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Scholz macht Friedens-Demonstranten Ansage – Merz auch

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Ein Jahr nach seiner Rede zum Überfall Russlands auf die Ukraine spricht Kanzler Scholz im Bundestag darüber, was seither gut gelaufen ist. Dabei gibt es offene Fragen, die nicht nur CDU-Chef Merz stellt.

Von mittlerweile drei Seiten lassen Putins Generale in diesen Stunden und Tagen in Bachmut im Osten der Ukraine angreifen – offenbar gleichgültig darüber, wie viele der eigenen Soldaten sterben. Ukrainische Soldaten stemmen sich dem entgegen. Sie hoffen, den Preis für die Russen in die Höhe zu treiben. Und sie warten auf weitere Hilfe aus dem Westen. Auf Waffen, auf Munition.

Rund 1800 Kilometer weiter westlich tritt um 9.04 Uhr Bundeskanzler Olaf Scholz ans Rednerpult des Deutschen Bundestags. Ein Jahr und ein paar Tage sind vergangen, seit er am 27. Februar den russischen Angriff als Zeitenwende bezeichnete und damit spontan Zustimmung erntete. Der Begriff beschrieb eigentlich nur einen Zustand. Dennoch prägt er die Debatte bis heute und geht weit über das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hinaus.

Die Aus- und Aufrüstung der Bundeswehr sorgt bis heute für Diskussionen, wie sich bei der Replik von Unionsfraktionschef Friedrich Merz zeigt. Dabei konnte man sich beim Blick auf die Rednerliste fragen, wer Scholz wohl stärker widersprechen würde – Merz? Oder doch eher SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich?

Scholz’ Botschaft an diesem Morgen ist erwartungsgemäß, dass Deutschland weiter an der Seite der Ukraine steht und ihr weiter helfen wird, “solange wie nötig”. Er ruft die Waffenlieferungen in Erinnerung, die Sanktionen und dass EU und NATO geschlossen reagiert hätten. Dass also im Prinzip alles richtig gut gelaufen sei, dass er es richtig gemacht habe: “Die Mehrheit wünscht sich, dass unser Land der Ukraine beisteht, entschlossen, abgewogen, eng abgestimmt mit Freunden und Partnern. Und ich sage: Dabei bleibt es.” Neue Ankündigungen macht er nicht.

Adressat: Friedensdemonstranten

Aber es fällt auf, wie er seine Rede beginnt. Er richtet sich an jene, die am vergangenen Wochenende zu Tausenden in Berlin für Frieden demonstriert haben, nach einem Aufruf von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Sie forderten sofortige Friedensverhandlungen und ein Ende der Waffenlieferungen. Mit “Wenn es so einfach wäre!”, lässt sich freundlich umschreiben, wie die Reaktion zahlreicher Politiker und Sicherheitsexperten ausfiel.

“Man schafft keinen Frieden, wenn man hier in Berlin ‘Nie wieder Krieg’ ruft und fordert, alle Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen”, sagt Scholz. “Wir wissen, was den Ukrainern blüht”, fügt er hinzu und nennt Butscha, wo Russen wahllos mordeten und folterten. Mariupol, wo Wohngebäude zu Betonskeletten geschossen wurden.

Scholz weiß, dass unter den Demonstranten auch einige sein dürften, die seiner SPD eigentlich nahestehen. Auch zählten SPD-Mitglieder zu den 69 Erstunterzeichnern des “Manifests für den Frieden”. Sie werden nicht warm mit den Waffenlieferungen, der Hilfe für die Ukraine, und vielleicht können sie auch Putins Erzählung etwas abgewinnen, die Amerikaner seien schuld an diesem Krieg. Und dass die Ukrainer mal etwas nachgiebiger sein sollten. So wie es auch Wagenknecht mal mehr, mal weniger deutlich verbreitet.

Dieser Position erteilt Scholz eine ungewöhnlich klare Absage: “Die Ukraine will, dass dieser Krieg endet, vom ersten Tag an, jeder Ukrainer, jede Ukrainerin sehnt sich nach Frieden, mehr als irgendwer sonst.” Und: “Der Weg dorthin erfordert tapferes Handeln. Frieden schaffen, das bedeutet eben auch, sich Aggression und Unrecht klar entgegenzusetzen.” Auch das vielleicht stärkste Zitat aus seiner Rede zielt in Richtung der Demonstranten: “Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln, außer über die eigene Unterwerfung.”

Merz und Mützenich sehen es anders

Während Scholz sich mit Überzeugungsversuchen von den Demonstranten distanziert, ist CDU-Chef Merz weniger zimperlich. “Zynisch, menschenverachtend, niederträchtig und beschämend für unser ganzes Land”, nennt er es, dass “maßgebliche Vertreter von ganz links und ganz rechts in einer geradezu bizarren Gemeinsamkeit Täter und Opfer verwechselt” hätten. Er attackiert besonders Wagenknecht dafür, ohne sie namentlich zu nennen, dass sie in einer TV-Sendung gesagt hatte, Vergewaltigungen seien eben Teil eines jeden Krieges.

Dann wendet sich Merz gegen den Kanzler. “Ohne die Hilfe der Amerikaner wäre die Hauptstadt Kiew und das ganze Land in der Hand der Russen. Die Europäer wären zu schwach und nicht willens genug, der Ukraine so zu helfen, wie es notwendig ist.” Dann haut er Scholz um die Ohren, dass der Verteidigungshaushalt sinkt, statt wie versprochen auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigen. Auch dass die Bundesregierung kürzlich erneut die Veröffentlichung einer Nationalen Sicherheitsstrategie verschob, kritisiert er. “Sie streiten über Zuständigkeiten, statt Antworten auf strategische Fragen zu geben!” Außerdem fordert er den Kanzler auf, zu erklären, warum er an diesem Abend nach Washington fliegt, aber – und das ist tatsächlich ungewöhnlich – keine Journalisten mitnimmt.

SPD-Fraktionschef Mützenich bekennt sich ebenfalls zum Kurs des Kanzlers – doch ist er einer der Köpfe der Partei-Linken, die Scholz für sein Zögern loben, nicht für das Liefern von Waffen. Während die Union Scholz eher drängt, noch mehr zu tun, tritt die SPD-Linke um Mützenich und Ralf Stegner auf die Bremse. Auch jetzt sind da diese Zwischentöne. So verweist er auf die Vollversammlung der Vereinten Nationen, bei denen 140 Länder den Angriff verurteilten. Die anderen Länder aber, darunter China und Indien, würden den größeren Teil der Weltbevölkerung stellen. Er kritisiert, dass Menschen “Sweatshirts mit Leoparden-Muster” trügen und dass manche Experten sagten, ein nuklearer Krieg sei beherrschbar.

Wer das sein soll, sagt er nicht. Was daran liegen könnte, dass die Experten in Wahrheit sagen, das Risiko einer nuklearen Eskalation sei beherrschbar – ein wichtiger Unterschied. Auch den “Denkanstoß” des Intellektuellen Jürgen Habermas erwähnt er und bedauert, dass er “übergangen und abgeheftet” worden oder mit “Geschrei und übler Nachrede” bedacht worden sei. Das alles ist aber so vorsichtig formuliert, dass die Unterstützung des Scholz-Kurses nicht offen infrage gestellt wird. Kein Bruch, aber Spannungen bleiben spürbar.

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