Skillingsboller, Bergener Zimtschnecken, das waren Nevada Bergs erste Berührung mit norwegischen Backwaren. Und es war der Beginn einer vergnüglichen Reise durch die Welt der Kuchen und Brote am Polarkreis. Dazu lädt Sie die preisgekrönte Food-Bloggerin ein.
“Backen ist eine sinnliche, vielschichtige Erfahrung, die einfach oder kompliziert, akkurat oder unpräzise, zeitaufwendig oder schnell sein kann. Backen ist echte Handarbeit, die Verschmelzung von Zutaten, eine Gedankenreise, eine Art der Kommunikation und eine Geste der Liebe. Backen ist unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft, denn wir erzählen damit Geschichten, schaffen Erinnerungen für den Augenblick und kreieren etwas, das auch zukünftig Relevanz hat.”
Das sind die ersten Sätze aus Nevada Bergs neuem Buch: “Das Norwegen-Backbuch”. Kann man “Backen” noch schöner beschreiben? Wohl kaum. Erschienen ist das Buch im Prestel Verlag. Die gebürtige Amerikanerin lebt mit Mann und Sohn auf einem Bauernhof im malerischen Numedal. 2018 erschien ebenfalls bei Prestel ihr erstes Kochbuch, “North Wild Kitchen”, das sich international zu einem Riesenerfolg entwickelte und im selben Jahr von der “New York Times” zu einem der besten Kochbücher gekürt wurde. Auch ihr Backbuch hat das Zeug dazu! Beide Bücher verleiten nicht nur zum Rezepte ausprobieren, sondern machen mit tollen Landschaftsfotos eine Menge Lust auf das atemberaubende Land am Nordpolarkreis.
Bergs Rezepte und Stories sind von den kulinarischen Traditionen und der Geschichte Norwegens inspiriert, aber auch von einer innovativen Herangehensweise an typisch norwegische Zutaten. Und vor allem liebevoll, mitunter regelrecht poetisch, erzählt. “Skillingsboller (Bergener Zimtschnecken) waren mein erster Berührungspunkt mit norwegischen Backwaren. Fortan gönnte ich mir diese mit Zimtzucker bestreuten Hefeteilchen jedes Mal, wenn ich der Familie meines Mannes in Bergen, der Heimat der Skillingsboller, einen Besuch abstattete. Es war der Startschuss zu einer vergnüglichen Reise durch die Welt der Kuchen, Torten, Brote, Teilchen, Porridges und Kekse. Jeder Feiertag, jedes Fest, jeder Besuch bei Freunden oder in der örtlichen bakeri (Bäckerei) öffnete mir die Augen für die Wunder der norwegischen Backkunst mit ihren tief verwurzelten Traditionen und modernen Einflüssen.”
Backen im Einklang mit den Jahreszeiten
Nevada Berg: “Es gibt Tage, da muss man einfach backen.”
(Foto: Nevada Berg)
Noch steht die norwegische Küche im Schatten der von Schweden und Dänemark. Völlig zu Unrecht, wie die Bücher Bergs eindrucksvoll zeigen. Typisch für die skandinavische Küche insgesamt ist ihre Naturverbundenheit – die Nutzung natürlicher Ressourcen bei gleichzeitiger Bewahrung all der Schätze, die die Natur bereithält. Darauf basiert auch “Das Norwegen-Backbuch”, nicht umsonst heißt der Untertitel “Backen im Einklang mit den Jahreszeiten”. Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt es selbstverständlich auch in Norwegen, dazu aber eine fünfte Jahreszeit. Nein, es ist nicht die Narrenzeit von November bis Aschermittwoch wie bei uns, obwohl es Karneval (Fastelavn) auch in Norwegen gibt – und im Buch die dazugehörigen “Fastelavnboller”. Die Karnevalskrapfen werden traditionell mit Sahne gefüllt. Am 11.11. einfach mal ausprobieren!
Wie Berg schreibt, ist es in ihrer Wahlheimat das Licht, das eine fünfte Jahreszeit hervorzaubert. Das Licht im Norden verändert sich stetig und die Natur folgt diesem Wandel: “Die Kapitel in diesem Buch spiegeln wider, wie die jeweiligen Jahreszeiten den Backwaren ihren Stempel aufdrücken.”
1. Winterlicht: Vinterlys

Das erdige Aroma des Wacholders vermittelt ein Gefühl der Entschleunigung.
(Foto: Nevada Berg)
Das Kapitel “Winterlicht” ist geprägt von diversen Brotrezepten. Von Einkorn, dem Urgetreide, bis Vollkorn, von rustikal bis fein, von pikant bis süß; hier finden Sie alles an Broten und Brötchen, Schnecken und Pfannkuchen.
“Nach der Dunkelzeit – der mørketid – mit all ihren Schlemmereien nutzt man jetzt die Tage, um etwas gesündere Brote und Fladen zu backen. Es ist ein Neuanfang und eine günstige Gelegenheit, um Küche und Seele gleichermaßen zu erwärmen.” Schneetouren locken in die Berge, danach der Kamin zum Aufwärmen. “Es ist die Zeit, in der wir uns die Bäuche mit Köstlichkeiten vollschlagen und uns auf den Beginn des Frühlings freuen.”
2. Neues Licht: Nytt lys
Bei “nytt lys” liegt Veränderung in der Luft. “Die Tagundnachtgleiche im Frühjahr markiert den Übergang vom eisig kalten Winter zu wärmeren Tagen mit frischem, neuem Grün.” In diese Zeit fällt der Mai, in Norwegen so etwas wie ein inoffizieller Kuchenmonat, “in dem sich alles um den norwegischen Verfassungstag, um Konfirmationen, Taufen und Hochzeiten dreht”.
Jetzt ist der Frühling da und die jungen Brennnesseln sprießen. Wohl dem, der einen Garten hat mit diesem “Unkraut”! Verwenden Sie doch die Brennnesseln mal nicht, um Blattläuse zu bekämpfen, sondern für ein Bärlauch-Fladenbrot oder sogar für einen Kuchen. Mit der “Mandeltarte mit Brennnesselcreme” ist Ihnen das Staunen Ihrer Gäste sicher: “Bei dieser Tarte schmeckt jeder Bissen so, als würden luftige Wolken die Erde berühren.” Oder doch lieber pikante Hörnchen? Die schmecken garantiert nicht nur im Frühling.
Hörnchen mit Erbsenpesto-Füllung (Fylte Horn med Ertepesto)
Für den Teig
480 g Weizenmehl Type 405 + etwas mehr zum Ausrollen
2 Pck. Trockenhefe (14 g)
½ TL Salz
320 ml Milch
110 g leicht gesalzene Butter, zerlassen + etwas mehr zum Einfetten
1 großes Ei, verquirlt
Mohn- und Sesamsamen zum Bestreuen
Für die Füllung:
90 g frische oder gefrorene Erbsen (aufgetaut)
120 ml mildes Öl
2 Knoblauchzehen
2 TL fein gehackter frischer Dill
2 TL fein gehackte frische Minze
½ TL Salz
Blauschimmelkäse oder Ziegenfrischkäse
Hörnchen sind die Croissants Norwegens, allerdings ohne die vielen Butterschichten und den damit verbundenen Aufwand. Sie sind köstlich und sehr vielseitig, weil man sie mit Süßem wie Schokolade und Marmelade sowie mit Herzhaftem wie Käse und Schinken füllen oder auch ohne Füllung servieren kann. Im Frühling packe ich gerne einen Löffel meines Erbsen-Kräuter-Pestos und etwas regionalen Blauschimmelkäse oder Ziegenfrischkäse hinein. Sie sind der perfekte Snack im Garten, wenn sich die ersten Triebe und Knospen öffnen. Mit dem Teigrezept als Grundlage kann man unendlich variieren.
Zubereitung:
Für den Teig Mehl, Hefe, Salz, Milch und zerlassene Butter in einer Rührmaschine mit dem Knethaken in etwa 10 Minuten auf kleiner Stufe zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Den Teig in eine leicht gebutterte Schüssel geben und abgedeckt an einem warmen Ort etwa 1 Stunde gehen lassen, bis er sein Volumen verdoppelt hat.
Für die Füllung Erbsen, Öl, Knoblauch, Dill, Minze und Salz in einem Zerkleinerer oder Mixer grob pürieren, dann beiseitestellen.

Die pikanten Hörnchen sind der perfekte Picknick-Snack, wenn sich die ersten Triebe und Knospen öffnen.
(Foto: Nevada Berg)
Sobald der Teig fertig aufgegangen ist, den Backofen auf 220°C vorheizen. Den Teig halbieren und beide Hälften auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche mit einem Nudelholz zu Kreisen (etwa 40 cm Durchmesser) ausrollen. Bei Bedarf mit mehr Mehl bestäuben, damit nichts anhaftet. Die Kreise mit einem Pizzarad oder Messer in 8 gleich große “Tortenstücke” schneiden. 1 EL Füllung auf das breite Ende jedes Stücks geben. Etwas zerbröckelten Blauschimmelkäse oder Ziegenfrischkäse auf der Füllung verteilen und den Teig von der breiten Seite aus zur Spitze hin zu einem Hörnchen aufrollen. Die Hörnchen mit der Nahtstelle nach unten auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech setzen und mit dem verquirlten Ei bestreichen. Mit einer Mischung aus Mohn und Sesam bestreuen. Die Hörnchen in 12-15 Minuten im Ofen goldbraun backen. Vor dem Servieren 5-10 Minuten auf einem Kuchengitter abkühlen lassen. Die Hörnchen schmecken frisch gebacken am besten, halten sich aber luftdicht verpackt bei Zimmertemperatur bis zu 2 Tage.
3. Mitternachtssonne: Midnattssol

Süße Heidelbeeren bilden einen wunderbaren Kontrast zu frischem Oregano und Meersalz.
(Foto: Nevada Berg)
Die Zeit der Sommersonnenwende ist vermutlich für Touristen die beliebteste Norwegen-Reisezeit – mit Auswirkungen: höhere Preise und großer Andrang. Wer den Zauber der “midnattssol” erleben will, lässt sich davon jedoch nicht abhalten. Um Mitternacht steht die Sonne tief am Himmel und hüllt alles in ein magisches Licht. “Der norwegische Sommer verkehrt den Winter in sein Gegenteil. Wenn das Licht hell leuchtet, alles durchdringt und nicht mehr weicht, wird die verlorene Zeit aufgeholt. Nach Monaten des Winterschlafs ist man nun bis tief in die Nacht wach, um alles in sich aufzusaugen.” Jetzt locken Beeren in leuchtenden Farben ebenso wie aromatische Kräuter. Essen macht doppelt so viel Spaß, weil die Mahlzeiten überwiegend im Freien eingenommen werden.
Heidelbeer-Oregano-Brot (Eltefritt Brød med Blåbær og Oregano)
Meiner Meinung nach kommen Waldheidelbeeren besonders gut zur Geltung, wenn sie auf einem Brot mitgebacken werden, dabei aufplatzen und ihren Saft in den Teig entlassen. Ihr süßes, konfitüreartiges Aroma bildet einen wunderbaren Kontrast zu frischem Oregano und Meersalz. Ich serviere dieses Brot am liebsten warm mit einem richtig guten Öl und selbst gemachtem Frischkäse. Leider sind Waldheidelbeeren selten im Handel zu finden, deshalb kann man sie auch durch Kulturheidelbeeren oder Brombeeren ersetzen. Mit der Zubereitung des Brots sollten Sie einen Tag im Voraus beginnen.
360 g Weizenmehl Type 550 + etwas mehr zum Formen
1 TL Salz
½ Pck. Trockenhefe (3,5 g)
300 ml lauwarmes Wasser
2 TL mildes Öl
125 g Waldheidelbeeren
1 TL Meersalz + etwas mehr zum Bestreuen
1 EL frische Oreganoblätter + etwas mehr zum Bestreuen
Zubereitung:
Mehl, Salz und Hefe in einer großen Schüssel mischen. Das Wasser unterrühren und alles zu einem weichen Teig vermengen. Mit Frischhaltefolie abdecken und an einem warmen Ort über Nacht (8-12 Stunden) gehen lassen, bis der Teig sein Volumen verdoppelt hat und Blasen wirft.
Am Folgetag den Backofen auf 220°C vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen und mit etwas Mehl bestäuben. Den Teig auf das Blech geben, dann mit bemehlten Händen einige Male rundum vom Rand in die Mitte falten. Die Oberseite mit dem Öl beträufeln, den Teig mit den Händen flach drücken und zu einem runden Laib (etwa 22 cm Durchmesser) formen. Die Heidelbeeren gleichmäßig darauf verteilen und sanft in den Teig drücken. Mit Meersalz und Oregano bestreuen und im Ofen in etwa 40 Minuten goldbraun backen. 10 Minuten abkühlen lassen, dann mit etwas mehr Meersalz und Oregano bestreuen und warm servieren. Luftdicht verpackt halt sich das Brot bei Zimmertemperatur 1-2 Tage.
4. Feuer und Eis: Ild og is

Diese märchenhaften Kekse entführen Sie in die norwegischen Wälder – und vielleicht lässt sich ja auch ein Troll blicken.
(Foto: Nevada Berg)
Unmerklich gehen die langen Tage zu Ende, Blätter fallen lautlos zu Boden oder ein Sturm wirbelt sie davon. Der Himmel bietet oft ein Feuerwerk aus Orange und Rot – und der Morgen nach einem warmen Tag überrascht mit Frost. “Es ist die Zeit, in der zwei gegensätzliche Kräfte – Feuer und Eis – um die Vorherrschaft kämpfen, wobei jedes Element der Jahreszeit seine ganz eigene Stärke und Lebendigkeit verleiht”, schreibt Berg zu “ild og is”. “Es ist eine lukullische Jahreszeit, in der wir das Wort koselig (gemütlich) wie einen Pullover überstreifen. Aromatische Gewürze, Lagerfeuer, Waldwanderungen und gesellige Zusammenkünfte erfüllen diese Zeit mit Freude.”
In diesem Kapitel können Sie Back-Rezepte mit Bier entdecken oder den Apfelkuchen mit Salzkaramell-Gin-Soße. Auch der beliebte skandinavische Klassiker “Tosca-Kuchen” fehlt nicht. “Er schmeckt atemberaubend und hat die Zeiten genauso unbeschadet überstanden wie die gleichnamige Oper.”
5. Dunkelheit: Mørketid

Die Zubereitung der Brotschnecken ist ein bisschen aufwendig, das machen sie aber mit ihrer schönen Optik wieder wett.
(Foto: Nevada Berg)
“Mit jedem neuen Tag, der sich der Wintersonnenwende, dem kürzesten Tag des Jahres, nähert, schwindet das Licht, das schließlich zu einem leisen Flüstern verkommt. Ganz im Norden Norwegens schafft es die Sonne nicht mehr über den Horizont hinaus. Doch auch in der Finsternis singt die Natur noch vom Licht und lässt Dutzende Nordlichter in leuchtenden Farben über den grenzenlosen Himmel tanzen.” Es ist mørketid, Dunkelzeit. Dennoch ist die Stimmung gut, denn bald ist Weihnachten und verführerische Plätzchen locken. Vorher aber, nämlich am 13. Dezember, wird in ganz Skandinavien das Luciafest gefeiert. Kinder folgen einem als Heilige Lucia verkleideten Kind, singen “Santa Lucia” und verteilen “lussekatter”, ein weiches Safrangebäck, das das Licht symbolisiert.
In diesem Kapitel finden Sie wieder süße und pikante Brote, aber nichts wiederholt sich, und natürlich Pfefferkuchen. Und, ich staune nicht schlecht, “berlinerkranser”. Wie Berg schreibt, sind die “Berliner Kränze” ein norwegischer Weihnachtsklassiker, buttrig, süß und herrlich mürbe. “Angeblich wurden die hübschen Kekse von einem Berliner Bäcker erfunden, doch wie sie ihren Weg nach Norwegen fanden, ist nicht bekannt.” Lustig für mich als Berlinerin und zumindest erklärt es den Namen der beliebten Plätzchen.
Brotschnecken (Rengakaka)
Diese Brotschnecken sind eine Spezialität aus der Stadt Mo i Rana, wo der rengakaka seit Hunderten von Jahren ein fester Bestandteil der regionalen Esskultur ist. Die Gegend ist für den Gerstenanbau bekannt, weswegen Puristen ausschließlich Gerstenmehl für diese Brotschnecken verwenden. Für eine weniger kompakte Version kann man das Gerstenmehl aber durchaus weglassen und durch Weizenmehl ersetzen. Früher waren die Brotschnecken ein gängiges, alltägliches Lebensmittel, weil sie lange gelagert werden konnten. Heute kommen sie meist nur noch zu Weihnachten und Ostern auf den Tisch. Ihre Herstellung ist etwas zeitaufwendig, doch das machen sie mit ihrer schönen Optik wieder wett. Servieren Sie die Brote mit Butter, Wurst oder Käse.
390 g Gerstenmehl
120 g Weizenmehl Type 405
1 EL Backpulver
100 g leicht gesalzene Butter, raumtemperiert
420 ml Milch
Zubereitung:
Den Backofen auf 200°C vorheizen. Mehle und Backpulver in einer großen Schüssel mischen. Die Butter zufügen und alles mit den Händen krümelig verkneten. Die Milch zugießen und alles mit einem Holzlöffel zu einem Teig verrühren.
Den Teig in 16 gleich große Stücke teilen. Alle Stücke zu einem dünnen, etwa 90 cm langen Strang rollen. Jeden Strang an einem Ende beginnend flach auf der Arbeitsfläche zu einer Spirale mit 6-7 Ringen aufrollen. Es ist kein Problem, falls es kleine Lücken zwischen den Ringen gibt. Die Schnecken auf zwei mit Backpapier ausgelegten Backblechen verteilen und nacheinander im Ofen in
20-25 Minuten goldbraun backen. Vor dem Servieren auf einem Kuchengitter abkühlen lassen. Luftdicht verpackt sind die Brote bei Zimmertemperatur mehrere Wochen haltbar.
Selbstverständlich fehlen im Buch nicht die notwendigen Hinweise für Zubehör und Zutaten, die sich fast alle auch durch andere Produkte ersetzen lassen. Viel Spaß und jede Menge Kreativität wünscht Ihnen Heidi Driesner.