unschön” gewesen, aber am Samstag (15.30 Uhr/Sky) heiße es “nicht VfL Bochum gegen Thomas Reis, sondern gegen Schalke 04”, betonte der 49-Jährige. Er selbst sei “völlig entspannt” und freue sich “auf die Rückkehr. Jetzt wird darauf gewartet, dass vielleicht pikante Aussagen kommen. Aber für mich steht das Spiel im Mittelpunkt.”
Acht Jahre lang streifte sich Reis als Spieler das VfL-Trikot über, später führte er den Klub an der Seitenlinie wieder in die Bundesliga und wurde “anne Castroper” als Aufstiegsheld gefeiert. Nach dem historisch schlechten Saisonstart war dort allerdings ausgerechnet nach der 1:3-Pleite im Hinspiel bei Schalke im vergangenen September Schluss. Dass er kurz darauf beim ungeliebten Konkurrenten aus Gelsenkirchen anheuerte, mit dem er bereits im Sommer geliebäugelt hatte, nehmen ihm bis heute viele Bochumer Fans übel. Und so hat man tief im Westen bereits eine böse Vorahnung, was Reis erwarten könnte. “Mir ist es wichtig, dass es ein friedvolles Derby wird – unabhängig von meiner persönlichen Vergangenheit.”
Irgendwann bitte keine Giftpfeile mehr
“Ich denke, dass sich auf den Rängen viele Emotionen auch auf ihn fokussieren”, sagte Ilja Kaenzig, Sprecher der VfL-Geschäftsführung, im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er wünsche sich aber, “dass irgendwann mal keine Giftpfeile mehr fliegen”, sich “alle aussprechen und Frieden schließen. Vor dem Derby ist das sicherlich schwierig.” Bereits im Vorfeld der Begegnung sorgten die Spieltagsplakate im Ruhrpott für Aufsehen. “Wir sind Bochumer!” prangte dort in Versalien, eine Spitze Richtung Ex-Trainer? “Wenn ich kein Bochumer bin, wer dann”, hatte dieser schließlich noch im Sky-Interview kurz vor seiner Entlassung betont.
Doch auch auf dem Platz gibt es reichlich Brisanz. Beiden Klubs droht der Abstieg, mit einem Sieg könnte Schlusslicht Schalke dank der besseren Tordifferenz die Rote Laterne an die Bochumer abgeben. Und während die Königsblauen seit fünf Spielen ungeschlagen sind, kassierte der VfL zuletzt drei Pleiten in Folge. Dass Reis die Bochumer Mannschaft kenne, sei natürlich ein Vorteil, sagte VfL-Coach Thomas Letsch: “Weder wir werden viel verbergen können wie auch umgekehrt. Auf der anderen Seite wissen wir auch ein bisschen Bescheid.”
Kühler Kopf, taktisch diszipliniert, völlige Emotionalität
Die Partie werde ein Duell “zwischen zwei Mannschaften, die in vielen Dingen einen ähnlichen Ansatz haben”, sagte Letsch, der beim VfL im vergangenen September auf Aufstiegstrainer Reis gefolgt war. Der 54-Jährige lobte seinen Vorgänger für dessen Arbeit auf Schalke: “Thomas hat es geschafft, die Mannschaft zu stabilisieren.” Von den fünf Rückrundenspielen haben die Schalker keines verloren und sich so bis auf drei Zähler an den VfL herangepirscht. Trotz dieser brisanten Voraussetzung sei die Partie “kein Endspiel”, bekräftigte Letsch: “Wir müssen es schaffen, eine Mischung aus kühlem Kopf und cleverer taktischer Disziplin bei zugleich völliger Emotionalität und Intensität auf den Platz zu bringen.”
Auf die Frage, ob er Bedenken habe, dass sein Team übermotiviert ist, sagte Letsch: “Wenn ich an das letzte Spiel denke, muss ich sagen: Es ist mir lieber, wenn wir überpacen, als wenn wir so wenig Pace haben wie in Bremen.” Beim 0:3 sei “nichts gut” gewesen: “Das war defensiv sehr schlecht und offensiv sehr schlecht.”
Im Ruhrstadion, in dem erstmals seit 13 Jahren wieder das kleine Revierderby in der Bundesliga stattfindet, erwartet Reis unabhängig von seiner Person ein “fantastisches und emotionales Spiel für alle”. Es könne “sehr laut” und “hitzig” werden, entscheidend werde dann, “dass du einen kühlen Kopf bewahrst”, betonte der Trainer. Ob er wie bereits beim erlösenden Sieg gegen den VfB Stuttgart in der vergangenen Woche (2:1) den weißen Hoodie mit dem riesigen Schalke-Logo tragen werde, ließ Reis offen. “Ich werde schon das anziehen, was ich für richtig halte.”