Kleine Abkühlung gefällig? Dann nichts wie rein in den Brunnen. Das Brunnenbaden ist in Basel viel geliebte und gelebte Stadtkultur. Viele der 170.000 Einwohner nutzen Brunnen wie kleine Pools, sogar ein paar Schwimmzüge sind möglich.
Platsch! Tropfen spritzen in allen Richtungen, als sich Noah Migliazza in den großen Trog des Schöneck-Brunnes gleiten lässt. “Ah, Abkühlung”, sagt der junge Schweizer, lehnt sich entspannt am Beckenrand zurück und schließt die Augen. Man kann es ihm nicht verdenken, denn außerhalb des Beckens flimmert der Asphalt vor Hitze. Während er träge mit den Füßen im hüfthohen Wasser paddelt, erzählt der Krankenpfleger, dass er in seiner Freizeit häufig in einen der vielen Brunnen der Stadt hüpfe. “Samstags gucke ich erst Fußball und dann gehe ich gerne zusammen mit meinen Freunden los und besuche oft sogar mehrere Brunnen hintereinander; in jedem bleiben wir etwa 20 Minuten”, schildert es der 26-Jährige. Es sei einfach großartig, mitten in Basel mal eben rasch abzutauchen.
Eine Abkühlung im Schatten – herrlich.
(Foto: Frauke Rüth)
Was in den meisten deutschen Städten verboten ist, wird in der Schweiz toleriert; so springt man etwa in Bern, St. Gallen und Winterthur gerne bei knackigen Sommertemperaturen in den Brunnen-Trog. Aber vor allem in Basel hat das Brunnenbaden seit Jahrzehnten Tradition. In der Grenzstadt im Dreiländereck, wo sich die Schweiz, Deutschland und Frankreich treffen, herrscht ein mediterranes Klima mit 300 Sonnentagen im Jahr.
Wasser ist ein zentrales Element: Der Rhein teilt sie in Groß- und Kleinbasel, ist Lebensader und beliebte Schwimmgelegenheit für die Bevölkerung, die sich gerne von seiner starken Strömung flussabwärts treiben lässt. Eine weitere einzigartige Bademöglichkeit sind die Brunnen: Viele der 170.000 Einwohner nutzen sie wie kleine Pools, in denen im Idealfall sogar ein paar Schwimmzüge absolviert werden können.
Wasserspender mit Geschichte
Hier finden Sie den Basler Brunnenführer, ein Verzeichnis mit historischen Eckdaten und Anmerkungen. Mehr zum Badevergnügen sowie eine Übersichtskarte der Basler Brunnen gibt es hier.
Mitten im Winter … beheizt das Basler Künstler-Kollektiv “Hotel Regina” ausgewählte historische Brunnen an wechselnden Standorten: “Brunnen gehen” nennt sich die Aktion. Mit einem selbst gebauten Holzofen wird das Wasser auf 39 Grad erwärmt. Den Organisatoren geht es um das Zusammenkommen; der Brunnen soll wieder als soziale Treffpunkt fungieren, an dem “Gsprächi” zwischen den Badenden entstehen. Es gibt keinen festen Terminkalender fürs Winterbaden. Interessierte können sich hier für den Newsletter registrieren, der über kommende Aktionen informiert.
Betrieben und gewartet werden die mehr als 200 Brunnen von den Industriellen Werken Basel (IWB), deren Mitarbeitende alle zwei Wochen, manchmal auch wöchentlich, eine Reinigung vornehmen. Natürlich funktioniert das Brunnenbaden nur, wenn sich die Leute rücksichtsvoll verhalten, also keinen Lärm machen, ihren Müll mitnehmen und sich vorher nicht mit Sonnenmilch eincremen, die Rückstände an den historischen, teils jahrhundertealten Wasseranlagen hinterlässt. Denn diese sind oft kunstvoll gestaltet und wunderschön anzusehen: Es lohnt sich, durch Basel zu schlendern und bewusst auf die Brunnen zu achten.
Und wirklich: An beinahe jeder Ecke stößt man auf einen hübschen Brunnen. Elsa Martin weiß zu den meisten eine Geschichte zu erzählen. Die Stadtführerin ist eigentlich in Rente, will mir aber einige besondere Exemplare zeigen. Sie führt zum Zschokke-Brunnen beim Kunstmuseum, benannt nach seinem Erschaffer, dem Bildhauer Alexander Zschokke. Der Brunnen mit dem 80 Zentimeter hohen Rand fasst rund 50.000 Liter Wasser. Besonders eindrucksvoll: die Skulptur in der Brunnenmitte. “Auf dem Sockel stehen drei männliche Gestalten, die drei Lebensabschnitte versinnbildlichen: ein verträumter Flötenspieler im Teenager-Alter, ein junger Mann, der zum Rhein hinunterblickt, und ein alter Mann, dessen Haupt mit Lorbeeren gekrönt ist”, erklärt Elsa Martin.
Im Pisoni-Brunnen am Münsterplatz aus dem Jahr 1784 planschen gerade einige Kinder, als wir dort ankommen. Wir betrachten die fröhliche Schar und kühlen uns ein wenig die Arme im Wasser. Nur wenige Meter vom Münster entfernt bewacht die kunstvolle Figur des Henman Sevogel – Anführer der Basler in der Schlacht bei St. Jakob 1444 – einen großen Brunnen. “Hier habe ich mal an einem eisigen Wintertag Leute drinsitzen sehen”, erzählt die Stadtführerin, “sie beheizten das Wasser mit einem kleinen Ofen, den sie mitgebracht hatten.” Das Brunnenbaden in der kalten Jahreszeit sei aber eine besondere Veranstaltung, die nur an wenigen Tagen im Jahr stattfinde.
Als ich Durst bekomme, zieht Elsa Martin eine leere Flasche aus ihrer Tasche und füllt aus dem Hahn des Sevogelbrunnens Wasser ab: “Das ist eine weitere Besonderheit: Man kann das Wasser aus den Basler Brunnen trinken, denn sie sind ans Trinkwassernetz angeschlossen.” Vor allem an den 28 gusseisernen Basilisken – kleine Brunnen, bei denen ein Fabeltier mit dem Stadtwappen auf der Brust als Spender dient – sieht man oft Menschen daraus trinken. Nur bei einigen wenigen Brunnen wird das Wasser im Kreislauf betrieben und sollte nicht konsumiert werden, worauf aber Schilder hinweisen.
Badehose nicht vergessen
Einer der schönsten Wasserspender Basels findet sich zwischen einer Reihe mittelalterlicher Häuser auf einem kleinen Berg: der Gems-Brunnen. Aus dem achteckigen Becken blickt ein keckes Gamswild aus Stein herunter zu uns, die Anwohner haben den Brunnenrand mit Blumen geschmückt. Auch an dieser Stelle kennt Eidgenossin Elsa Martin natürlich eine Anekdote: “Der Trog wurde in Solothurn aus einem großen Kalksteinblock herausgebrochen und musste über den Jura nach Basel transportiert werden. Dafür waren 24 Pferde nötig. Doch der Trog passte nicht durch das Stadttor hindurch. Man ließ den Stadtgraben auffüllen und eine Bresche in die Stadtmauer schlagen. Nur so konnte der Gems-Brunnen schließlich an seinen Bestimmungsort gebracht werden.”
Auf seinen Stufen sitzend, treffen wir auf Lina Frey und Michel Zeller. Mutter und Sohn haben es sich mit Kaffeetassen auf den Knien gemütlich gemacht, zu ihren Füßen steht ein Tablett, auf dem Butter, Marmelade, ein Hefezopf und eine Brioche liegen. “Wir frühstücken am Wochenende oft hier”, erzählt Lina Frey. Die 58-Jährige gesteht, dass sie höchstens mal mit den Füßen ins Wasser geht. Aber ihre Tochter, die beim Kaffeetrinken fehlt, schwimme oft und gerne in den unterschiedlichen Brunnen.
Das Wasser des Gems-Brunnens leuchtet verführerisch türkisgrün, und ich beschließe, dass es jetzt für mich an der Zeit ist, in ein Bassin zu steigen. “En guete Schwumm”, wünscht mir Elsa. Ein Jacuzzi mitten in der Stadt: was für eine tolle Tradition.