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DBB-Team schützt fürchterlich miesen Dennis Schröder

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Deutschland steht im WM-Halbfinale. Das “wahrscheinlich schlechteste Spiel aller Zeiten” in der Karriere von Dennis Schröder kompensiert die Herbert-Truppe mit längst zu Tugenden gewordenem Teamgeist und harter Maloche. Franz Wagner wird bei seiner Rückkehr zum Matchwinner.

“Er hatte einen echt harten Tag”, sagt Bundestrainer Gordon Herbert über seinen Kapitän Dennis Schröder, für den der gegnerische Korb im Viertelfinale der Basketball-WM fast wie vernagelt scheint. “Dennis ist menschlich, er hatte ein schweres Spiel. Unsere zweite Einheit hat uns heute getragen und das Spiel gedreht”, so Herbert weiter. Dass am Ende hart umkämpfter 40 Minuten dennoch ein 81:79-Sieg gegen Lettland steht, mit dem die deutsche Nationalmannschaft nach 21 Jahren wieder ins Halbfinale einzieht, unterstreicht die Stärke der DBB-Auswahl. Zumal das Herbert-Team den scheinbar übermächtigen USA als einziges ungeschlagenes Team dieser WM gegenübertritt: Es war der sechste Sieg im sechsten Spiel.

Zum ersten Mal seit 2002 gehört Deutschland deshalb wieder zu den vier besten Teams der Welt. Damals stand am Ende die Bronzemedaille, maßgeblich errungen von Turnier-MVP Dirk Nowitzki. Auch Nowitzkis Nachfolger Dennis Schröder hatte sich in den ersten fünf Partien dieser interkontinentalen Meisterschaft zum Kandidaten für die Auszeichnung als Spieler des Turniers gemausert – gemeinsam mit Luka Dončić (Slowenien), Shai Gilgeous-Alexander (Kanada) und Bogdan Bogdanovic (Serbien).

Gegen Lettland erwischt Schröder jedoch einen katastrophalen Tag, zeigt eine der schwächsten Leistungen seiner Profikarriere. “Das war wahrscheinlich die mieseste Partie, die ich in meiner Karriere gemacht habe”, gibt der deutsche Star anschließend selbstkritisch zu. “Aber wir stehen trotzdem im Halbfinale, dank meiner Teamkollegen. Sie haben uns getragen und sehr geil gespielt. Wir stehen zusammen.”

Der Start misslingt – schon wieder

Moritz Wagner findet trotzdem lobende Worte für Schröder. “Der zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich. Das eröffnet Räume für uns”, erklärte der Berliner, viel mehr wollte er aber nicht sagen. “Deutschland ist im Halbfinale der WM, alles andere ist mir scheißegal.” Daniel Theis merkt angesichts der engen Schlussphase vor allem am, die Führung müssten sie “am Ende besser ins Ziel bringen”, während Bundestrainer Herbert resümiert: “Wir wussten, irgendwann kommt ein Stinker.”

Deutschland kompensiert Schröders magere Ausbeute (neun Punkte, 4/26 Treffer aus dem Feld) dank einer dominanten Vorstellung von der Bank (44:9 Punkte), an den Brettern (42:35 Rebounds) und vier Spielern im zweistelligen Scoring-Bereich. Franz Wagner zeigt sich von seiner Knöchelverletzung im Auftaktspiel bestens erholt und avanciert mit unfassbar effizienten 16 Punkten (5/8 FG), acht Rebounds und drei Assists zum Matchwinner.

Wie in den vergangenen vier Partien startet Isaac Bonga statt Franz Wagner auf dem Flügel. Die Anfangsphase verpennt das deutsche Team wieder einmal komplett. Wie bereits gegen Georgien und Slowenien hapert es zu Beginn: Offensiv statisch, gelingt es nicht, in die Angriffssets zu kommen. Abstimmungsprobleme, ein viel zu geringes Tempo und zunehmend frustrierte Körpersprache versprechen nichts Gutes.

Schröder sucht verzweifelt seinen Wurf

Nach knapp fünf Minuten kommt Franz Wagner zum ersten Mal ins Spiel. Das beflügelt die deutsche Mannschaft. Im Angriff treffen Voigtmann und Wagner jeweils einen Dreier, Theis arbeitet die Bretter ab. Ein deutscher 10:3-Lauf verkürzt die Führung der Letten auf drei Punkte (13:16).

Zu Beginn des zweiten Spielabschnitts dominiert Deutschland. Als Franz Wagner in die Zone zieht und Johannes Thiemann unter dem Korb findet, kommen die Deutschen zum ersten Mal im Huddle zusammen. Sie kommunizieren, stacheln sich gegenseitig an. Was folgt, sind die dahin besten Minuten der Partie, mit einer 36:34-Führung gehen die Deutschen in die Halbzeit.

Der Fokus nach der Pause liegt zunächst auf Schröder. Deutschland versucht alles, um seinen Point Guard irgendwie ins Spiel zu bringen. Schröder schießt weiter daneben, ehe ihm nach mehr als 24 Minuten Spielzeit endlich ein Feldkorbtreffer gelingt. “Ich mache immer meine Routine vor dem Spiel. Ich muss immer aggressiv bleiben, aber ob die Dinger dann reinfallen, kann man nicht immer kontrollieren.” Als Schröder hinten den Ball stibitzt und seinen alten Weggefährten Theis für einen spektakulären Alley-Oop-Dunk plus Foul bedient, geht Deutschland wieder in Führung.

Franz Wagner ist beim Comeback der X-Faktor

In der Folge pendelt die Partie hin und her. Keinem Team gelingt es, Kontrolle zu erlangen. Keinem Team gelingen mehr als zwei Treffer in Folge. Deutschland dominiert an den Brettern, vor allem offensiv, wo sich die Herbert-Truppe immer wieder zweite und dritte Wurfgelegenheiten erkämpft. “Wir wussten, dass sie von den acht Teams hier das schlechteste Defensiv-Rebounding Team sind. Da wollten wir attackieren”, analysiert Theis anschließend.

Wagner und Obst von jenseits der Dreierlinie und Schröder nach einer weiteren guten Defensiv-Sequenz halten den Favoriten knapp in Front. Die Letten bleiben aber stets in Schlagdistanz, vor allem weil der beste Dreier-Schütze dieser WM längst heiß gelaufen ist. Davis Bertans trifft einen irren Dreier nach dem anderen, hat zu diesem Zeitpunkt bereits 19 Punkte erzielt und hält seine Farben im Alleingang im Spiel.

Als Schröder im Schlussviertel auf die Bank geht, übernimmt Franz Wagner die Rolle des Playmakers. Was folgt, ist Deutschlands vorentscheidender Run ins WM-Halbfinale. Wagner zieht jetzt immer wieder unaufhaltsam in Richtung Korb, punktet selbst oder findet den Nebenmann. Als Moritz Wagner hinten auch noch den Ball klaut und per Fastbreak-Dunk abschliesst, ist das Team kollektiv aus dem Häuschen und die gesamte lettische Anhängerschaft konsterniert.

“Es freut mich riesig, zurück zu sein. Und noch mehr, dass wir im Halbfinale stehen”, diktiert Matchwinner Wagner nach der Partie in die Mikrofone. “Ich kann dem Team mit meiner Vielseitigkeit helfen. Wie, ist mir egal.” Und: “Es ist wichtig zu wissen, dass wir heute nicht unser bestes Spiel gemacht haben und trotzdem gewinnen konnten.”

Euphorie, Erleichterung und ein bisschen Schock

Dass Glück im Sport manchmal auch dazu gehört, zeigt sich in der Crunchtime. Zwei Minuten vor Schluss wird es noch einmal eng. Vier Punkte in Folge nach einem technischen Foul gegen Schröder verkürzen den Vorsprung auf sechs. Dann gehen die Referees nach einer strittigen Situation an den Monitor. Diagnose: Ball für die Letten, die vier weitere Punkte erzielen und bis auf zwei herankommen. Zwei Freiwürfe von Theis, 49 Sekunden vor Schluss, sollen die einzigen Zähler für Deutschland in den abschließenden 2:56 Minuten bleiben.

Als Schröder im letzten Angriff einen weiteren Floater an den Ring setzt, und der Rebound kurz vor Schluss bei Davis Bertans landet, hält ganz Deutschland den Atem an. Der lettische Topscorer dribbelt nach vorne, nimmt mehr als acht Metern Entfernung den Pullup-Dreier zum vermeintlichen Sieg – und trifft nur den Ring. Deutschland überlebt um Haaresbreite und steht im WM-Halbfinale.

Bank-Tiefe und Qualität eines Spitzenteams

Am Ende reicht es zum Sieg gegen den Favoritenschreck aus dem Baltikum. “Unsere Bank war wieder einmal der Schlüssel. Wir können zwölf Spieler einsetzen, wenn es sein muss.”, weist Coach Gordon Herbert in der abschließenden Pressekonferenz einmal mehr auf die beneidenswerte Tiefe seiner Truppe hin.

Am Ende ist es Moritz Wagner vorbehalten, bei seinem Gang durch die Mixed Zone in die Umkleidekabine nach der Partie den heutigen Status der deutschen Basketball-Nation zu versinnbildlichen. Tief gezeichnet vom aufreibenden Kampf gegen aufopferungsvolle Letten, aber mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen.

“Genau das ist es, was gute von sehr guten Teams unterscheidet. Genau das haben wir versucht, über Jahre zu etablieren. So etwas braucht Zeit. Ich glaube, heute haben wir endgültig gezeigt, wie gut wir als Team funktionieren. Auch wenn Dennis heute nicht so gut getroffen hat, zieht er trotzdem über die ganze Partie so viel Aufmerksamkeit auf sich”, sagt Wagner, ehe er noch einmal das Entscheidende festhält: “Wir haben am Ende zwei Punkte mehr erzielt als der Gegner. Der Rest ist mir heute egal.”

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