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Lindner verteidigt seinen So-und-nicht-anders-Haushalt

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So richtig glücklich scheint niemand zu sein mit dem Entwurf von Bundesfinanzminister Lindner für den Bundeshaushalt 2024. Der FDP-Vorsitzende wertet das als gutes Zeichen und verteidigt die Etat-Pläne entschlossen im Bundestag. Plänen von Opposition und den rot-grünen Koalitionspartnern erteilt Lindner Absagen.

Es war ein weiter Weg für Christian Lindner, um schließlich an dieses Pult zu treten. Am Dienstag nach der parlamentarischen Sommerpause ist es schließlich so weit: Der Bundesfinanzminister und FDP-Bundesminister kann nach monatelangen Querelen in der Regierungskoalition seinen Haushaltsentwurf für 2024 sowie die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 vorstellen. Die rund einstündige Rede ist vor allem eine Replik auf die Kritik der eigenen Regierungspartner, die sich an den 30 Milliarden Euro schweren Einsparungen reiben. Die Ausgaben für das kommende Jahr würden “nominal” – also nicht inflationsbereinigt – 25 Prozent über dem Niveau vom Vorkrisenjahr 2019 liegen. “Von einem Kahlschlag kann also keinesfalls die Rede sein”, unterstrich Lindner.

Der Vorwurf fehlender Investitionskraft und sozialer Kälte war Lindner vor allem seitens der Sozialdemokraten und Grünen gemacht worden, insbesondere in der Debatte um die Kindergrundsicherung und um Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise. Entsprechend genoss es Thomas Middelberg, der für die Unionsfraktion die Gegenrede hielt, auf den spärlichen Applaus hinzuweisen, den Lindner von den rot-grünen Fraktionsbänken erhielt. “Sie haben diese Rede hier vor allem für Ihre eigene kleine Fraktion gehalten”, sagte Middelberg. In der Ampel fehle es an Einigkeit und gemeinsamen Konzepten.

Lindner sieht im Etatentwurf Handlungsstärke

Tatsächlich setzte Lindner einen Schwerpunkt darauf, die Kritik eines Sparhaushalts ins Reich der Legenden zu verweisen. Allein für Infrastrukturprojekte wie die Bahn, die Digitalisierung und den Bau von Straßen und Stromtrassen stünden 54,2 Milliarden Euro zur Verfügung. 2019 habe dieser Betrag noch bei 38 Milliarden Euro gelegen. “Die Investitionsquote steigt von 10 auf 12 Prozent”, sagte Lindner. Zugleich habe die Bundesregierung viel getan, um die arbeitenden Menschen zu entlasten. Seien es der steuerfreie Inflationszuschuss oder Steuerentlastungen. “Eine fünfköpfige Familie mit 55.000 Euro zu versteuerndem Einkommen zahlt in diesem Jahr 800 Euro weniger als unter dem alten Steuerrecht”, sagte er.

Ferner verwies Lindner auf die Beschlüsse des Regierungskabinetts während des jüngsten Klausurtreffens in Meseberg. Die Ampel habe ein Programm gegen “Bürokratie-Burn-out” beschlossen, werden mit dem Wachstumschancengesetz die Konjunktur ankurbeln und drittens: “Wir stärken die Finanzierungsbedingungen von Startups.” Kritik aus Reihen der Union und AfD an “Schattenhaushalten” in Form von Sondervermögen wies Lindner zurück. “Ich warne davor, das Instrument des sogenannten Sondervermögens […] per se zu kritisieren”, sagte Lindner. Sondervermögen schafften “überjährige Planungssicherheit” für konkrete Projekte.

Ein Eisberg? Viele!

Dass aber gespart werden müsse, daraus macht Lindner keinen Hehl. Er argumentiert hierbei weitgehend ähnlich zu Bundeskanzler Olaf Scholz, seinem Vorgänger im Finanzministerium. “Viel schneller als heute manche glauben, werden wir mit unserer jetzigen Haushaltsstrategie das Vorkrisenniveau bei der Staatsverschuldung wieder erreicht haben.” Dieses habe es Deutschland erst ermöglicht, in der Krise mit massiven Ausgaben gegenzuhalten.”Unser Land ist der Goldstandard bei der Staatsfinanzierung”, griff Lindner eine seiner liebsten Redewendungen auf.

Dieser Goldstandard ist mittelfristig bedroht. Deutschland brauche “ab 2028 jedes Jahr 12 Milliarden Euro für Tilgung der Corona-Kredite”. 2028 komme die Tilgung des Bundeswehr-Sondervermögens hinzu, 2031 die Abzahlung der Kredite für die letztjährigen Energiepreishilfen. All das müsse mitgedacht werden bei der mittelfristigen Finanzplanung bis 2027. “Hinter der Horizontlinie, für uns noch nicht sichtbar, da kommt ein Eisberg, um nicht zu sagen: ein Eisbergfeld”, sagte Lindner und verglich Deutschland damit indirekt mit der “Titanic”. “Wir stehen in der Verantwortung, nicht zu warten, bis der Eisberg vom Horizont vor den Bug gekommen ist.” Der Eisberg werde seinen Kurs nicht ändern, die Haushaltspolitik müsse sich ändern. “Zwei Drittel des Haushalts werden 2024 für Personal- und Sozialausgaben und Zinskosten gebunden sein.” Dadurch gebe es kaum noch Gestaltungsspielraum.

Keine Investitionen auf Pump, kein Industriestrompreis

Angesichts dieses Spargebots erteilte Lindner gleich mehreren Vorschlägen anderer Parteien Absagen. “Würden wir Konjunkturprogramme auf Pump aufsetzen, die Bekämpfung der Inflation würde länger dauern und teurer für unsere Volkswirtschaft sein”, sagte Lindner insbesondere in Richtung der Grünen. “Deshalb machen wir das nicht.” Die Grünen fordern zudem genauso wie die SPD-Fraktion, nicht aber der Kanzler, eine befristete Subventionierung des Industriestrompreises. Lindner sagte, diese Art von Hilfen schafften Fehlanreize und volkswirtschaftliche Verzerrungen. Nur mehr Energie-Angebote würden dauerhaft den Strompreis für alle senken.

Und auch der Union trieb Lindner eine Idee gleich wieder aus: “Ich warne vor einer Debatte, den Spitzensteuersatz zu erhöhen”, sagte der FDP-Chef. “Die Einkommenssteuer ist für unzählige Betriebe die betriebliche Steuer.” Der Spitzensteuersatz betreffe kleine Betriebe, Selbständige und Freiberufler und nicht nur reiche Fußballprofis.

Insgesamt zeigt sich Lindner demonstrativ mit sich im Reinen. “Es wird nicht alles so finanziert, wie man sich das wünscht”, sagte er und versuchte sich anschließend in einem Scherz: “Wenn die Kritik von allen Seiten kommt, scheint das Ergebnis ausgewogener zu sein, als wenn sich nur eine Seite beschweren würde.” Das erscheint einleuchtend, doch schon jetzt ist absehbar, dass auch zwischen den Regierungsfraktionen in den kommenden Tagen noch heftig gerungen werden wird um Details. Und es sind ja nicht nur SPD und Grüne, die Änderungswünsche angemeldet haben. Am Morgen vor Lindners Rede kündigte sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bei ntv an, die Ende des Jahres auslaufende Reduzierung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie verlängern zu wollen. Die Haushaltswoche ist eröffnet.

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