Die Abschlussspiele eines Jahres sind immer von ganz besonderer Bedeutung. Vor zwanzig Jahren trat die DFB-Elf in der letzten Partie vor der Winterpause gegen Frankreich an – und es gab ein Debakel. Was die Sache besonders skurril machte: Das Team spielte ganz in Schwarz.
Es war damals ein Schock für viele Fans der deutschen Nationalmannschaft, als der DFB vor der abschließenden Partie des Jahres 2003 gegen Frankreich im November vor zwanzig Jahren das neue Trikot präsentierte. “Michael Ballack im kurzen Schwarzen” titelte eine große deutsche Sportillustrierte und ließ den Sprecher des Sportartikel-Lieferanten der Nationalmannschaft sagen: “Schwarz ist die Modefarbe schlechthin.”
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
-
Sein aktuelles Buch “60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum” ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag “Die Werkstatt”
-
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Dummerweise zeigte sich die DFB-Elf nur eine Woche später im Länderspiel gegen die Franzosen in solch einer katastrophalen Verfassung, dass die Fans unkten, die Farbe der Trikots passe perfekt zum aktuellen Zustand der Nationalmannschaft – und trugen das Team um Kapitän Oliver Kahn symbolisch zu Grabe. In einem Grottenkick ging das deutsche Team damals mit 0:3 in der Arena “Auf Schalke” gegen die Équipe Tricolore unter. Der “Kicker” schrieb: “Deutschland wartet nun schon seit acht Spielen hintereinander auf einen Sieg gegen eine große Nation. Vor allem in der zweiten Hälfte hatte die deutsche Elf wenig zu bestellen.”
206 Tage vor dem EM-Beginn in Portugal stimmte wenig bei der Nationalmannschaft. Lothar Matthäus sprach in seiner Kolumne sogar von einem “Debakel” gegen Frankreich und meinte: “Es wäre schön gewesen, sich über die Jahreswende zurückzulehnen und zu sagen: Wie gut, dass wir auch gegen eine große Fußballnation gewinnen können. Doch es kam anders.” In seinen Ratschlägen an Bundestrainer Rudi Völler ließ der Rekord-Nationalspieler damals keinen Mannschaftsteil aus. Auffällig: Auch vor zwanzig Jahren redete man viel über die Abwehr und den Sturm, in dem, wie Matthäus nüchtern feststellte, der “Topmann” fehle. Sein Tipp: “Stell Klose auf, Rudi!” – war allerdings äußerst weitsichtig. Klose sollte in den Folgejahren langsam zu dem Klassestürmer auch in der Nationalmannschaft reifen, der die späteren Erfolge, bis hin zum WM-Titel 2014, maßgeblich mitprägte.
“Für Frankreich reicht es nicht, aber vielleicht für die anderen”
Viel sprach in diesen trüben November-Tagen vor zwanzig Jahren nicht für die deutsche Elf, doch wenigstens Uli Hoeneß hatte trotz des katastrophalen Ausscheidens bei der Europameisterschaft vier Jahre zuvor in Belgien und den Niederlanden unter Bundestrainer Erich Ribbeck noch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft: “Unsere Mannschaft ist nur dann zu großen Leistungen fähig, wenn sie sich den Arsch aufreißt und unter Druck steht.” Und auch Lothar Matthäus zeigte sich am Ende seiner Kolumne vorsichtig versöhnlich, als er meinte: “Für Frankreich reicht es nicht, aber vielleicht für die anderen.”
Nur wenige Monate später sollte man nach dem frustrierenden Vorrunden-Aus bei der EM 2004 in Portugal allerdings schlauer sein. Die Niederlage im letzten Spiel des Jahres gegen Frankreich entsprach tatsächlich dem damaligen Leistungsniveau der deutschen Elf. Und das bedeutete: Es reichte noch nicht einmal für die Vorrunden-Gegner Lettland, Tschechien und die Niederlande. Man fuhr ohne Sieg wieder nach Hause. Nur Nationalkeeper Oliver Kahn fand hinterher süffisant noch etwas Positives am Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft: “Vor vier Jahren haben wir bei der EM nur ein Tor geschossen – diesmal zwei. Das ist doch eine Steigerung.”
Leider konnte man die Schuld hinterher auch nicht auf die Farbe der Trikots schieben. Denn anders als beim Spiel gegen Frankreich im November vor zwanzig Jahren lief die deutsche Elf bei allen drei Vorrunden-Spielen der EM 2004 im gewohnten Weiß auf. Doch das Schwarz ist als neue Trikot-Farbe seit damals geblieben. Und nach dem ersten Schock haben sich die Fans mittlerweile an das “kurze Schwarze” durchaus gewöhnt.