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Der Kulturkrieger zieht in die Schlacht

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Unter den Konservativen in den USA ist der offene Konflikt ausgebrochen. Floridas Gouverneur DeSantis fordert Ex-Präsident Trump heraus. Der ausgelobte Preis ist die Republikanische Partei. Und das Weiße Haus.

Am Wochenende sprach eine weitere Bürgerrechtsorganisation eine Reisewarnung für Florida aus. Es sei nicht mehr sicher, in den US-Bundesstaat zu reisen. “Florida ist offen feindselig gegen Afroamerikaner, People of Color und solche, die sich mit LGBTQ+ identifizieren”, heißt es von der NAACP, die für die Rechte von Schwarzen in den Vereinigten Staaten eintritt. Damit schloss sie sich den Mitteilungen der größten Latino-Bürgerrechtsorganisation sowie LGBTQ- und Einwandererorganisationen in Florida an.

Der Gouverneur, der dies zu verantworten hat, heißt Ron DeSantis. Und nun ist es offiziell: Er will bei der Wahl im kommenden Jahr der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden. Bei Twitter verkündete er seine Bewerbung, nachdem er einige Stunden zuvor die erforderlichen Unterlagen eingereicht hatte: “Ich kandidiere als Präsident, um unser großartiges amerikanisches Comeback anzuführen”, schrieb er zu seinem ersten Wahlkampfspot.

Im vergangenen Herbst wurde DeSantis noch überdeutlich für eine weitere Amtszeit als Gouverneur bestätigt. Bei der zeitgleich stattfindenden Kongresswahl war er einer der wenigen Lichtblicke für die Partei, die zugleich eine ganze Reihe von Schlüsselrennen verlor. Besonders schmerzte sie, dass die Demokraten im Senat ihre Mehrheit sogar ausbauten. Präsident Joe Biden stand als Sieger da.

Auch mehrere extreme Kandidaten, die Ex-Präsident Donald Trump unterstützt hatte, gingen leer aus. Trotzdem erklärte der seine Bewerbung um die Kandidatur 2024, und in Umfragen liegt Trump unter Republikaner aktuell einsam an der Spitze, mit deutlichem Abstand vor DeSantis. Jeder, der bislang zu diesem Zeitpunkt auf ähnliche Werte kam, wurde später auch Kandidat seiner Partei. Trumps Einfluss auf die Konservativen ist äußerlich damit felsenfest. DeSantis ist abgeschlagener Zweiter. Statt woanders Unterstützer zu umwerben, sucht der 44-Jährige trotzdem mit seinem radikalen Kurs eine Sollbruchstelle in der Beziehung zwischen Trump und dessen Basis.

Hart konservativer Kurs

DeSantis lehnt sich gegen seinen früheren Förderer auf. Dieser schaltete im April seinen ersten TV-Spot im Wahlkampf – und attackierte darin den Gouverneur. DeSantis sei ein Politiker von seinen Gnaden, vermittelt die Werbung. Schließlich wäre er ohne Trumps Unterstützung nie Floridas Gouverneur geworden. DeSantis sagte damals: “Ich danke dem Präsidenten, der zu mir gestanden hat, als es nicht unbedingt klug war.” Nun zieht der 44-Jährige gegen Trump in den Vorwahlkampf und will dessen Parteiflügel übernehmen. Ein Schlüssel dazu sind Wähler über 50 Jahre. Sie machen mehr als 60 Prozent der Parteianhänger aus. Kürzlich unterschrieb DeSantis etwa ein Gesetz, das die exorbitanten Medikamentenpreise drücken soll.

Bislang hat der Gouverneur aber vor allem eine ganze Reihe an kontroversen, konservativen Gesetzen in Kraft gesetzt. Da wäre etwa das häufig “Sag’ nicht schwul” (Don’t Say Gay) genannte Gesetz, das vom Kindergarten bis zur 3. Klasse der Grundschule verbietet, mit Kindern über sexuelle Orientierung zu sprechen. “Sexuelle Indoktrination”, nannte er die bisherige Praxis. Seither treibt der Gouverneur auch eine Fehde mit dem Disney-Konzern voran, der sich öffentlich gegen diese Regelung aussprach, durch alle Instanzen. “Es gibt einen neuen Sheriff in der Stadt”, brüstete sich DeSantis, als er Disneys Privilegien in Florida zusammenstrich.

Oder Schwangerschaftsabbrüche. Nachdem der Supreme Court das allgemeine Abtreibungsrecht gekippt hatte, führte Florida eine knallharte Abbruchgrenze nach der sechsten Schwangerschaftswoche ein. DeSantis’ Regierung schränkt ab Juli zudem die Beschäftigung von illegalen Arbeitsmigranten stark ein, belegt sie mit einem Fahrverbot und erschwert ihre Behandlung in Krankenhäusern. Im vergangenen Jahr ließ er in einem aufsehenerregenden medialen Stunt illegale Einwanderer in zwei Chartermaschinen vom republikanisch regierten Bundesstaat Texas auf die 15.000-Einwohner-Insel Martha’s Vineyard im demokratischen Massachusetts ausfliegen. Die Unterschriften der 48 Venezolaner erschlich sich DeSantis’ Koordinatorin mit erfundenen Broschüren und leeren Versprechen von Jobs. Eine Ermittlung wurde danach angekündigt, es ist unklar, ob das Vorgehen legal war. Viel wichtiger für DeSantis: Es brachte Aufmerksamkeit und ihm viel Applaus für seine harte Hand, die in diesem Fall bis nach Texas reichte.

In DeSantis Heimatstaat Florida darf man seit April ohne offizielle Erlaubnis verdeckt Waffen tragen. “Der Sunshine State wird zum Firearm State”, titelte “Forbes”. Im Oktober soll zudem ein Gesetz in Kraft treten, das die Schwelle zur Todesstrafe so niedrig wie nirgends in den USA absenkt: Es soll die 8:4-Mehrheit einer Jury reichen. Auch Kindesmissbrauch könnte dann mit der Todesstrafe geahndet werden.

Vorgartenschilder im Bundesstaat Iowa bei einer Spendenveranstaltung für Ron DeSantis am 13. Mai

(Foto: AP)

Die traditionellen Schlachtfelder des Kulturkampfes wie Abtreibungen, Einwanderung und Waffenrecht sind von der Energiepolitik erweitert worden. Fossile Energieträger, an denen viele einiges verdienen, sollen nicht einfach so von Erneuerbaren verdrängt werden. Anfang des Monats verbot Florida seinen öffentlichen Rentenfonds, vorrangig gemäß Nachhaltigkeitskriterien namens ESG zu investieren. DeSantis bezeichnete ESG als “Perversion” und kritisierte, dass Unternehmen ihre Macht ausnutzten, um den Amerikanern ihre “ideologische Agenda” aufzuzwingen. Das Gesetz verbietet auch den Verkauf solcher Anleihen.

Gegen den “woken Mob”

Florida sei “im Kampf um die Freiheit an vorderster Front”, sagte DeSantis zu seinen neuen Gesetzen. Er positioniert sich damit auch national als Kämpfer der Gerechten, der den “woken Mob” aus Florida weghält und als Präsident das Gleiche für das ganze Land täte. Bei einer Pressekonferenz wollte ein Reporter wissen, was der Republikaner über Trumps Wahlbetrugsbehauptungen denkt. “Ich denke, dass die Republikaner eine Verliererkultur etabliert haben”, schlussfolgerte DeSantis, nachdem er die beiden verlorenen Wahlen erwähnt hatte. “Es gibt keine Verantwortlichkeit.” Florida habe hingegen gezeigt, wie man deutlich gewinne und dann politisch liefere.

Diesen rhetorischen Balanceakt vollführt DeSantis schon seit Monaten. Der Gouverneur greift Trump nicht frontal an, sondern kritisiert ihn indirekt als Verlierer, als einen, der keine Verantwortung übernimmt. Und er schließt: “Natürlich musst du gewinnen, sonst bekommst du kein Ticket für den Tanz.” Das Bein schwingt DeSantis radikal, will an Trumps Stelle vorderster Streiter im Kulturkampf werden, den die Konservativen in den USA gegen Veränderungen führen. Und so zukünftig die “Seele der Republikanischen Partei”, also die inhaltliche Richtung bestimmen.

Gegenüber Spendern betont DeSantis, er sei der einzige Bewerber, der gegen Biden gewinnen könne, schreiben US-Medien. Derzeit liegt Trump in Umfragen zwar vor dem Demokraten, verlor aber das Duell 2020, und die Kongresswahlen gefühlt hinterher. DeSantis könnte auf einen Dominoeffekt setzen: Gewinnt er in der Mehrzahl der ersten Vorwahlstaaten Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina gegen Trump, könnte er dessen Nachfolger werden. In der Partei und in der Liste der Republikaner im Weißen Haus.

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