Markus Söder sitzt bei Maischberger, sein Vize Hubert Aiwanger bei Lanz. Beide schimpfen über die Bundesregierung im Allgemeinen und über das Heizungsgesetz im Speziellen. Erstere sei demokratisch gewählt, letzteres aber undemokratisch, findet der Freie-Wähler-Chef.
Es ist Dienstagabend. Sandra Maischberger spricht bei ihrem Talk in der ARD mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder von der CSU. Zur gleichen Zeit läuft im ZDF die Talkshow mit Markus Lanz. Einer der Gäste: der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Während sich Maischberger und Söder auf hohem Niveau ernsthaft unterhalten, entgleitet die Lanz-Show zwischendurch zu einer Art Faschingsfeier. Es wird viel gelacht. Ernst wird es, als Aiwanger sich zu dem Bild äußert, das er von der Regierung in Berlin hat. Einige Wochen zuvor hatte er während einer Demonstration gegen das Heizungsgesetz in Erding bei München gefordert: “Wir müssen uns die Demokratie zurückholen.” Das von einem Mann, der stellvertretender Ministerpräsident ist.
Bei Lanz versucht er sich an einer Erklärung: “Dies ist eine Demokratie. Formal”, sagt er. Die Freien Wähler fordern mehr direkte Demokratie, setzen sich zum Beispiel dafür ein, dass der Bundespräsident von der Bevölkerung direkt gewählt wird. Die Demokratie werde von gewählten Vertretern repräsentiert, so Aiwanger. Was das Heizungsgesetz betreffe, handle die Bundesregierung aber gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. “Demokratie heißt auch, dass man sich rückkoppelt mit der Bevölkerung. Aber es geht nicht zu sagen: Ich bin jetzt vier Jahre an der Macht, da kann ich tun, was ich will.” Deutschland habe eine Demokratie als Staatsform. “Aber das Vorgehen der Ampel ist undemokratisch, wenn sie Politik gegen die Bevölkerung macht”, fügt Aiwanger hinzu.
“Hin, her, hü, hott”
Auch Söder lässt kein gutes Haar an der Ampelkoalition. In einer Koalition sei Stabilität besonders wichtig, so Söder. In der Ampelkoalition sei das nicht der Fall. “Das ist das Grundproblem in Deutschland, dass da drei sind, die nicht zusammenpassen. Gestartet sind sie als happy Family, aber im Augenblick wirkt das alles wie ein hin und her, hü und hott. Und der Kanzler ist eher ein schweigender denn ein führender.”
Das Heizungsgesetz, das in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden soll, sei von Anfang an ein echtes Desaster gewesen, kritisiert Söder weiter. In einer Zeit, in der die Lebensmittelpreise sehr hoch und die Bürger über ihre Zukunft verunsichert seien und nicht wüsten, ob sie ihren kleinen und hart erarbeiteten Wohlstand halten könnten, sei die nächste Stufe auf sie zugekommen. Zudem habe das Gesetz zu viele Bruchstellen gehabt.
Nun sind viele Forderungen der Opposition in das Gesetz eingearbeitet worden, doch Söder ist immer noch unzufrieden. “Ich verstehe nicht, warum das Gesetz mit so hoher Geschwindigkeit durchgepresst werden soll”, sagt er bei Maischberger. Aber nach den nächsten Bundestagswahlen werde die Bundesregierung, die dann unionsgeführt sei, das Gesetz ohnehin überarbeiten oder völlig kassieren.
Kritik an Aiwanger
Dann kommt Maischberger auf die Ereignisse in Erding zu sprechen, und hier findet Söder kritische Worte. Aiwangers Forderung, das Volk müsse sich die Demokratie zurückholen, sei kritisch. “Er entspricht auch nicht meiner Auffassung. Aber wir haben sehr intensiv darüber geredet, und ich gehe davon aus, dass er diesen Satz nicht wiederholt.”
Und das hat Aiwanger ja auch wirklich nicht getan. Formal. Aber quasi zeitgleich rechtfertigt er sich im ZDF: “Ich habe das Volk dort abgeholt, wo es war.” 13.000 Menschen hätten in Erding demonstriert, aus Frust gegen das Heizungsgesetz. “Dann stelle ich mich hin und sage: Ihr seid die Mehrheit der Bevölkerung, ihr seid die Betroffenen, und wir können uns nicht gefallen lassen, dass diese Berliner Politiker gegen euch Politik machen. Wir müssen uns die Demokratie zurückholen, indem wir das Gesetz ändern wollen, im Sinne der Bevölkerung. Alle, die da waren, haben das verstanden.” Die Demokratie müsse beim Volk angesiedelt sein, “von den Regierenden erwarte ich, dass sie das Volk ernst nehmen. Und das haben sie beim Heizungsgesetz nicht gemacht.” Später fügt Aiwanger hinzu: “Ich glaube, dass ich einer der wackersten Kämpfer für die Demokratie bin.”
Da ist Söder schon längst bei einem anderen Thema: Die angeblichen ideologischen Verbote der Grünen, die seiner Ansicht nach die Ampelkoalition dominieren. Wenn es nach ihnen ginge, dürfte man in Deutschland kein Fleisch essen, nicht mehr Mama und Papa sagen und keine Luftballons mehr steigen lassen.
Zumindest das Fleischverbot hätten die Grünen zurückgenommen, aber es gebe trotzdem kein Fleisch mehr zu kaufen, behauptet Söder dann. Kleiner Test des Autors: Der Lieferdienst Amazon Fresh zeigt nach der Sucheingabe Fleisch 236 Produkte. Auch das mit dem Luftballonverbot stellt sich anders dar. Tatsächlich beschloss die Stadt Gütersloh im September 2019, bei eigenen Veranstaltungen keine Luftballons mehr fliegen zu lassen. Der damalige Bürgermeister war Henning Schulz – von der CDU. Zwei Wochen später forderte die niedersächsische Grünen-Landeschefin Anne Kura in der Neuen Osnabrücker Zeitung ein solches Verbot auch in Niedersachsen. Das dortige Umweltministerium lehnte ab. Hintergrund: Wenn Luftballons platzen, bleiben weiche Plastikteile zurück, die von Vögeln gefressen werden. Die können diese Teile nur schwer verdauen und sterben äußerst qualvoll daran.
Söder und die AfD
Zum Schluss kommt Söder dann auf die kommenden Landtagswahlen zu sprechen. Die Bayernwahl im Oktober werde stabil enden, hoffe er. Anders sehe es nächstes Jahr in Thüringen aus. Da werde die CSU die CDU-Kollegen gegen die AfD unterstützen. “Die AfD ist der Systemfeind, denn die AfD ist gegen unser System”, sagt Söder. Und dann fordert er mit Blick auf die Union in Berlin und die Ampelkoalition: “Man sollte nicht die Worte der AfD wiederholen. Aber man sollte auch nicht schlecht regieren.”