Der letzte verbliebene Schotte bei der Darts-WM ist nicht Titelverteidiger Peter Wright oder Legende Gary Anderson, sondern Alan Soutar. Dabei ist der Ex-Soldat gar kein Profi, sondern hauptberuflicher Feuerwehrmann. Im Achtelfinale geht es gegen Gabriel Clemens.
Beim Darts mangelt es wahrlich nicht an spannenden Charakteren, schrägen Vögeln und sogenannten “echten Typen”. Wenn aber ein Spieler all diese Eigenschaften auf sich vereint, dann ist es Alan Soutar. Der 44-jährige Schotte steht bei seiner zweiten Teilnahme zum zweiten Mal im Achtelfinale der Darts-WM und trifft im Laufe dieser Woche auf den Deutschen Gabriel Clemens. Grund genug, um mehr über “Soots” zu erfahren, wie der Weltranglisten-36. genannt wird.
Soutar stammt aus der kleinen Hafenstadt Arbroath. Zum Dartspielen dürfte er eigentlich gar keine Zeit haben. Das zeigt ein Blick auf die anderen Berufungen des schmalen, glatzköpfigen Schotten. Soutar ist hauptberuflich Feuerwehrmann, nebenbei Ausbilder von Blindenhunden und derzeit der erfolgreichste Halbprofi unter den Dart-Stars bei der Weltmeisterschaft in London.
“Soots” mischt erst seit zwei Jahren im Kreis der besten Dartspieler der Welt mit. Im Januar 2021 sicherte sich der patriotische Schotte die Spielberechtigung für die Profitour, bis dato war Soutar bestenfalls Darts-Nerds ein Begriff. Als er auf die Tour kam, konnte er sich aber schnell einen Namen machen. Bereits bei seiner ersten WM-Teilnahme im Vorjahr kmäpfte er sich sensationell ins Achtelfinale.
Soutar schafft Wahnsinns-Comeback
Dieses Kunststück hat Soutar nun wiederholt und dabei erneut seine kämpferischen Qualitäten unter Beweis gestellt. Im Drittrunden-Spiel gegen den klar favorisierten Niederländer Danny Noppert sah der Schotte in der ersten halben Stunde der Partie überhaupt kein Land. Sieben der ersten acht Legs gingen ungefährdet an Noppert. Nur einmal darf Soutar in dieser Zeit aufs Doppel werfen. Zu dem Zeitpunkt führt Noppert bereits 2:0 nach Sätzen und liegt auch im dritten Durchgang vorne.
Doch dann drehte sich das Spiel komplett. “Soots” spielt plötzlich wie ausgewechselt, trifft mehrere Triple und vor allem die Doppel konsequent. Noppert, immerhin die Nummer neun der Weltrangliste, bricht ein, wirkt überrannt vom auf einmal entfesselnd auftretenden Schotten. Spätestens als Soutar sein sechstes Leg nacheinander gewinnt und zum 2:2 in den Sätzen ausgleicht, toben die mehr als 3000 Zuschauer im Londoner Alexandra Palace.
Danny Noppert, der für Darts-Verhältnisse ein vergleichsweise wortkarger, fast schüchterner Spieler ist, hat überhaupt nichts mehr entgegenzusetzen. Gegen die Wucht, die von Alan Soutar in dieser Phase der Partie ausgeht, wirkt Noppert verloren. Und ist es auch.
“Als ich 0:2 zurücklag und kaum ein Triple getroffen habe, dachte ich, ich würde 0:4 untergehen. Doch dann dachte ich an das erste Spiel von Danny, wo er am Anfang und Ende gut gespielt hat, aber zwischendurch eingeschlafen war. Und genau das ist diesmal auch passiert. Das gab mir die Chance, das Spiel auf meine Seite zu ziehen”, zog Soutar auf der Pressekonferenz nach seinem Überraschungssieg Bilanz.
Feuerwehrschichten an Weihnachten
Wie beeindruckend die Leistung des 44-Jährigen ist, zeigt ein Blick auf seine Vorbereitung, die kaum komplizierter hätte verlaufen können. Während die Konkurrenten bei der Darts-WM ruhige, entspannte Weihnachtstage genossen, ist Soutar zur Arbeit gegangen: Nachtschicht bei der Feuerwehr an den Feiertagen. “Für mich ist Weihnachten keine Zeit, in der ich mich zurücklehne. Ich muss in dieser Zeit arbeiten, und das ist gut so, mir macht das Spaß”, sagt Soutar zu ntv.de.
Insgesamt habe er nach seinem ersten von drei Spielen bei der aktuellen WM bereits vier Tage in seinem Hauptjob als Feuerwehrmann gearbeitet. “Ich habe meine Freunde bei der Feuerwehr. Es ist überhaupt kein Problem, dass alles unter einen Hut zu bringen.” Seit 18 Jahren arbeite er mittlerweile als Feuerwehrmann, berichtet Soutar.
Ob er schon einmal darüber nachgedacht habe, den Job an den Nagel zu hängen und sich voll auf Darts zu konzentrieren, wird Soutar im Medienraum des “Ally Pally” gefragt. “Nein, nicht eine Sekunde”, antwortet “Soots” bestimmt. “Für mich läuft Darts nebenbei. Es beruhigt mich, Darts zu spielen. Ich habe überhaupt keinen Druck, Preisgeld zu gewinnen. Darts ist ein Hobby, Druck habe ich in anderen Situationen erlebt.”
Weihnachten im Kosovo
Zum Beispiel in seinem Job als Feuerwehrmann oder in seinem früheren Berufsleben als Soldat. Bevor Soutar zur Feuerwehr ging, war er in der Armee, hat unter anderem auf dem Balkan im Auslandseinsatz gedient. “Ich habe Weihnachten auch schon mal im Kosovo verbracht.”
Die Erfahrungen als Soldat und als Feuerwehrmann helfen ihm, sich in entscheidenden Situationen zu fokussieren, erklärt Soutar. Etwas, dass ihn bei der Darts-WM auszeichnet: In den wichtigen Momenten hat Soutar auch gegen Noppert seine Chancen kompromisslos genutzt, die Partie mit diesen Fähigkeiten gedreht.
Und wenn dann doch einmal weder der Dartsport noch die Arbeit als Feuerwehrmann dabei hilft, abzuschalten, tut es mit Sicherheit das andere Hobby von “Soots”. Zusammen mit seiner Frau bildet er in seiner Freizeit Blindenhunden aus. “Ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man einen Hund so ausgebildet hat, dass er einem Menschen im Alltag helfen kann”, erklärt Soutar seine Leidenschaft.
“Gabriel Clemens ist Favorit”
Mit dieser großen Portion Lockerheit in Bezug auf sein “Hobby” Darts will Soutar auch das Achtelfinale überstehen. Sein Gegner ist die deutsche Darts-Hoffnung Gabriel Clemens. “Ich kenne Gabriel seit vielen Jahren, vor allem aus BDO-Zeiten (Amateur-Dartverband, Anm. d. Red.). Ich habe ihn in ein paar wichtigen Spielen, etwa beim World Masters, besiegt. Gabriel spielt nicht gerne gegen mich. Natürlich ist er Favorit, er steht in der Rangliste höher als ich. Aber der Favorit gewinnt nicht immer”, sagt Soutar gegenüber ntv.de.
Gelingt Soutar die nächste Überraschung, müsste der Schotte übrigens einmal mehr mit seinem Terminplan jonglieren. “Ich bin für den 31. Dezember im Dienstplan bei der Feuerwehr eingetragen.” Der Sieger des Spiels Clemens gegen Soutar muss aber schon wieder am 1. Januar im “Ally Pally” zum Viertelfinale antreten.