Max Kugel stammt aus einer Bäckerfamilie, also wird er natürlich auch Bäcker. So könnte man denken, ganz so einfach ist es aber nicht. Dass er heute trotzdem glücklich und zufrieden in der Backstube steht, überrascht ihn vielleicht selbst am meisten.
Max Kugel ist Bäckermeister und backt und verkauft in seinem Laden im Bonner Talweg ausschließlich Brot aus Bio-Zutaten, ohne künstliche Zusatzstoffe. Manche halten ihn schon deshalb für einen Kultbäcker. Er selbst sagt von sich, dass er Bäcker ist, aber eben einer von der Sorte, an die sich sehr viele nur noch aus der Vergangenheit erinnern können.
Kugel ist in eine Bäckerfamilie hineingeboren, also wird er natürlich auch Bäcker. So mag es aussehen, aber ganz so einfach ist es nicht, erzählt er ntv.de. “Wir mussten ja immer zu Hause helfen. Und umso größer wir wurden, umso größer wurden unsere Aufgaben.” Mit 7 räumte er die Spülmaschine aus, mit 12 half er am Ofen und putzte die Backstube. “Die gemeinsamen Arbeiten am Abend waren in unserer Welt quasi unumstößliche Naturgesetze”, schreibt Kugel darüber in seinem Buch “Wie ich auszog, mein Handwerk zu retten”.
“Ich habe immer gesagt, ich will das auf gar keinen Fall, ich werde kein Bäcker”, erzählt der 32-Jährige. Aber der Alternativplan, Koch zu werden, zerschlägt sich und Kugel beginnt doch eine Bäckerlehre beim eigenen Vater. Schließlich ist er Bäcker. “Und ich merkte, ich will das auch bleiben. In der Ausbildung wurde es dann schon zur Leidenschaft.” Der Familienbetrieb im heimatlichen Lahnstein wird ihm trotzdem zu eng. “Weil ich halt Bäcker durch und durch bin, habe ich immer geguckt, was für Bäckereien gibt es hier? Die habe ich mir dann angeschaut.”
Solides Handwerk, modern aufgezogen
Schnell wird klar, Kugel schaut nicht nur danach, welche Kuchen, Brötchen und Brote in anderen Orten in den Auslagen liegen. Ihn interessiert der ganze Betrieb. Welche Zutaten werden verwendet? Wie sind die Arbeitsabläufe und -zeiten? Welcher Geist herrscht im Team? Er arbeitet für verschiedene Bäckereien in ganz Deutschland und sammelt dabei jede Menge Erfahrungen. “Meine Chefs, das waren bodenständige Menschen. Die haben nicht groß in Marketing oder sonst irgendwas getrommelt, sondern einfach ein richtig solides Handwerk betrieben.”
Diese Rückbesinnung auf das alte Handwerk will Kugel modern aufziehen. Mit jedem Arbeitsausflug wird die Vision seines eigenen Betriebes klarer und immer deutlicher, dass die sich nicht mit dem elterlichen Betrieb verträgt. Er macht von dort aus noch den Meister und bleibt auch danach noch einige Zeit als Angestellter, doch dann steht fest: Seine Zukunft soll eine eigene Bäckerei fernab der heimatlichen Gefilde sein.
“Mein Vater war natürlich enttäuscht”, erzählt Kugel, “weil das sein großer Wunsch war”. Aber er habe auch immer gesagt: “Du musst halt wissen, was für dich richtig ist, was du möchtest. Und hat mich auch ziehen lassen.” Die ersten Wochen seien trotzdem schwierig gewesen.
“Nur” Brot
Kugels Laden in Bonn sollte seine Erfahrungen widerspiegeln.
(Foto: Johannes Dreuw)
Am 24. August 2017 eröffnet Kugel seine eigene Bäckerei in Bonn. Sein Name steht auf den Fenstern, im hinteren Teil liegt die Backstube ein paar Stufen niedriger als der Verkaufsraum und nur durch eine Glaswand davon getrennt. Kundinnen und Kunden sollen sehen, wo das Brot gebacken wird, das sie hier kaufen. Die Wände sind anthrazit-blau, es gibt eine Karte mit Kugels “road to bakery”, wie er es nennt. Darauf sind alle Orte verzeichnet, an denen er gearbeitet und gelernt hat. Am Eröffnungstag sind nach drei Stunden alle Brote ausverkauft. Den Bonnern schmeckt sein Brot offensichtlich vom ersten Tag an.
Kugels Brote heißen Heinz, wie sein Vater, Aschauer, weil Kugel dort mit Stefan Greimel zusammengearbeitet hat, oder Föhrer Weißbrot, zur Erinnerung an die Zeit auf der Insel mit Volker Hansen. Manche haben fünf Zutaten, andere sieben oder neun, das Maximum sind zehn. Darunter ist keines der technischen Enzyme, die viele Bäcker verwenden und die in den Zutatenlisten nicht aufgeführt werden müssen. Das Kilo Brot kostet in der Talstraße neun Euro.
Wenn Kugel über seine Brote spricht, kommt er ins Schwärmen und ins Philosophieren. “Ich bin kein Bäcker, der sagt, sie brauchen eine kräftige Kruste und eine saftige Krume.” Das sei 0815-Sprech. Für ihn müsse ein Brot komplex sein, dazu gehöre das Dreiergespann aus Kruste, Krume und Aromen. “Die Kruste braucht auf jeden Fall eine ordentliche Backfarbe und Röstaromen, weil die auch an Tag drei und vier noch für Geschmack im Brot sorgen.” Die Krume müsse natürlich saftig sein, aber es gehe auch um schönes Kaugefühl und darum, die Aromen zu schmecken, die Sauerteigaromen oder die gerösteter Samen. “Ein Brot braucht eine gewisse Ehrlichkeit. Man muss das Getreide ein Stück weit herausschmecken können, auch als Laie.” Wenn es nach Kugel geht, isst man ein gutes Brot mit Freude und hat damit auch keine Verdauungsprobleme. “Das ist auch wichtig.”
Die Tücken des Erfolgs
All das geht für Kugel nur noch mit Biozutaten und ohne Zusatzstoffe, was wiederum mit mehr Erfahrung und handwerklichem Können ausgeglichen werden muss. So wird aus einem scheinbar einfachen Handwerk eine sehr differenzierte Unternehmung, in der es auch um den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, um Rohstoff- und Lebensmittelpreise geht. “Ich war ein bisschen unsicher, ob das eine zu hohe Anforderung an Kundinnen und Kunden ist, sich all das immer bewusst zu machen, wenn sie eigentlich nur eine Stulle essen wollen.” Zumal Brot ein Produkt sei, das immer allen 24/7 zur Verfügung steht.
Heute sagt der Bäckermeister, seine Zielgruppe seien einfach Kunden, die ein gutes Brot essen wollen. Das seien Studenten, junge Familien, aber auch viele ältere Kundinnen und Kunden, die “dieses Brot wieder so schätzen oder schmecken wollen”. Manche kämen einmal in der Woche, manche täglich und kauften dann auch nur ein paar Scheiben Schwarzbrot.
Nach mehr als fünf Jahren ist deutlich, es gibt mehr als genug Nachfrage. Doch das würde bedeuten, dass Kugel expandieren müsste. Genau das will er aber nicht. Denn genauso wichtig wie seine Produkte ist ihm die Lebensqualität – seine eigene und die seiner 13 Angestellten. “Ich habe entschieden, dass ich dieses Handwerk, wie es früher betrieben wurde, nicht mehr so in der Art möchte. Dazu gehören auch die Öffnungszeiten.” Deshalb öffnet der Laden erst um 10 Uhr, um 18.30 Uhr ist Schluss. Samstags ist von 8 bis 14 Uhr geöffnet, am Montag bleibt der Laden zu. Dann können die Bäcker erst um 6 Uhr anfangen zu arbeiten und nicht schon um 1 oder 2 Uhr in der Nacht. Außerdem gibt es Schließzeiten, sechs Wochen im Jahr. Mit diesem Modell ist er nach eigenen Angaben profitabel.
Und er sieht mehr Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Ansätze verfolgen. Auch deshalb macht er sich trotz vieler Geschäfte, die ausschließlich Pre-Back- und Convenience-Produkte anbieten, um das Bäckerhandwerk keine Sorgen. “Ich glaube, es wird wieder mehr Gründungen geben. Die Bäcker, die eine gute Qualität produzieren, die sich mit einem kleinen Sortiment spezialisieren, das wird zukunftsorientiert sein.”
Er selbst ist heute ein zufriedener und glücklicher Bäcker. Das sei so vielleicht nicht geplant gewesen, aber so sei das eben in seinem Leben. “Ich bin angetreten, um Brot zu backen, was den Leuten in Erinnerung bleibt. Das ist für mich das Allerwichtigste. Ich muss von den Sachen leben können, das ist schon klar. Ich muss mein Team bezahlen. Aber diese Brotqualität und diese Wertigkeit, die wir verkörpern, das steht für mich über allem.”