In seiner zweiten Amtszeit regiert Macron in Frankreich ohne Mehrheit im Parlament. Um eine Blockade strittiger Vorhaben zu verhindern, lädt der Präsident die Parteichefs zu Gesprächen in die Pariser Banlieue. Nach anfänglichem Zögern sagen alle seine Kontrahenten zu.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist mit Vertretern der im Parlament in Paris vertretenen Parteien zusammengetroffen. Ziel der Gespräche war es, eine möglichst breite Einigung über Gesetzesvorhaben zu erzielen und gegebenenfalls den Weg für Volksabstimmungen freizumachen. Aus Macrons politischem Lager hieß es, der Präsident, der seit der Parlamentswahl im Juni 2022 über keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt, wolle mit “allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln” eine politische Blockade verhindern.
Das Gesprächsformat zwischen Präsidenten und Parteichefs ist in Frankreich äußerst selten. Macron peilt eine Einigung insbesondere bei politisch umkämpften Themen wie Migration, öffentlicher Sicherheit und Arbeitsmarkt an. Das Treffen findet unter Ausschluss der Presse im Pariser Vorort Saint-Denis statt, wo es zwischen Ende Juni und Anfang Juli so wie in anderen Vorstädten und französischen Städten zu heftigen Ausschreitungen gekommen war.
Die Chefs sämtlicher im Parlament vertretener Parteien nahmen Macrons Einladung an. Mehrere linke Vertreter hatten zunächst beschlossen, dem Treffen fernzubleiben – und von einer “medialen Inszenierung” des Präsidenten gesprochen. Die Vertreter der linken Opposition versicherten bei ihrer Ankunft, sie seien auf “Macrons PR-Kampagne” nicht “hereingefallen”. Die Chefin der Grünen-Partei EELV beklagte sich über das Fehlen von Umweltthemen in Macrons Einladungsschreiben.
RN-Chef begrüßt offene Aussprache
Der Parteichef der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, verkündete, dies sei die Gelegenheit für eine “offene Aussprache” mit Macron. Er werde dem Staatschef allerdings nicht als “Krücke” dienen, gab Bardella an, sondern für “Millionen von Franzosen” sprechen, die sich eine andere Politik besonders hinsichtlich der Sicherheit und der Kaufkraft wünschten.
Die Teilnehmer sind nach Angaben des Élysée-Palasts zu zwei Gesprächsrunden zur internationalen Situation und der Reform der Institutionen eingeladen. Danach sollte es ein “Arbeitsessen” geben, bei dem es um Fragen zur Schulbildung, Autoritäten, Integration und Ungleichheit gehen sollte, die von den Ausschreitungen ab Ende Juni aufgeworfen worden seien, hieß es.
Macrons Renaissance-Partei will sich für ein Referendum über drei bis fünf Fragen, etwa zur Reform der Institutionen einsetzen. “Wenn die Leute mit Ja stimmen, ist das eine Weise, sich erneut zu legitimieren”, sagte ein Parteifunktionär.