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Der dümmste Rücktritt eines DFB-Stars, den es je gab

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Vor 35 Jahren hat der EM-Torhüter Eike Immel seine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft über Nacht einfach so weggeworfen. Aus Enttäuschung über eine Nicht-Berücksichtigung erklärt er dem damaligen Bundestrainer Franz Beckenbauer seinen Rücktritt – und bereut dies später sehr.

“Ja, ich bleibe dabei. Ich werde nicht mehr in der Nationalelf spielen.” Blöder hätte der Termin für den Besuch von Eike Immel im TV nicht liegen können. Erst drei Tage zuvor hatte der Stuttgarter Keeper dem DFB-Teamchef Franz Beckenbauer seinen Rücktritt erklärt und nun saß er vor einem Millionenpublikum in Thomas Gottschalks Samstagabend-Unterhaltungssendung “Wetten, dass …?”. Eigentlich sollte dieser TV-Besuch einer der Höhepunkte seiner Karriere werden – und nun das.

Als die klare Nummer 1 im Tor der deutschen Nationalmannschaft hatten die Macher der Show Eike Immel eingeladen, doch dann kam dem 27-Jährigen das Leben dazwischen. Beim Länderspiel unter der Woche in Finnland hatte ihn Franz Beckenbauer nur auf die Bank gesetzt und stattdessen den jungen Herausforderer Bodo Illgner in den Kasten der DFB-Elf beordert. Für Immel war diese Degradierung der eine Stich zu viel in seiner schwierigen Laufbahn als Torhüter. Noch in Finnland erklärte er tief enttäuscht seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

Am nächsten Tag stand Immel dann aber bereits wieder in Stuttgart auf dem Trainingsplatz, als ihn SWR-Reporter Holger Obermann zu einem Interview auf dem Rasen abpasste. Der VfB-Torhüter setzte sich auf einen Ball und schaute übermüdet in die Kamera. Ansonsten machte Immel jedoch einen erstaunlich klaren Eindruck, obwohl ihm die Ereignisse der vergangenen Nacht noch ins Gesicht geschrieben standen: “Ich bin nach wie vor maßlos enttäuscht, dass ich gestern nicht gespielt habe. Ich glaube, dass ich bei der Europameisterschaft eine gute EM gespielt habe, und dass die Diskussionen über die Nummer 1 in der Nationalmannschaft eigentlich beendet waren. Doch die fangen jetzt wieder von vorn an und darauf habe ich einfach keine Lust mehr.”

Private Sorgen als wahrer Grund?

Die Partie in Finnland war damals die erste nach der Europameisterschaft 1988 in Deutschland. Immel hatte sich nach den Skandalen um Uli Stein und Toni Schumacher seinen Platz im Tor der Nationalelf hart erkämpft – doch nun deutete sich an, dass der junge Kölner Bodo Illgner durch die guten Leistungen in seinem Verein immer stärker in den Fokus von Teamchef Franz Beckenbauer gerückt war. Offensichtlich war der “Kaiser” im Hinblick auf die WM 1990 in Italien nicht so sicher, ob Immel auf Dauer der ruhige und starke Rückhalt im Kasten der Nationalmannschaft sein würde. Es gab sogar Stimmen innerhalb des DFB, die den Stuttgarter Keeper als “Sicherheitsrisiko” sahen. Die finanziellen Probleme des Mannes, der bereits mit 17 Jahren sein erstes Bundesligaspiel bestritten hatte, sollen Immel, so erzählte man sich intern, im Sommer 1988 über den Kopf gewachsen sein. Aus heutiger Perspektive kann man sagen, dass es tatsächlich nicht unwahrscheinlich ist, dass die privaten Sorgen den VfB-Torhüter zu diesem Zeitpunkt bereits so stark beschäftigten, dass sie auf seine Kurzschluss-Entscheidung Einfluss nahmen.

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Auch wenn Immel vor seinem Rücktritt mit seinem Trainer Arie Haan gesprochen hatte, kam die Nachricht für weite Teile seiner Kollegen überraschend. Noch auf dem Rückflug bemühte sich deshalb Lothar Matthäus Immel zum Rücktritt vom Rücktritt zu überzeugen. Und auch Jürgen Klinsmann zeigte sich am nächsten Tage irritiert über die Vorkommnisse der vergangenen Nacht: “Es ist vollkommen überraschend gewesen, dass der Bodo Illgner gespielt hat. Eike war doch nach der Europameisterschaft die klare Nummer 1. Jetzt muss ich mich erst einmal mit ihm unterhalten, wie das alles überhaupt gelaufen ist.”

“Natürlich war ich gekränkt”

Doch alle Bemühungen um Aufklärung und Schadensbegrenzung kamen zu spät. Immel war gekränkt und in seinem Stolz verletzt – und auch Teamchef Franz Beckenbauer (“Der Eike kann mich ja mal anrufen”) machte keine Anstalten, seinen Torwart zurückzugewinnen. Und dann war da ja auch noch der junge Bodo Illgner, der nicht nur im Verein, sondern auch im DFB-Team durch weiterhin starke Leistungen auf sich aufmerksam machte und seinen Platz in der Mannschaft bestätigte. Das Kapitel Eike Immel und die deutsche Nationalelf hatte sich über Nacht tatsächlich für immer geschlossen.

Knapp 35 Jahre später hat Eike Immel in seiner Biografie gesagt: “Es war im Nachhinein ganz klar ein Fehler, in einer Kurzschlussreaktion zurückzutreten. Natürlich war ich gekränkt. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich zwei Jahre später Weltmeister geworden. So aber stand Illgner in Italien im Tor – und ich war nicht dabei. Wenn man sieht, wie souverän es Oliver Kahn 2006 hingenommen hat, obwohl er für mich der eindeutig stärkere Torwart im Vergleich zu Jens Lehmann war, dann muss ich sagen, dass das von mir damals eindeutig die falsche Entscheidung war.”

Doch dieses eigene Urteil Immels ist noch zu milde formuliert. In der Rückschau ist dieser übereilte Rücktritt sicherlich der dümmste, den je ein Spieler der DFB-Nationalmannschaft aus freien Zügen gemacht hat. Doch es sollte nicht die einzige Dummheit in der Karriere des Eike Immel bleiben.

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