Das von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer veröffentlichte “Friedensmanifest” sorgt weiter für Kritik. Am Dienstagabend stellt sich eine der Verfasserinnen bei Markus Lanz der Diskussion – und versucht zu erklären, warum sie eine Verhandlungslösung für realistisch hält.
Die AfD reagiert positiv, Teile der Linken sind wütend, immer mehr Bundesbürger unterstützen es: Das “Manifest für Frieden” der Publizistin Alice Schwarzer und von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Letztere ist am Dienstagabend zu Gast bei Markus Lanz im ZDF. Dort muss sie sich einer kritischen Diskussion stellen – sowie einigen Fragen, die sie nicht immer zufriedenstellend beantworten kann. In ihrem “Manifest für den Frieden”, das mittlerweile gut eine halbe Million Bundesbürger unterschrieben haben, fordern die Verfasser sofortige Initiativen für Friedensverhandlungen. Damit wollen sie den Krieg in der Ukraine vorerst beenden.
Die aktuelle Weltlage sei gefährlich, sagt Wagenknecht. Die Rede zur Lage der Nation, die der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstagvormittag gehalten hatte, sei eine Kriegsrede gewesen, die Signale von US-Präsident Joe Biden seien aber genauso gefährlich. Er gehe nach wie vor nur den militärischen Weg. “Es schaukelt sich auf beiden Seiten immer mehr hoch. Und das kann sich diese Welt, die voller Atomwaffen ist, nicht leisten.” Die westliche Staatengemeinschaft habe die Verantwortung, alles für ein schnelles Ende des Ukrainekrieges zu tun.
“Wir müssen es erstmal versuchen”
Im Moment sei weder die russische noch die ukrainische Seite zu Verhandlungen bereit, räumt Wagenknecht ein. “Es geht jetzt darum, dass Länder, die nicht direkt an diesem Krieg beteiligt sind, Friedensinitiativen starten. Der Westen ist zum Glück noch nicht direkte Kriegspartei. Leider werden wir immer mehr in diesen Krieg hineingezogen.” Darum sei es die Aufgabe des Westens, ein Friedensangebot zu machen und auf Friedensgespräche zu dringen, statt immer mehr Waffen zu liefern. “Wenn Russland diese Friedensgespräche dann ablehnt, kann man meinetwegen über vieles andere reden. Aber wir müssen es doch erstmal versuchen!”
Am Ende der Sendung beschreibt Wagenknecht auch, wie so ein Friedensvorschlag in ihrer Vorstellung aussehen könnte: Zunächst solle es einen Waffenstillstand auf beiden Seiten geben. Der müsste dann von UN-Blauhelmen überwacht werden. Die Ukraine müsse ihre Neutralität wahren, dürfe nicht in die NATO oder die EU eintreten. Die Bewohner der vier von Russland beanspruchten ukrainischen Gebiete sollten frei darüber abstimmen, zu welchem Land sie gehören wollten. Am Ende könne dann ein Friedensvertrag stehen. Klingt irgendwie ganz einfach. Bisherige Versuche für Friedensverhandlungen seien aber immer vom Westen blockiert worden, behauptet Wagenknecht. “Putin macht das genauso falsch wie wir. Aber das ist doch kein Argument gegen einen Versuch.”
“Putins Regime demontieren”
Die im ukrainischen Odessa geborene russische Journalistin Marina Owsjannikowa ist stinksauer. Sie war durch eine Protestaktion am 14. März vergangenen Jahres bekannt geworden: Die Redakteurin, die beim Staatsfernsehen arbeitete, präsentierte in der Hauptnachrichtensendung ein Plakat, in dem sie zum Ende des Krieges aufrief. “Mit wem wollen Sie verhandeln?” spricht sie Wagenknecht direkt an. Putin sei ein Kriegsverbrecher, der das ukrainische und das russische Volk ausrotten wolle und den man vor ein Kriegsgericht stellen müsse. “Ich schwebe in Lebensgefahr, weil ich ihn bekämpfen will, und Sie sagen, wir müssen mit ihm verhandeln.” Darüber könne man in der aktuellen Situation nicht sprechen, sagt Owsjannikowa, und fordert: “Man muss das putinsche System demontieren.” Putin sei ein Aggressor, mit einem Aggressor könne man nicht reden.
Ludmyla Melnyk vom Institut für europäische Politik sieht im Moment auch keine Verhandlungsmöglichkeiten. Sie kritisiert Wagenknecht: “Sie schüren die Illusion, dass wir keinen Konflikt mehr haben, wenn die Verhandlungen stattfinden.” Das sei aber falsch: Putin würde eine demokratische Entwicklung der Ukraine niemals zulassen.
“Was wäre denn Ihre Lösung des Konflikts?” fragt Wagenknecht.
Die Antwort der Wissenschaftlerin: “Meine Lösung ist, dass die Ukraine keine Zugeständnisse macht.”
Selbstverständlich werde dieser Krieg mit Verhandlungen enden, meint SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Da ist er der gleichen Meinung wie Wagenknecht. Doch er kritisiert, Wagenknecht und Schwarzer berücksichtigten in ihrem Manifest die Interessen der Ukraine nicht. Sie behandelten das Land “wie einen Spielstein, der in der internationalen Politik hin- und hergeschoben wird”. Die Ukraine müsse die Möglichkeit haben, aus der Position der Stärke und der Verteidigungsfähigkeit zu verhandeln. “Die hat man ja nicht, weil man Spaß am Schießen hat, sondern die hat man, um ein Faustpfand gegenüber dem Partner zu haben.”
Die Diskussion wird auch in den nächsten Tagen weitergehen. Denn mittlerweile haben Politiker und Wissenschaftler ein “Manifest gegen das Manifest” veröffentlicht.