Kiew bekommt aus Europa die langersehnten F-16. Doch bevor die Ukrainer die Kampfjets einsetzen können, sind sie mit einer Reihe Problemen konfrontiert. Trotzdem braucht die ukrainische Luftwaffe die Jets dringender als je zuvor.
Für den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich die weite Reise nach Japan zum G7-Gipfel gelohnt. Nach einem Wochenende voller Gespräche kehrte er mit der Aussicht auf die Erfüllung eines lang ersehnten Versprechens in die Ukraine zurück: Nach monatelangen Bitten wollen die USA und Europa dem Wunsch nach F-16-Kampfjets nachkommen. Wann die Flugzeuge geliefert werden, ist noch offen – aber sie sollen kommen.
Für die ukrainische Armee werden die F-16-Jets ein Wendepunkt in der Luftverteidigung sein. Die Kampfflugzeuge gelten als äußerst leistungsfähig. Weltweit waren zuletzt noch mehr als 2800 Exemplare im Einsatz. Damit macht der F-16-Jet 15 Prozent der globalen Flotte aus und ist somit das beliebteste Kampfflugzeug der Welt. Kiew hofft deswegen darauf, größere Stückzahlen und keine großen Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung zu bekommen.
Neben vielen Vorteilen bringen die Kampfjets aber auch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Trotz unkomplizierter Beschaffung von Ersatzteilen könnte sich die Wartung der Kampfflugzeuge als schwierig gestalten, heißt es in einem Bericht des US-Senders CNN. Pro Stunde Flugzeit ist Militärexperten zufolge mit 16 Stunden Wartung zu rechnen.
Die Ausbildung des Wartungspersonals übersteige sogar die der Piloten, heißt es zudem in einem Bericht des Congressional Research Service (CRS), dem wissenschaftlichen Dienst des Parlaments in Washington. Demnach könnte ein ukrainischer Pilot in drei Monaten das Fliegen einer F-16 erlernen. Aber die Schulung des Wartungspersonals könne je nach gewünschtem Kompetenzniveau Monate oder sogar Jahre dauern. Selbst nach einer 133-tägigen Schulung sammelt ein Instandhalter der US Air Force ein Jahr Berufserfahrung, um sich vollständig zu qualifizieren, schreibt das CRS.
Ausbildung könnte Jahre dauern
Was die Pilotenausbildung betrifft, reichen drei Monate Training nur für die Grundlagen: das Flugzeug in die Luft bringen, es dort halten und wieder sicher landen. Kampfhandlungen oder nächtliche Bodenangriffe könnten aber noch keine ausgeführt werden. “Eine F-16 fliegen zu lernen, ist nur ein Teil des Kampfes”, erklärt ein am F-16-Jet ausgebildeter US-Pilot gegenüber CNN. F-16 seien leicht zu erlernen, aber ihr effektiver Einsatz in einem “dynamischen Bedrohungsumfeld” könnte Jahre dauern, so der Pilot.
Dabei ist das genau der Grund, weshalb die F-16 für die Ukraine so wichtig sind. “Damit wäre die Ukraine in der Lage, bei einem Angriff der ukrainischen Bodenstreitkräfte die entsprechende Lufthoheit über dem in Besitz zu nehmenden Gebiet herstellen zu können”, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer ntv.de. Allerdings dürfte für eine Unterstützung der erwarteten Bodenoffensive mit F-16 die Zeit knapp werden.
Andererseits haben sich ukrainische Piloten bereits in der Vergangenheit als sehr versiert erwiesen und den Umgang mit neuen Flugzeugen schneller gelernt, als von westlichen Experten vorausgesagt wurde. Polen soll mit der Ausbildung von Piloten sogar schon angefangen haben. Laut dem ehemaligen Offizier der Royal Australian Air Force am Griffith Asia Institute, Peter Layton, könnten die Piloten die F-16 “on the job” lernen, wenn sie sich kurzfristig auf die Luftverteidigung beschränken und eindringende russische Flugzeuge oder Raketen abfeuern.
Für alle weiteren Kampfhandlungen fehlt dem Experten aber die Fantasie: “Ich kann mir nicht vorstellen, dass man es schafft, ihnen den Bodenangriff in niedriger Höhe bei Nacht und bei jedem Wetter unter Verwendung von Infrarotsystemen und lasergesteuerten Bomben beizubringen. Das würde länger dauern”, sagte Layton CNN.
Wie versteckt man die F-16 vor den Russen?
Dann stellt sich die Frage, wo die F-16 stationiert werden sollen. Experten zufolge können Maschinen dieses Typs am besten auf langen und natürlich intakten Start- und Landebahnen operieren. Die ukrainischen Flugplätze verfügen jedoch vornehmlich über veraltete und unebene Rollfelder, die noch aus Sowjetzeiten stammen. Diese müssten vor der Stationierung der F-16-Jets womöglich repariert oder gar verlängert werden – ein Prozess, den die Russen wahrscheinlich bemerken würden. Wenn allerdings nur wenige Flugplätze geeignet sind und sich an bekannten Orten befinden, könnten gezielte russische Angriffe die F-16-Jets am Fliegen hindern.
Selbst wenn die Ukraine eine Lösung für sichere Start- und Landebahnen findet, bleibt das Problem der Munition. Um gegen Russlands wichtigste Kampfflugzeuge wie die Su-25 und die MiG-31 gerüstet zu sein, bräuchte die Ukraine große Mengen an westlicher Munition, heißt es im CRS-Bericht – und die Bewaffnung der F-16 wäre teuer.
“Es geht nicht nur um das Flugzeug alleine, sondern auch um die entsprechenden Waffensysteme, die dieses Flugzeug abschießen kann”, sagt Militärexperte Reisner. Darunter würden zum Beispiel Raketen fallen, um gegnerische Luftfahrzeuge zu treffen oder auch Luftbodenwaffen, “also gezielt und präzise wirkende Bomben”. Die Last der Munitionslieferungen könnte auf mehreren Schultern verteilt werden. Andere Nationen, die keine F-16 haben, wie Deutschland oder Großbritannien, könnten sich so einbringen. “Die große Herausforderung beim Einsatz dieses Programms ist nicht die Verfügbarkeit der Raketen selbst, sondern die Verfügbarkeit der Waffenträger. Also wie viele Kampfflugzeuge habe ich, um gleichzeitig dieses einzusetzen?”, so Reisner.
Trotz aller Schwierigkeiten ist die Lieferung von F-16 an die Ukraine essenziell. Russland setzt immer wieder neue Waffen wie Gleitbomben oder Kamikaze-Drohnen ein, gegen die die Ukraine ohne Kampfjets nur wenig ausrichten kann. Zudem habe die russische Luftwaffe die Fähigkeit, in die Tiefe des Landes wirken zu können, so Reisner. “All das zeigt, dass die Ukraine massive Unterstützung braucht, wenn sie weiterhin ihr Land verteidigen – und gewinnen – möchte.”