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Gott, Gendern und die entfremdete Ampel

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Die Koalitionäre ziehen aufs Schloss und suchen ein Mittel gegen den Frust. Dass sie AfD-Anhänger erreichen werden, ist unwahrscheinlich.

Kurz vor ihrem Treffen auf Schloss Meseberg am kommenden Dienstag hat die Ampel noch einmal alles getan, um sich als progressiv entfremde Regierung zu präsentieren: Mit dem Selbstbestimmungsgesetz hat sie ein Vorhaben auf den Weg gebracht, dass einer kleinen Minderheit zu neuen Rechten verhilft – und eine laute andere Minderheit bis aufs Blut reizt.

Eigentlich nimmt das Gesetz niemandem etwas weg. Das gern beschworene Szenario einer identitätsangepassten Frau, die trotz biologischer Männlichkeit eine Frauensauna besucht, ist so prägnant wie weit hergeholt. Wer an Stammtischen oder im Netz gegen die Regelung Sturm läuft, macht allerdings auch keinen großen Hehl daraus, dass es eigentlich um etwas anderes geht: Die gute alte Ordnung nämlich.

Die Einteilung der Menschheit in Mann und Frau gehörte lange zum Inventar allgemeiner Weltorientierung. Das galt, obwohl es das Phänomen Transsexualität mindestens ebenso lange gab, oft kaschiert, in manchen Kulturen mit eigener gesellschaftlicher Rolle. Auch wenn die Regelung also nur wenige betrifft und niemandem etwas nimmt, ist es nicht verwunderlich, dass sie eine so gewaltige politische Reaktanz hervorruft.

“Du bist abgemeldet!”

Transsexuellen sind für manche Menschen wandelnde Plakatwände, auf denen steht: “Du und Deine ollen Vorstellungen sind abgemeldet!” Die Anerkennung ihrer Rechte reiht sich ein in diverse andere zerbröselnde Gewissheiten. Viele mittelalte Männer erleben gerade, dass die Welt nicht mehr nach den Regeln funktioniert, die sie ein Leben lang geachtet, gepredigt und geprägt haben. Natürlich fühlt sich das scheiße an. Oder, wie Sigmar Gabriel nebst vielen anderen Enttäuschten unter einen Tweet der SPD-Fraktion schrieb: “Um Himmels Willen!”

Vermutlich weinen Gabriel und Co auch anderen Gewissheiten hinterher. Otto Waalkes und Harald Schmidt, tragende Säulen deutschen Humors, bekommen im WDR gerade Warnhinweise, als wären sie die Museumsexponate, die sie sind. Die SPD möchte das Ehegattensplitting abschaffen und damit manchen Paaren mit klassischer Rollenverteilung in die Lebensgestaltung reden. Der Verbrenner, Freiheitssymbbol wohl so ziemlich jeder noch erinnerten Jugend – abgeschafft.

Die Ölheizung muss raus, den Eindruck ließ die Bundesregierung jedenfalls entstehen – der vermutlich schwerste Fehler der Regierung Scholz. Der Deutschenstolz auf Autobahnen und Wirtschaftskraft ist der Realität brüchiger Brücken gewichen. Und jetzt sind auch noch Inder auf dem Mond gelandet, obwohl sie von Deutschland Entwicklungshilfe kassieren! Bei den Simpsons standen die doch nur hinter der Kasse im Kwik-E-Markt!

Fakten haben ausgedient

Wer den eigenen Lebenssinn vor allem aus der Wirkmacht in einer untergehenden Welt bezieht, empfindet naturgemäß Frust. Darum geht es, nicht um die tatsächliche Lage der Wirtschaft. Das zeigte auch eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: Demnach würden AfD-Wähler gegen die eigenen wirtschaftlichen Interessen handeln. Es geht eben um Kultur. Fakten haben ausgedient.

Einen ähnlichen Befund legt eine Allensbach-Untersuchung dieser Tage nahe. Sie identifiziert aber noch einen anderen Aspekt: Den verdrucksten Umgang mit der Einwanderung. Als wäre sie Begleitmusik für tagesaktuelle Debatten, umrahmt sie damit die Diskussion über die Kindergrundsicherung. FDP-Chef Christian Lindner wies darauf hin, dass die steigende Kinderarmut keineswegs den bundesdeutschen Durchschnitt betreffe, sondern sich auf migrantische Familien begrenze. Er wurde dafür praktisch gesteinigt.

Eine ähnliche Verdruckstheit demonstrierte das schwarz-grüne Bündnis in Hessen: Die Kriminalitätsstatistik präsentierte diesmal nicht, wie sonst, Innenminister Herbert Reul von der CDU – offenbar aus Rücksicht auf den grünen Regierungspartner, wie die FAZ berichtet, denn die Grünen empfinden das Wort “Clankriminalität” als stigmatisierend.

“Reden wie normale Leute”

So begründbar dieses Argument ist, so fatal ist der Eindruck. Es sieht aus, als kümmere sich die Politik mehr um Empfindsamkeiten und korrekte Sprache denn um Sachfragen. Auch das spielt der AfD in die Hände: 61 Prozent der AfD-Anhänger würden laut Allensbach die Partei wählen, weil AfD-Politiker “so wie normale Leute” sprächen.

Wer die AfD fürchtet, sollte daher dankbar sein, dass die Partei Tino Chrupalla und keinen Vivek Ramaswamy hat. Der sich gerade erhebende amerikanische Präsidentschaftskandidat ist ein Naturphänomen, denn sein Körper besteht zu 85 Prozent aus Charisma. Er verlas kürzlich seine zehn Gebote, ich zitiere die ersten zwei: 1. Gott ist real. 2. Es gibt zwei Geschlechter.

Gott und Gendern, das sind die Prioritäten des Kulturkampfs. Dümmer geht’s nicht – aber klarer auch nicht. Ramaswamy ist übrigens bestens ausgebildeter Millionär mit geradezu libertär-kapitalistischer Agenda, er wäre also für viele Wähler, die er anspricht, in etwa so sinnvoll wie die AfD für ihre Anhänger – aber, wie gesagt: Es geht um Kultur. Fakten haben ausgedient.

Auf der Suche nach der glasklaren Botschaft

Der Wettbewerb der progressiven Bundesregierung ist daher längst keiner der Inhalte, sondern der Kommunikation. Von Schloss Meseberg muss daher die glasklare Botschaft ausgehen: Wir machen es besser für Euch! Das Klimageld kommt angeblich wegen allgemeiner Verkrustetheit erst 2025 beim Bürger an. Das Wachstumschancengesetz, sofern die Blockade gelöst wird, nützt dem Bürger wenig. Die Ampel ringt zudem um die Zukunft der Rente, allerdings liegen die Meinungen auch hier weit auseinander – von einer Festschreibung des Rentenniveaus (Grüne, SPD) bis zur Aktienrente (FDP).

Kritiker fürchten, der Bundeskanzler könnte sich – unter anderem von der eigenen Fraktion – dazu verleiten lassen, die Industriestrompreise zu stützen. Wirtschaftspolitisch wäre das ein Fehler: Solche Förderungen greifen tief ein und lassen sich kaum je wieder einsammeln.

Aber, wie gesagt: Fakten haben ausgedient.

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