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Seit einigen Wochen streitet die Ampelkoalition über die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises. Grüne und SPD sind dafür, die FDP ist dagegen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz begründet FDP-Fraktionschef Dürr die Haltung seiner Partei.
In der Ampelkoalition droht ein neuer Streit. Es geht um die Einführung eines niedrigeren Strompreises für große Industrieunternehmen, für den sich Grüne und SPD starkmachen. Sie wollen so den Industriestandort Deutschland sichern. Die FDP ist dagegen und fordert eine Senkung der Energiesteuern für alle. Sie will damit vor allem mittelständischen Unternehmen unter die Arme greifen. Zudem wollen die Liberalen so auch den Strom für Bürgerinnen und Bürger preiswerter machen. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz haben sich die Gäste am Abend darüber unterhalten.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat eine klare Position: Es sei unsinnig, die Strompreise erst künstlich hochzutreiben, um sie dann mit dem Geld der Steuerzahler wieder zu subventionieren. Denn für Dürr ist klar: Eine andere Lösung als Steuererhöhungen kann es für die Gegenfinanzierung der Maßnahme nicht geben. SPD und Grüne sehen das anders. Sie wollen das Geld für die Strompreissenkung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) nehmen.
Diesen 200-Milliarden-Euro-Topf hatte der Bundestag letztes Jahr beschlossen, um die gestiegenen Gas- und Strompreise zu stabilisieren. Wenn die Gas- und Strompreisbremse im nächsten Jahr ausläuft, dürfte der Topf einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag enthalten, vielleicht noch mehr: Bis Ende Juni 2023 waren aus dem WSF erst 60 Milliarden Euro abgeflossen. Das Problem: Der Fonds ist zweckgebunden, wie alle Schattenhaushalte. Möglicherweise darf er also für die Industriestrompreis-Subventionierung nicht herangezogen werden.
FDP sieht Gerechtigkeitsproblem
Doch das ist nicht Dürrs eigentliche Sorge. Seine Partei sieht vielmehr ein Gerechtigkeitsproblem- und ist sich mit der Union in diesem Punkt einig. Außerdem fürchtet Dürr, dass nach dem geplanten Auslaufen der Maßnahme im Jahr 2030 “alle dastehen und eine Verlängerung verlangen”. Er fordert: “Was wir tun müssen, ist, bei der Stromsteuer zu verzichten. Und wir müssen bei der Energiepolitik eine andere Richtung gehen und das Angebot ausweiten, damit wir langfristig wieder wettbewerbsfähige Strompreise haben.”
Für die Journalistin Ursula Weidenfeld bringen weder die Pläne der Liberalen noch die von SPD und Grünen eine spürbare Senkung der Strompreise. Bei einem subventionierten Strompreis fürchtet sie, dass die Unternehmen weniger Energie sparen werden. Zudem glaubt sie, dass Deutschland immer hohe Strompreise haben wird, weil Energie vor allem im Ausland produziert und dann eingeführt werden müsse.
“Wir sollten um unsere Jobs kämpfen”
Ein Verfechter des subventionierten Industriestrompreises ist der Ökonom Jens Südekum. Seiner Ansicht nach könne ein “Brückenstrompreis”, wie ihn die Grünen nennen, die Abwanderung von Industrien zum Beispiel aus dem Chemiebereich verhindern. “Wir müssen um unsere Jobs kämpfen”, begründet er bei Markus Lanz seine Zustimmung. Die Industrie schaffe jedoch nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch flächendeckenden Wohlstand. In Deutschland produziere die Großindustrie nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch auf dem Land. “Sollte das aus den Fugen geraten, mache ich mir ganz große Sorgen”, sagt Südekum.
Der Ökonom scheint zudem davon auszugehen, dass die Subventionierung eines Industriestrompreises nicht so teuer ist wie gedacht. “Die mittelständische Industrie hatte 2019 einen Strompreis von durchschnittlich 18 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen, Steuern inbegriffen. Das war, bevor die Krisen losgingen. Der Preis ist 2022 durch die Decke geschossen und lag bei durchschnittlich 53 Cent. Jetzt sind wir wieder bei 26 Cent. Der Weg zu 18 Cent ist gar nicht mehr so weit.” Deutschland habe schon immer höhere Strompreise als andere Länder gehabt, betont Südekum. “Aber der Nachteil gegenüber diesen anderen Ländern darf auch nicht zu groß werden”, sagt der Ökonom. Würden jetzt keine wettbewerbsfähigen Energiepreise eingeführt, hat Deutschland nach Ansicht von Südekum in zehn oder zwanzig Jahren ein massives Problem. Südekum: “Wir müssen das jetzt machen und die Chance eröffnen, dass die Investitionsentscheidungen, die heute fallen werden, für Deutschland und nicht für andere Länder getroffen werden.”