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Streithahn Dobrindt meckert die Ampel in Grund und Boden

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Vogelwilde Haushalts-Debatte bei “Anne Will”: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zoffen sich Alexander Dobrindt und Katrin Göring-Eckardt über die Schuld am Etat-Schlamassel und den Ausweg. Die Ampel bekommt harsche Kritik ab, Dobrindt mutiert zum Störenfried.

Eine Sendung wie ein Sandkastenstreit. Ganz am Ende muss Anne Will in ihrer ARD-Talkshow am Sonntagabend sogar aufstehen, um die Streithähne zum Schweigen zu bringen. Vogelwild zankt die Runde über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den zweiten Nachtragshaushalt der Ampelkoalition für das Jahr 2021 für “nichtig” erklärt hat, wer welche Schuld trägt und wie die 60 Milliarden Euro doch noch in Klimaschutzmaßnahmen und den klimaneutralen Umbau der Industrie fließen könnten. Die Sendung zeigt aber vor allem: Die Ampel und Politik in Deutschland stehen an einem Scheideweg.

Der Vorzeigestreithahn der Diskussionsrunde heißt Alexander Dobrindt, er stellt von Anfang an auf Frontalangriff. “Das Urteil hat Klarheit über den Arbeitsstil der Ampel geschaffen”, sagt der auf Krawall gebürstete Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. “Sie hat sich einen Trick überlegt, wie kann man die Schuldenbremse betrügen kann.” Alles, was die Ampel in den letzten drei Jahre gemacht habe, hätte “auf der Basis eines Betrugs” stattgefunden.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt antwortet darauf, dass alle in der Regierung angenommen hätten, der Haushalt sei “nicht verfassungswidrig”. Bewussten Verfassungsbruch unternehme man nicht mal, so die Grünen-Politikerin, “wenn man eine so schwierige Koalition führt” wie die Ampel. Johannes Vogel, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, fügt hinzu, man müsse “demütig” mit dem Urteil umgehen, aber gerät mächtig ins Schlingern, als Talkmasterin Will ihn damit konfrontiert, dass sein Parteichef Christian Lindner mit jüngsten Aussagen ganz anders rüberkam.

“Herr Dooobrindt. Wirkliiich.”

Kurz stellt “Spiegel”-Journalistin Melanie Amann einen “gewaltigen Schock für die Ampel” fest, die “komplett kalt erwischt” wurde, und IFO-Präsident Clemens Fuest erklärt, man müsse “die Kirche im Dorf lassen”, denn es seien lediglich 60 Milliarden Euro, “ein Betrag, den man schon irgendwie bewältigen kann”. Dann beginnt die Streiterei. Es wird wild. Angriffssalven und Störfeuer von allen Seiten. Wie soll die Ampel mit dem Urteil umgehen? Woher kommt das fehlende Geld für den Klimaschutz? Was passiert mit der Schuldenbremse? Was dabei herumkommt, ist selten gehaltvoll.

Nachdem Dobrindt “empört” ist, “dass man in der Ampel so tut, als hätte es das Urteil nie gegeben” und vorschlägt, die Bundesregierung müsse die Ausgaben senken, etwa beim Bürgergeld, will sich Göring-Eckardt verteidigen. Doch sie kommt kaum zu Wort. Immer wieder fährt ihr der CSU-Politiker in die Parade und schneidet ihr das Wort ab. Das läuft wie folgt ab:

Göring-Eckardt sagt, man müsse jetzt unbedingt darüber reden, wie es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht, was die Wirtschaft, die sich Sorgen mache, sagt, und wie es für den Klimafonds weitergehen. Schließlich “sind die Klimaziele auch ein Verfassungsgerichtsurteil”. Darauf kontert Dobrindt, anfangs noch höflich: “Verzeihen Sie, damit kann ich Sie nicht durchkommen lassen”. Die Grünen-Politikerin will wissen, ob er das Klima-Urteil etwa nicht wichtig fände. “Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit, Frau Göring-Eckardt”, fordert der CSU-Mann, als Göring-Eckhardt sagt, Nebenhaushalte habe es auch schon in Vorgängerregierungen gegeben. Dobrindt unterbricht sie immer wieder. Die Grünen-Politikerin reagiert frustriert: “Herr Doooobrindt. Wirkliiich.” Es gehe bei dem dringend benötigten Geld für den Klimafonds um den Kern der Wirtschaft, kann sie schließlich noch darlegen.

“Quatsch!”, ruft Dobrindt

Als Nächstes zofft sich Dobrindt mit Vogel. Als der FDP-Mann von seinem “sehr ernsten” Umgang mit dem Urteil berichtet, meckert der CSU-Politiker: “Das ist jetzt aber eine kühne Behauptung.” Vogel verfällt ins Du: “Lieber Alexander Dobrindt, ich habe Dich vorhin länger ausführen lassen, vielleicht lässt Du mich jetzt auch mal.” Der Liberale will einen Haushalt, der für mehr Menschen Arbeit zur Verfügung stellt, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. “Müssen wir nicht das Rentensystem reformieren?”, schlägt er plötzlich vor. Dobrindt: “Jetzt wird es hanebüchen.”

Talkmasterin Will möchte wissen, was jetzt mit den Klimaprojekten passiert, für die das Geld fehlt. “Natürlich gibt es weiter einen Klimatransformationsfonds”, sagt Vogel, aber die Pläne “müssen durch Priorisierung verändert werden.” Man müsse ja nicht alle Projekte sofort angehen. Daraufhin mischt sich Dobrindt wieder ein: “Also das Heizungsgesetz jetzt abschaffen?” Eine Regierung, “die funktioniert”, würde sich jetzt ehrlich zusammensetzen, poltert er. Göring-Eckardt versucht zu erklären, dass genau dies momentan bis zur Expertenanhörung am Dienstag passiere, nach der am Donnerstag der Etat in einer digitalen Sondersitzung beschlossen werden soll, aber der CSU-Politiker unterbricht wieder. “Jetzt war ich dran”, moniert die Bundestagsvizepräsidentin ernüchtert und wirft ihrem Gegenüber “zerstörerische Ambitionen” vor.

Es sei wichtig, dass es überhaupt einen Etat für 2024 gäbe, denn sonst könnten beispielsweise keine Ukraine-Hilfen ausgezahlt werden, sagt Göring-Eckardt. “Quatsch!”, ruft Dobrindt dazwischen. Man dürfe das Land nicht noch instabiler machen und müsse das Klima-Urteil und das Haushalts-Urteil in Einklang bringen, fährt sie fort. “Sie haben einen Betrug vorbereitet”, donnert er. Auch Göring-Eckardt wird zusehends ungehaltener. “Das war doch alles öffentlich, wir leben in einer Demokratie.” Dobrindt: “Alles, was sie gesagt haben, ist falsch.” Göring-Eckardt: “Es muss doch gerecht zugehen.”

Göring-Eckardt gibt auf, Will muss deeskalieren

Konkret wird anschließend IFO-Präsident Fuest, der den CO₂-Preis weiter erhöhen, Kürzungen im Etat prüfen und dann ein “neues Sondervermögen” für die Klimatransformation einführen will. “Wir brauchen unbedingt mehr Investitionen in den Bereichen Digitalisierung und Klimaschutz”, sagt er. Aber die Ampel zeigt auch in der Talkrunde, dass sie sich in vielen Punkten kaum einigen werden wird, um an die 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz zu kommen.

Göring-Eckardt schlägt vor, die Schuldenbremse zu reformieren, aber das ist, so betont auch Vogel, natürlich ein No-Go für die FDP. Die Grünen-Politikerin will zusätzlich eine Reihe von “umweltschädlichen Subventionen” unter die Lupe nehmen: Mit der Abschaffung von Steuervergünstigungen für Kerosin und internationale Flüge sowie für die steuerliche Begünstigung von privat genutzten Dienstwagen könnten jährlich “zweistellige Milliardenbeträge” eingespart werden. Doch ihr Koalitionspartner von der FDP hält die Pläne für “ungeeignet”.

Die Ampel befindet sich nach ihrem Haushalts-Schlamassel tatsächlich am Scheideweg, weil das Vertrauen in die Regierung weiter sinkt und ein vernünftiger Etat hermuss. Auch für das Klima. Als sich dann plötzlich Dobrindt und Vogel Vorwürfe zum Thema Migration an den Kopf werfen und Göring-Eckardt halb verdrossen, halb belustigt in ihrem Sessel zusammengesunken ist, muss Talkmasterin Will aufstehen. Dann erst geben die Männer mürrisch Ruhe.

Journalistin Amann gebührt das Fazit bezüglich der Frage, ob die Regierung am Streit über das Urteil zerbricht: “Wir werden ein Weiterwursteln erleben”, sagt sie, “aber zerbrochen ist die Ampel schon seit dem Heizungsgesetz.” Dann zerbricht jeglicher weiterer Sandkastenzank an der Abspann-Melodie.

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