SPD, Grüne und FDP arbeiten ständig daran, die Welt vor dem Untergang zu retten, damit Deutschland Vorbild für die ganze Welt bleibt. Das führt ab und an zu Streit und neuerdings zum Vorwurf des Wortbruchs. Leider kann man gebrochene Worte nicht kleben – zumal Klimaschützer den Leim für andere Dinge brauchen.
Auch wenn mich jüngst wieder einmal Post von Lesern erreichte, in der das Gegenteil behauptet wurde, bleibe ich bei meiner Selbsteinschätzung, ein Sehr-Gutmensch zu sein. Im Gegensatz zu Regisseuren sowie Chefredakteuren benehme ich mich an meinem Arbeitsplatz nicht sexistisch und/oder chauvinistisch, falle auch sonst nicht unangenehm auf, wenn ich in selbstgewählter Sozialquarantäne auf dem sommerlich warmen Balkon vor mich hinschreibe – und sogar beim Wein reiße ich mich neuerdings zusammen, so schwer es auch fällt.
Aus dem Munde der Claudia Roth, ihrerseits Staatsministerin für Kultur und die Neubewertung der Historie Preußens, drang kürzlich Folgendes: “Die Kultur- und Medienbranche ist aufgrund ihrer Struktur offenkundig anfällig für Machtmissbrauch, für sexualisierte Übergriffe und auch für den Verstoß gegen Arbeitsschutzregeln” – im Gegensatz zur Politik und allen anderen Branchen. Und “ganz deutlich”, damit das alle Männer verstehen, schob sie hinterher, wobei Frau Roth erst mich ansprach und dann Til Schweiger: “Auch künstlerische Genies – oder angeblich künstlerische Genies – stehen nicht über Recht und Gesetz. Die Zeiten patriarchalischer Macker, die ihre Machtposition in übelster Form ausnutzen, sollten wirklich vorbei sein. Auch wenn das offenkundig noch nicht alle verstanden haben.”
Ich habe es schon länger verstanden und beobachte das täglich auf meinem Balkon, wo ich allerdings ohnehin keinen Zugriff auf und Macht über Frauen habe. Allein die Einhaltung der Arbeitsschutzregeln fällt mir schwer, da es gerade finanziell nicht besonders gut ausschaut. Aber niemand hat mich gezwungen, Bestandteil der Medienbranche zu werden. Hätte ich den Beruf des Klempners gewählt, würde ich jetzt Millionen verdienen, indem ich Heizungen austausche und austausche und austausche. Dafür ist es wohl zu spät. Dabei bin ich generell bereit, mich anzupassen und dazuzulernen. Ich bemühe mich, Indigener, entbindende Person und Entbindende-Person-Sprache statt – politisch unkorrekt, weiß ich – Indianer, Mutter und Muttersprache zu sagen, damit die Welt besser wird, bevor sie untergeht.
“Solange die Dinger sicher laufen”
Die Fortschrittskoalition arbeitet ununterbrochen daran und zeigt der ganzen Welt, bevor sie untergeht, dass wir Deutschen die Besten sind. Der Atomausstieg ist ein prima Beispiel, ich kann es gar nicht oft genug sagen. Nun bauen wir Tausende Windkrafträder und schon ist wieder alles gut. Wie die, wenn sie ausgedient haben, recycelt werden, weiß noch niemand. Aber auch dafür wird die Fortschrittskoalition einen goldenen Mittelweg ins atommüllfreie Glück finden. Zunächst importieren wir Atomstrom aus Frankreich und zeigen dann auf die Franzosen, dass sie atomaren Quatsch machen, wenn sie nicht gerade Baguettes futtern, während wir Deutschen Vorbild für die ganze Welt sind, bevor sie untergeht.
Ansonsten ist unsere Toleranz grenzenlos. Robert Habeck, Deutschlands berühmtester Pferdeflüsterer, findet es “in Ordnung”, dass die Ukraine ihre Atomkraftwerke am Netz lässt. “Solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.” Das nenne ich Pragmatismus. Hier, in deutschen Landen, wo es genug preiswerten Strom für alle gibt, liefen die Dinger nicht sicher. Weg damit! Wir hatten schwere Unfälle und Tote – allerdings in Kohlegruben. Aber welcher Weltenretter interessiert sich schon für BergarbeiterSTERNCHENinnen?
Kohleabfall strahlt nicht. Anders der Atommüll. Der ist brandgefährlich, weil er noch in Hunderttausenden Jahren Böses anrichtet, wenn die Welt längst untergegangen ist. Das kann man sich ruhig noch mal in einem wissenschaftlichen Gutachten bestätigen lassen, vielleicht arbeitet ja ein guter Bekannter oder Verwandter in einem Institut, dass die Bösartigkeit des Atommülls seriös und völlig unabhängig prüft und dann erklärt: Die Dinger sind zwar gebaut, aber müssen weg – und schon ist der Weg frei für die Energiewende, die in Berlin übrigens ausfällt, weil die Friedrichstraße zum 1. Juli wieder für den Autoverkehr aufgemacht wird.
Jetzt, wo Herr Graichen nicht mehr beim Pferdeflüsterer angestellt ist, wird niemand Zweifel anmelden an der völlig unabhängigen Studie aus dem völlig unabhängigen Institut. “Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss”, hatte der Pferdeflüsterer erklärt, bevor er ihn dann doch hinausschickte. Nach meiner Vermutung nahm Herr Graichen aber das Auto, obwohl jeder weiß, dass “gehen” die klimafreundlichere Variante ist, falls man dabei keine Flatulenzen erzeugt. Nun darf sich Herr Graichen nach dem Jobverlust damit trösten, dass er mehr Zeit bei seiner Familie verbringen kann. Wobei das nicht sicher ist nach allem, was darüber bekannt ist. Möglicherweise hat er nun sogar weniger mit seiner Familie zu tun als bisher. Da will ich nicht spekulieren.
Wie geht es dir, Robert?
Außerdem will ich den Pferdeflüsterer in kein schlechtes Licht rücken, das tut er gerade selbst zur Genüge. Der FDP, einem aktiven Bestandsteil der Fortschrittskoalition, hat er Wortbruch vorgeworfen. Leider kann man gebrochene Worte nicht kleben, zumal der Leim knapp wird, weil ihn die allerallerletzte Generation auf Straßen und an Gemälden verbraucht. Vielleicht ändert die FDP ihren Kurs und reicht nun endlich ihre 100 Fragen beim Pferdeflüsterer ein, wie sie es seit Wochen angekündigt hat. 1. Wie geht es dir, Robert? 2. Macht dir der Job noch Spaß? 3. Liest du die Schmoll-Ecke? 4. War es richtig, im Fortschrittskoalitionsvertrag bei allen zentralen Punkten vage zu bleiben? Und so weiter und so fort.
Die FDP und ihr Kassenwart, ein gewisser Herr Lindner – er will die Steuern für alle senken, während die SPD sie erhöhen will – wird dann natürlich Besserung geloben. Aber ein Indianerehrenwort ist nichts für die Grünen, denn das beleidigt Indigene in ein paar tausend Kilometern Entfernung. Kapieren tun das nicht mehr alle. Auch ich schalte neuerdings ab und lese nicht mehr jedes Detail zum Austausch von Heizungen und Staatssekretären.
Ich gehöre zu den vielen Leuten, die die Aussagen der Fortschrittskoalition nicht wirklich verstehen, obwohl sie glasklare Sätze sprechen wie: “Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße.” Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an das Eigenbild zu kleben, das auf der lustigen Aussage beruht: “Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.”
Forsa ermittelte im Auftrag von RTL und ntv, dass die Mehrheit der Bevölkerung im wahlfähigen Alter nicht weiß, was mit der “Kindergrundsicherung”, der “Gasumlage” oder dem “Doppel-Wumms” gemeint ist. Das wiederum verstehe ich. Bei der ganzen Kakofonie ist es nicht so leicht, den Durchblick zu bewahren. Und dabei sind alle wichtigen Akteure der gebärenden Person (Mutter) aller Fortschrittskoalitionen Entbindende-Person-Sprachler (Muttersprachler).