Boris Palmer ist zurück im Tübinger Rathaus – und in den Medien. In der “Welt” veröffentlicht er einen Brief an Luisa Neubauer. Der “Fridays-for-Future”-Aktivistin wirft er vor, einen falschen Ansatz in der Klimapolitik zu verfolgen, indem sie sich nicht auf Energiekonzerne als Gegner fokussiere.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat unmittelbar nach seiner Auszeit einen offenen Brief an die Klimaaktivistin Luisa Neubauer geschrieben, in der er ihr vorwirft, einen nicht zu gewinnenden Kampf gegen die “Fossilität” zu führen. Palmer war Ende letzter Woche an seinen Arbeitsplatz in der schwäbischen Universitätsstadt zurückgekehrt. Vorangegangen waren vier Wochen Pause, die er sich nach einem Eklat rund um seine Aussagen am Rande einer Migrationskonferenz Ende April selbst verordnet hatte.
Palmer bestätigte, dass er am Tag der Wiederaufnahme seiner Arbeit das seitenlange Schreiben an Neubauer verfasst hat, das heute in der “Welt” erscheint. Er bezieht sich darin auf eine Rede der “Fridays-for-Future”-Aktivistin während seiner Auszeit, die sie im Rahmen ihrer “Tübinger Mediendozentur” gehalten hatte.
Der ehemalige Grünen-Politiker hält Neubauer vor, ihre Kritik an einem “fossilen” Lebensstil sei “nichts anderes als ein Frontalangriff auf das westliche Wohlstandsmodell”. Er verweist darauf, dass menschlicher Fortschritt in entscheidenden Lebensbereichen nicht ohne die Nutzung “einfach und günstig verfügbarer fossiler Energiequellen” möglich gewesen wäre. Neubauer verfolge einen falschen Ansatz in der Klimapolitik und beschwöre damit eine “neue Gegnerschaft” herauf, schreibt Palmer in der “Welt”. “Aus einem mächtigen, aber isolierbaren Gegner, nämlich den Energiekonzernen, haben Sie so ohne Not einen allgegenwärtigen, übermächtigen Gegner erschaffen, nämlich nahezu alles, worauf die globale Wirtschaft und Gesellschaft fußen”, so Palmer wörtlich.
Garant für Kontroversen
Palmer hatte im April bei einer verbalen Auseinandersetzung vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main, als er mit “Nazis raus”-Rufen konfrontiert wurde, geantwortet: “Das ist nichts anderes als der Judenstern.” Weggefährten und Parteifreunde wandten sich daraufhin von ihm ab. Palmer entschuldigte sich anschließend dafür, dass der Eindruck entstanden sei, er würde den Holocaust relativieren. Er kündigte eine Auszeit an, um “genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen”.
Nach der Eskalation um seine umstrittenen Äußerungen war er auch bei den Grünen ausgetreten. Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen, die letzte Wahl 2022 gewann er mit absoluter Mehrheit. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachten aber auch sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik. An Neubauer gerichtet schreibt er, deren Ansatz sei “in keiner Weise hilfreich” für sein Ziel, Tübingen bis 2030 klimaneutral zu machen.