Wenn Deutschland die Klimaziele erreichen will, führt kein Weg am Bausektor vorbei. Nun legt die Bundesregierung einen Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz vor. Damit wolle sie die Wärmewende mit der Brechstange durchsetzen, beklagt Jens Spahn bei “Anne Will”. Hat er recht?
Deutschland steht vor einer der größten Herausforderungen der Geschichte: Die Bekämpfung der Klimakrise. Einer der wichtigsten Ansatzpunkte ist das schadstoffarme Heizen. Vergangene Woche hat sich das Kabinett auf ein neues Gebäudeenergiegesetz geeinigt. Das sieht unter anderem vor, dass ab kommendem Januar möglichst alle neu eingebauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen sollen. Bis zuletzt wurde um Ausnahmen, Übergangsregelungen und Fördermöglichkeiten gerungen. Und das Ringen geht weiter. Der Union geht das Vorhaben zu schnell, und auch Teile der FDP sind mit den neuen Regelungen nicht einverstanden. Was für und was gegen das neue Gesetz spricht, möchte Moderatorin Anne Will in der ARD klären.
Investitionsentscheidung für Jahrzehnte
Bundesbauministerin Klara Geywitz hat das Gesetz gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck erarbeitet. Deutschland müsse 2045 klimaneutral sein, betont sie. Eine neue Heizung kann bis zu 25 Jahre problemlos funktionieren, deswegen ist es ihrer Ansicht nach notwendig, dass das neue Gesetz möglichst rasch wirksam wird. “Es geht darum, dass wir so schnell wie möglich den Einstieg in den Ausstieg des Heizens mit fossilen Brennstoffen schaffen. Es geht aber nicht darum, dass wir zum 1. Januar 2024 alle fossilen Heizungen rausschmeißen wollen. Was funktioniert, kann drinbleiben, was repariert werden kann, kann repariert werden”, erklärt die Ministerin.
Reine Öl- und Gasheizungen seien aber technisch veraltet. Darum sei es wichtig, in diese Technik auch kein Geld mehr zu investieren, zumal die CO2-Preise in den nächsten Jahren auch durch den geplanten Emissionshandel steigen würden. Die FDP habe sich auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende unter anderem für eine kommunale Wärmeplanung bekannt. Das bereite ihr Ministerium vor, und das werde die Bundesregierung noch vor der Sommerpause entscheiden.
Richtig sei, dass man jetzt sehr schnell notwendige Entscheidungen treffe. Damit unterscheide sich die aktuelle Bundesregierung von der schwarz-roten Koalition, sagt Geywitz. “In der Vorgängerregierung war es so, dass man sich ehrgeizige Ziele gesetzt hat, aber man hat die Erreichung immer nach hinten geschoben.” Andere Länder seien beim Heizen mit erneuerbaren Energien schon wesentlich weiter als Deutschland. “Es wird eine Generationenaufgabe sein, bis der letzte Ölkessel und die letzte Gasheizung ausgetauscht werden.”
Spahn für Verschiebung des Gesetzes um ein Jahr
“Ob Sie das Gesetz zum 1. Januar 2024 oder 2025 machen, ist für das Weltklima egal”, sagt der Stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn. Er fordert, den Start des Gesetzes um ein Jahr zu verschieben. Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger werde die Wärmewende zur Chaoswende. Die Menschen in Deutschland wüssten nicht, was im Januar 2024 passieren würde, so Spahn. Wer nächstes Jahr ein Haus bauen wolle, wisse nicht, wonach er sich richten müsse. Hier kann die Ministerin helfen, und wenige Sekunden Recherche bei Google bestätigt ihre Aussage: Grundsätzlich gelten die gesetzlichen Regelungen, die am Tag wirksam sind, an dem der Bauantrag gestellt wird.
Doch die Kritik von Spahn geht weiter. “Im Grunde wollen Sie die Lufthoheit über die Heizungskeller”, wirft er Geywitz vor. Und: Die Brechstange der Bundesregierung führe dazu, dass aus dem Klimaschutz eine politische Haltungsfrage werde und keine Frage der Vernunft. Überhaupt: Die Sache mit der “Brechstange”. Knapp zehn Mal gebraucht Spahn dieses Wort während der Sendung, und genauso oft kritisiert er, dass die Bestimmungen ein Jahr zu früh wirken. Tatsächlich könnte er nicht ganz Unrecht haben: Die Regierung setzt auf Wärmepumpen als Ersatz für Gas- und Ölheizungen; Im Augenblick gibt es kaum Wärmepumpen auf dem Markt, und wenn es sie gibt, sind sie extrem teuer. Das werde sich bald ändern, verspricht Geywitz: Industrieunternehmen investierten Milliarden, um mit den Konkurrenten aus Asien und Amerika gleichzuziehen, und sie forderten Planungssicherheit – und dass das Gebäudeenergiegesetz schon 2024 greife, so die Ministerin.
Doch Spahn bleibt dabei: Die Bürgerinnen und Bürger seien verunsichert.
Tenhagen: CDU schürt Verunsicherung
Das könne sich ändern, wenn die CDU nicht mehr behaupten würde, dass ein Heizungsumbau sofort nötig sei, beklagt sich Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen, der Chefredakteur vom “Finanztip” ist. Er empfiehlt jedem, der eine alte Heizung betreibt, den Umbau langfristig zu planen und sich rechtzeitig um eine finanzielle Förderung für den Umbau zu kümmern.
Aber das sei das Problem, klagt der Präsident vom Bundesverband Haus & Grund Deutschland, Kai Warnecke: Die Förderung sei im Gesetz überhaupt nicht geregelt. Sie sei bisher lediglich während einer Pressekonferenz versprochen worden. Damit hat er tatsächlich recht. Nach den Fördermöglichkeiten muss man in dem Gesetz lange suchen. Man findet sie versteckt in den Kommentaren und Ausführungsbestimmungen.
An diesem Abend wird klar: Die Bundesregierung sollte in dem Gesetzentwurf noch ein wenig nachbessern, bevor er in den Bundestag kommt. Ansonsten dürften die Unionsparteien wenig Probleme haben, den Start des Gesetzes doch auf 2025 zu verschieben.