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FDP freut sich schon auf den nächsten Streit

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Seit die FDP mit E-Fuels und Heizungstausch Punkte sammeln konnte, hellt sich die Stimmung in der Partei auf. Auf dem Parteitag in Berlin zeigen dennoch viele Delegierte ihren Unmut. Doch Lindner und Co setzen sich einfach an die Spitze der Bewegung. Neuer Ampel-Streit ist absehbar.

So langsam scheint die FDP ihren Frieden mit der Ampel zu machen. Auf dem Parteitag in Berlin war die Stimmung gut, man könnte auch sagen: überraschend gut. Das hat zunächst ganz banale Gründe. Die Umfragewerte sind wieder etwas gestiegen, die Partei steht nun meist bei sieben Prozent, in einer Erhebung sogar bei neun. Das ruft Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Sonntagmittag in die Runde und löst damit einigen Jubel aus.

Eine gewisse Erleichterung ist im Veranstaltungssaal “Station” zu spüren, der sich in Berlin-Kreuzberg unweit des Regierungsviertels befindet. Denn die Partei war monatelang in einer schwierigen Lage. Fünf Landtagswahlen gingen verloren und im Bundestrend taumelte die Partei der Fünfprozenthürde entgegen – nachdem sie bei der Bundestagswahl noch 11,5 Prozent geholt hatte. Doch nun wirkt es so, als ob Parteichef Christian Lindner das Steuer herumreißen konnte.

Die Partei scheint einen Weg gefunden zu haben, sich in der Ampel zu behaupten – dank des neuen Zauberwortes “Technologieoffenheit”. Damit drückte Verkehrsminister Volker Wissing in Brüssel eine Ausnahme zum Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren durch. Damit hübschte Lindner den Gesetzentwurf zur großen Heizungsreform auf. Mit ihrem breitbeinigen Auftreten, den harten Verhandlungen dringt die FDP wieder zu ihren Sympathisanten durch – von denen schon fast zu viele ihr Herz für die Union wiederentdeckt hatten. Der stellvertretende Parteichef Wolfgang Kubicki sagte in seiner Rede, seit dem Koalitionsausschuss spüre er auf FDP-Veranstaltungen wieder Stolz auf die Partei. Parteivize Johannes Vogel sagte ntv.de, die Partei stehe in herausfordernder Lage stabil da.

Zur guten Stimmung trug aber auch bei, dass sich die Partei wieder einmal mit sich selbst beschäftigen konnte. Von “FDP pur” war viel die Rede an diesem Wochenende. “Es hat richtig gut getan, dass die Partei mal wieder zusammengekommen ist”, sagte die Chefin der Jungliberalen, Franziska Brandmann, ntv.de. Der bayerische Landesvorsitzende und Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Herbst, Martin Hagen, sagte: “Es war ein guter Parteitag. Wir haben gute Beschlüsse gefasst, die das Profil der Partei schärfen. Zum Beispiel in der Steuerpolitik und zur Heizungsfrage.”

“Hausaufgabe für die Bundestagsfraktion”

Die Heizungsfrage war tatsächlich auch auf diesem Parteitag der vielleicht dickste und heikelste Brocken. Zwar hatte die Parteispitze um Lindner den Grünen schon einige Änderungen abgerungen und etwa Hybridheizungen ermöglicht. Doch spätestens seit eine Gruppe von 80 Delegierten einen Dringlichkeitsantrag zu dem Thema stellte, war klar, dass das der Basis noch nicht genügte. Der Parteitag nahm den Antrag mit einigen Änderungen an, der im Wesentlichen fordert, Verbote aus dem neuen Gesetz zu streichen.

“Das ist eine Hausaufgabe für die Bundestagsfraktion”, sagte Hagen ntv.de. “Der Bundesparteitag ist das höchste Beschlussgremium der Partei, und der hat jetzt eine klare Erwartung formuliert. Der Gesetzentwurf wurde zwar im Kabinett schon deutlich abgemildert, muss aber noch einmal deutlich korrigiert werden.” Ein Ergebnis, in dem sich die Liberalen nicht wiederfinden, könne nicht Politik der Ampel sein.

Lindner setzte sich zumindest dem Anschein nach an die Spitze dieser Bewegung, indem er bereits in seiner Rede am Freitag ankündigte, dass der Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz nun noch im Bundestag “zu dem gemacht wird, was wir brauchen, nämlich ein technologieoffener, wirtschaftlich vernünftiger und sozial akzeptierter Weg, auch unsere Gebäude und Heizungen klimafreundlich zu machen”.

Der FDP-Chef vermied es aber, das zu konkretisieren. Vermutlich aus gutem Grund, denn die Frage ist heikel. Für die Grünen dürfte das Datum 1. Januar 2024 samt Verbot, neue Gasheizungen einzubauen, eine rote Linie sein, die sie nicht aus dem Entwurf streichen würden. Die Forderung des Antrags, Verbote zu streichen, machte sich Lindner im ntv-Interview dann auch nicht zu eigen, erwähnte sie gar nicht. Bleibt es dabei, entschärft er den Auftrag des Parteitags deutlich. Der Beschluss sei “sehr klar”, sagte Lindner. “Wir wollen Klimaschutz. Aber gerade bei den Heizungen brauchen wir reale Technologieoffenheit. Wir müssen die Wirtschaftlichkeit sicherstellen und wir müssen auch die soziale Akzeptanz sicherstellen. Deshalb gibt es noch einigen Änderungsbedarf an diesem Gesetz.” Aber dennoch: Wenn demnächst im Bundestag der Streit von vorne losgeht, ist der nächste Koalitionskrach fest gebucht.

Immerhin: In ihrem Leitantrag beschloss die FDP, dass der Emissionshandel für Verkehr, Wärme und Gewerbe schon zum 1. Januar 2024 kommen soll statt wie auf EU-Ebene geplant 2027. “Das wäre eine massive Beschleunigung einer wirksameren Klimaschutzpolitik, die die Kräfte der Marktwirtschaft stärker nutzt”, sagte Vize-Parteichef Vogel ntv.de. Und möglicherweise auch etwas, das den Grünen gefallen würde.

Wobei: Streit, Krach, Auseinandersetzung – das gefällt der FDP-Führung mittlerweile ziemlich gut. Denn es zeigt ihrer Basis, dass sie “ihre Haut teuer verkauft”, wie der Politik-Professor Stefan Marschall ntv.de sagte. Oder wie es Kubicki sagte: “Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir konstruktive Konfliktbereitschaft an den Tag legen.” Die Ampel im Drama-Modus wäre also ganz nach dem Geschmack der Liberalen.

Auch das Thema Energie regte die Delegierten auf, vor allem die nukleare Energie. Sie beschlossen, dass die drei gerade abgeschalteten Atomkraftwerke in Reserve gehalten werden sollen. Der gerade erfolgte Ausstieg wurde als Fehler bezeichnet. Die Nuklearforschung soll dagegen gestärkt werden. Dieser Beschluss hätte ebenfalls Störpotenzial für die Ampel. Allerdings war er keine Überraschung. Lindner hatte in seiner Rede auch darauf verwiesen, dass in einer Koalition nicht jede Forderung durchgesetzt werden kann. Das dürfte auch für den bemerkenswerten Beschluss gelten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv zu verkleinern.

Dämpfer für Kubicki

Allerdings reisten nicht alle zufrieden ab. So zeigte sich der Kölner FDP-Politiker Fardad Hooghoughi enttäuscht darüber, dass sein Antrag, eine Parteiorganisation für Menschen mit Migrationsgeschichte zu gründen, gescheitert ist. “Wir hatten eine große Unterstützung”, sagte er ntv.de. 70 Prozent der Delegierten stimmten dafür – doch waren zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht genug Delegierte im Saal. Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen seien, wüssten oft um den Wert der Freiheit, sagte Hooghoughi. Außerdem seien sie oft Unternehmer, etwa in der Gastronomie. “Das sind eigentlich unsere Leute”, sagte der angehende Jurist.

Bei den Vorstandswahlen gab es den einen oder anderen Dämpfer: Generalsekretär Bijan Djir-Sarai holte mit 76 Prozent ein schwächeres Ergebnis als vor einem Jahr, als er auf 89 Prozent gekommen war. Noch auffälliger war der Vertrauensverlust bei Wolfgang Kubicki. Der Vizepräsident des Bundestages stellte sich nach 2021 erneut zur Wahl als stellvertretender Bundesvorsitzender und holte nun 72 Prozent – nach 88 Prozent vor zwei Jahren. Mit 86 Prozent wurde Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger erstmals zur Vize-Parteichefin gewählt. Lindner hingegen kam bei seiner Wiederwahl auf 88 Prozent nach 93 Prozent vor zwei Jahren – ein gutes Ergebnis angesichts der für die Partei schwierigen Phase.

Nun ist die Frage, wie lange der Schwung der FDP erhalten bleibt. So könnte es beispielsweise den Grünen einfallen, ebenfalls auf stur zu schalten, um ihrerseits Projekte durchzudrücken. Der nächste Stimmungstest wird die Landtagswahl in Bremen am 14. Mai sein. Eine erneute Niederlage wäre zwar keine Katastrophe, weil die Hansestadt für die FDP noch nie ein leichtes Pflaster war. Bei einem Erfolg würde aber die ganze Partei von Nord bis Süd und West bis Ost geschlossen vor Erleichterung aufseufzen. Spätestens dann wäre die gute Laune keine Überraschung mehr.

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