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Wie steht es um den Gesundheitszustand des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow? Laut dem Sprecher des ukrainischen Geheimdienst soll er sich in einem ernsten Zustand befinden. Ein Berater Kadyrows reagiert prompt und veröffentlicht ein Video.
Wieder einmal gibt es Spekulationen über den Gesundheitszustand des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow. Angestoßen wurden diese am Freitag durch das ukrainische Nachrichtenportal Obozrevatel. Das Medium beruft sich – genau wie die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform – auf Aussagen des Sprechers des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Andrij Jussow. Demnach soll Kadyrow bereits seit mehreren Tagen im Koma liegen und zuerst nach Moskau geflogen worden sein. Dort habe man ihm jedoch nicht helfen können, weswegen er nach Tschetschenien zurückgebracht worden sei. Derzeit sei geplant, ihn zur Behandlung ins Ausland zu verlegen, voraussichtlich in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Laut Jussow soll sich Kadyrows Krankheit verschlimmert haben, was zu seinem ernsten Zustand geführt habe. Die Ursache der Krankheit sei aber keine Verletzung. “Die Informationen werden von verschiedenen Quellen in medizinischen und politischen Kreisen bestätigt. Es handelt sich nicht um Verletzungen. Er ist seit Langem krank. Wir sprechen von systematischen Gesundheitsproblemen”, so Jussow.
Der kremlkritische ehemalige russische Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow äußerte sich ebenfalls zu Kadyrows Gesundheitszustand. Das ukrainische Portal Dialog zitiert ihn mit folgenden Worten: “Ich rief einige bekannte Tschetschenen an und fragte, ob sein Gesundheitszustand wirklich schlecht sei. Nach ihren Informationen hat er Nierenprobleme. Es gab sogar eine Operation, eine Transplantation, aber sie schlug fehl, als ob eine Art Infektion ausgebrochen wäre. Sein Gesundheitszustand ist sehr schlecht.”
Schnelle Reaktion in Tschetschenien
Der Wahrheitsgehalt dieser Berichte lässt sich unabhängig nicht überprüfen. Laut der russischen Zeitung “Nowije Iswestija” und der Agentur RIA Nowosti ließ die Reaktion in Tschetschenien aber nicht lange auf sich warten. So veröffentlichte Umar Daudow, ein Berater Kadyrows, noch am Freitagabend ein Video des Tschetschenenführers bei einem Abendspaziergang im Kreise seiner Familie. “Gerüchte, dass Kadyrow ernsthaft erkrankt sei, werden regelmäßig von oppositionellen und pro-ukrainischen Fernsehsendern verbreitet”, schreibt RIA Nowosti dazu. “Das Oberhaupt der Region selbst und seine Mitarbeiter haben sie wiederholt dementiert.”
Die russische Zeitung “Nowije Iswestija” hat auch eine Erklärung für die “Gerüchte und das Gerede” über Kadyrows Gesundheitszustand. “Grund dafür ist das Erscheinungsbild von Ramsan Achmatowitsch, der in den letzten anderthalb Jahren merklich dicker geworden ist und bei seinen öffentlichen Auftritten in den sozialen Medien den Tonfall eines schwer kranken Menschen anschlägt.”
Zugleich scheint “Nowije Iswestija” nicht ganz überzeugt zu sein von dem nun veröffentlichten Video: “Eine solche Widerlegung wirft jedoch Fragen auf. Erstens, warum hat Kadyrow selbst, dem öffentliche Auftritte in verschiedenen Formen nicht fremd sind, dies nicht getan? Zweitens: Warum sollte man in einer so wichtigen Angelegenheit wie der Gegenpropaganda und der Widerlegung bösartiger Gerüchte auf Instagram zurückgreifen, das in Russland verboten ist?” Auch das Schweigen der offiziellen Website Kadyrows verwundert die Zeitung. Fotos von Kadyrow bei einer öffentlichen Veranstaltung seien zum letzten Mal am Montag veröffentlicht worden. Veranstaltungsankündigungen für September gebe es auch nicht.
Bei Ippen-Media widersprach der Kaukasus-Experte Harold Chambers vom Foreign Policy Research Institute dem Bericht, dass Kadyrow sich in einem kritischen Zustand befinde. Es könnte lediglich gesagt werden, dass sich der Gesundheitszustand des Tschetschenenführers verschlechtert habe und dieser gelegentlich ein medizinisches Gerät an der Hand tragen würde. Dass Kadyrow unter Nierenproblemen leidet, hält Chambers für bestätigt.
Parallelen zu Wagner-Chef Prigoschin
Bereits Anfang dieses Jahres hatte der ehemalige Vize-Ministerpräsident Tschetscheniens, Ahmed Zakajew, von Nierenproblemen berichtet. Kadyrow habe einen Klinikchef aus Abu Dhabi einfliegen lassen, der auf Nieren spezialisiert ist. Den Moskauer Ärzten traue er nicht.
Ramsan Kadyrow ist ein “Scharfmacher” im Ukraine-Krieg, der selbst Ex-Präsident Dmitri Medwedew mit radikalen Aussagen immer wieder übertrumpft und in der Vergangenheit über eigene Medienkanäle die Öffentlichkeit suchte. Kadyrow soll sich mit seiner Kritik an der russischen Kriegsführung – zum Beispiel wegen Misserfolgen – dabei jedoch auch Feinde gemacht haben. “Bestimmte Personen aus dem Sicherheitsapparat, insbesondere in den Geheimdiensten, würden Kadyrow noch heute umbringen, wenn sie dürften”, sagte der Osteuropaexperte Stefan Meister im März ntv.de. Der Tschetschenen-Führer avancierte eine Weile lang vom Chef einer Privatarmee zu einem Player auch im politischen Spiel der Kräfte in Russland.
Das alles lässt Parallelen zu einem anderen Akteur herstellen: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Ebenfalls ein als Hardliner bekannter Mann, der seine eigenen Medienkanäle ausgiebig nutzte, der die russische Kriegsführung immer wieder kritisierte, dem politische Ambitionen nachgesagt wurden und der eine Privatarmee befehligte. Prigoschin ist vor Kurzem bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Im Westen wird vielerorts davon ausgegangen, dass der spätestens durch seinen “Marsch auf Moskau” in Ungnade gefallene Söldnerchef von der russischen Führung beseitigt wurde.
Könnte Kadyrow also ein ähnliches Schicksal ereilen wie Prigoschin? Im Gegensatz zu Prigoschin hat der Tschetschenenführer allerdings keinen Putsch angezettelt. Oppositionspolitiker Gudkow, der Russland 2021 verließ, rechnete dennoch zumindest mit Schwierigkeiten. “Es wird auch einen Konflikt mit Kadyrow geben, da bin ich mir sicher. Weil Kadyrow einer der größten Gegner der russischen Staatlichkeit ist”, prognostizierte er vor zwei Wochen in einem Interview mit dem ukrainischen TV-Kanal Freedom auf Youtube.