Porsche plant, die Produktion von E-Fuels binnen weniger Jahre drastisch hochzufahren. Das Thema ist umstritten, gilt aber als wichtiger Part CO2-neutraler Mobilität. ntv.de war mit der sportlichen Limousine Panamera unterwegs, deren Sprit tatsächlich klimaneutral hergestellt wurde.
Es ist an der Zeit, einmal mit Vorurteilen aufzuräumen. Ich muss schmunzeln, als Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay bei Markus Lanz in der Talkshow referiert, die Handhabe von E-Fuels sei viel zu kompliziert. Wer solle denn überhaupt die Umrüstung der vielen Verbrenner übernehmen, fragt er. Umrüstung?
Hier und heute wird die Panamera-Flotte CO2-frei betankt. In Zukunft vielleicht auch der ikonische Porsche 911?
(Foto: Porsche)
Die Panamera-Flotte, die Porsche nicht unprominent vor seiner südchilenischen E-Fuel-Anlage geparkt hat, besteht tatsächlich aus konventionellen Verbrenner-Fahrzeugen, wohlgemerkt nicht umgerüstet. Ein paar Hybridvarianten hat Porsche mitgenommen, darunter Limousinen sowie Sport Turismo und gar ein Topmodell (Turbo S), das allein durch den begehrten Achtzylinder-Benziner angetrieben wird und demnach ohne elektrische Unterstützung auskommt.
Ich bin natürlich neugierig, frage nach bei Entwicklungsingenieur Karl Dums, zuständig für das Thema synthetische Kraftstoffe. Ob es irgendwelche spezielle Bedingungen gebe, um diesen neuartigen Kraftstoff überhaupt tanken zu können. Er winkt ab. Das Ziel müsse sogar sein, betont er, synthetische und fossile Kraftstoffe mischen zu können in beliebigen Verhältnissen. Ist doch klar, jeder bestehende Verbrenner soll damit getankt werden können, um maximale Flexibilität zu erzielen beim CO2-Sparen.

Man könnte schlechter über die rauen Pisten Südchiles brausen als mit einer gepflegten Porsche-Limousine.
(Foto: Porsche)
Verstanden und Platz genommen im Panamera Hybrid. Ah, kurzen Moment noch: Der Tank ist ja fast leer, also bittet der freundliche Mann mit Schutzkleidung von der E-Fuel-Anlage zur Zapfsäule. Binnen fünf Minuten ist die elegante Limousine aufgetankt – mit klimaneutralem Superbenzin, wohlgemerkt. Irgendwie verrückt. Also nicht an der Ladesäule gestanden und eine halbe Stunde gewartet. Nur für den Hinterkopf.
Bevor es gleich in die Diskussion geht, was genau für und gegen E-Fuels spricht, warum die Angelegenheit nach Ansicht mancher Meinungen tot ist, bevor sie überhaupt begonnen hat und für manche Menschen genau das Gegenteil gilt, wird erst einmal der gemütliche Teil abgehandelt.
Verbrenner ohne CO2-Ausstoß

Beeindruckende Landschaften lassen sich mit dem kommoden Porsche reuelos genießen dank CO2-freier Kraftstoffe.
(Foto: Porsche)
Gemütlich, weil die beheizten Sitze im Panamera so schön ergonomisch und anschmiegsam sind. Und weil der 462 PS starke Oberklässler dem starken und teils nur sechs Grad Celsius kalten Wind hier in Patagonien trotzt (das mit dem Wind wird später noch eine Rolle spielen) und sein straffes, aber nicht zu straffes Fahrwerk genau das richtige Maß an Dämpfung bietet für die geschwungenen, aber teilweise auch ganz schön geschundenen Landstraßen der Region. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Hier wird Verbrenner gefahren, und zwar tatsächlich ohne Ausstoß von CO2. Weil für die Herstellung eben genau jenes CO2 benötigt wird, das wieder aus dem Auspuff entweicht. Ein geschlossener Kreislauf eben.
Das Thema wirbelt Staub auf, ganz schön viel Staub sogar. Nichts weniger als der nur scheinbare gesellschaftliche Konsens (innerhalb der EU besteht jedenfalls keiner) – je nach Filterblase, in der man sich gerade befindet –, Elektromobilität sei die einzige Möglichkeit, um CO2-freie zu ermöglichen, steht plötzlich auf der Kippe. Kommission und Europäisches Parlament hatten ja schon grünes Licht für das Verbrenner-Aus gegeben, nun sollte der Ministerrat jüngst noch rechtsverbindlich beschließen, dass in Europa ab dem Jahr 2035 keine Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Und jetzt? Abstimmung verschoben. Auf unbestimmte Zeit. Nun ist es natürlich keineswegs so, dass sich die Befürworter des Verbrenners nachsagen lassen möchten, Klimasünder zu sein. Nein, es geht freilich um Kraftstoffe, die vielmehr klimaneutral hergestellt werden sollen. Warum soll der Verbrenner nicht weiterleben dürfen, wenn er keine CO2-Emissionen verursacht?
E-Fuels brauchen viel Energie, doch das ist nicht immer das Kriterium
Weil der Energieverbrauch eben viel zu hoch sei, merken die Gegner des Unterfangens an. Da ist ja auch etwas dran. Porsches E-Fuel-Experte Dums bestreitet das auch überhaupt nicht. Er erklärt, dass 20 kWh nötig seien, um einen einzigen Liter Benzin synthetisch herstellen zu können, der übrigens wiederum 9 kWh Energie enthalte. Außerdem seien drei Liter Wasser für jeden Liter Benzin notwendig. Zur Verdeutlichung: Mit 20 kWh Strom im Akku fahren manche Elektroautos 150 Kilometer weit – während man mit einem Liter Sprit im Tank eines sparsamen Autos vielleicht gerade mal etwas mehr als 20 Kilometer zurücklegen kann.

Highly Innovative Fuels – so könnte der grüne Sprit künftig fassweise in die ganze Welt gebracht werden. Porsche verspricht übrigens einen “wettbewerbsfähigen Preis”.
(Foto: Porsche)
Ganz viele Zwischenschritte bei der Erzeugung von synthetischem Kraftstoff verschlingen Energie. Beispielsweise die Gewinnung von CO2 für die Herstellung der flüssigen Kraftstoffe. Dann muss gegebenenfalls ja auch noch Wasser entsalzt werden – dazu braucht man Strom. Und nicht zuletzt muss der als Zwischenstufe bei der Elektrolyse entstehende Wasserstoff ja auch noch unter Verlust weiterverarbeitet werden. E-Fuels sind also wahrlich eine ressourcenintensive Angelegenheit. Strom, der beispielsweise vom Windrad oder dem Solarkraftwerk gleich in den Akku eines elektrisch angetriebenen Fahrzeugs gelangt, ist sicherlich die klügere Strategie CO2-freier Mobilität, könnte man denken.
Doch so einfach ist es nicht. Fachleute kritisieren, dass die Diskussion immer nur partiell geführt wird. Das heißt: In der Debatte schaut man sich oft nur einzelne Teile des gesamten Prozesses an und lässt diejenigen unter den Tisch fallen, die für die jeweilige persönliche Betrachtung und Auffassung womöglich ungünstig sind. Dabei müsse schließlich immer die Perspektive von der Quelle bis zum Rad (also das angetriebene Rad des Autos) berücksichtigt werden, predigen Ingenieure. Die Herstellung einer wiederaufladbaren Batterie benötigt schließlich ebenfalls viel Energie und sorgt mithin für CO2-Emission (CO2-Rucksack beim elektrisch angetriebenen Neuwagen). Auch dieser Umstand sollte berücksichtigt werden. Und andere umweltschädliche Auswirkungen wie beispielsweise der Abbau Seltener Erden in Naturschutzgebieten sind ja in der energiebilanziellen Betrachtung noch gar nicht enthalten.
An Antriebswende hin zur Elektromobilität rüttelt auch Porsche nicht
Damit keine Missverständnisse entstehen: Auch Porsche ist mitnichten für eine Kehrtwende bei der Elektromobilität. Die Zuffenhausener werden in den nächsten Jahren viele elektrisch angetriebene Modelle an den Start bringen. Bis zum Jahr 2030 soll 80 Prozent der Porsche-Palette über einen batterieelektrischen Antrieb verfügen. Und generell – das Gros der Neuwagen wird elektrisch werden, daran ist nicht zu rütteln. Aber mit der Brechstange eine ganze Nation binnen kurzer Zeit zu elektrisch angetriebenen Autos treiben? Wird nicht funktionieren. So gesehen könnte das Hochfahren der Produktion synthetischer Kraftstoffe einen Beitrag dazu leisten, verkehrsbedingte CO2-Emissionen schneller zu eliminieren und vor allem wirkungsvoller.

Auf den Schotterpisten Patagoniens ist man mit dem sanft federnden Panamera gut unterwegs.
(Foto: Porsche)
Angekommen am Etappenziel der E-Fuel-Tour habe ich Schwierigkeiten, die Autotür zu öffnen. Starker Wind drückt mit Wucht gegen sie. Das ist auch der Grund, warum Porsche die E-Fuels an der südlichen Spitze Chiles produzieren möchte. Hier weht nämlich an 365 Tagen im Jahr recht starker Wind – ideale Bedingungen also für eine ordentliche Ausbeute. Zusammen mit der chilenischen Division des Kraftstoffspezialisten HIF Global hat der Autohersteller eine Pilotanlage errichtet, deren Wahrzeichen ein aus der Ferne schon gut sichtbares Windrad mit einer Leistung von 3,4 Megawatt ist. Das reicht, um jährlich 130.000 Liter Kraftstoff zu erzeugen, den Porsche für seine Rennserie Mobil Super 1 Cup einsetzt. Später wird der Kraftstoff den Porsche Experience Centern zur Verfügung gestellt.
E-Fuels könnten in wenigen Jahren in großen Mengen hergestellt werden

Ganze 100 Millionen Euro investierte Porsche, um auf dem Gebiet synthetischer Kraftstoffe voranzukommen. Die Pilotanlage schafft bereits 130.000 Liter E-Fuel jährlich. In fünf Jahren sollen es bereits 550 Millionen Liter sein.
(Foto: Porsche)
Doch die Kraftstoffkapazitäten sollen in den kommenden Jahren massiv erhöht werden. Die HIF wird ihre Haru-Oni-Versuchsanlage bei Punta Arenas in Südchile in den nächsten Jahren mit 60 Windrädern bestücken. So soll die Produktion bis 2026 auf 55 Millionen Liter jährlich angehoben werden. Und schon 2028 sollen 550 Millionen Liter des CO2-freien Kraftstoffs entstehen – jedes Jahr. Dieser könnte dann direkt mit dem Schiff nach Europa und in die ganze Welt transportiert werden – idealerweise auch mit synthetisch hergestelltem Kraftstoff. HIF will bis 2030 gar Kapazitäten von bis zu 8,7 Milliarden Liter jährlich schaffen. Und noch einmal: Der CO2-neutrale Sprit entspricht exakt der fossilen Variante, ist also für jedes Bestandsfahrzeug geeignet vom beliebigen Neuwagen bis zum historischen Fahrzeug.
Keine Frage, für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen geht viel Energie drauf. Doch die reine Effizienz beim Kraftstoff ist nicht immer das entscheidende Kriterium. Es muss vielmehr die Mischung sein aus Effizienz und praktischer Handhabe. Beispiel Wasserstoff: Der stellt ja eine Vorstufe dar auf dem Weg zum E-Fuel. Warum also nicht schon aufhören nach der Elektrolyse und gleich den Wasserstoff verwenden? Weil der Verlust an Wirkungsgrad dann eben an anderer Stelle erfolgen würde. Der bei Zimmertemperatur flüchtige Wasserstoff muss entweder energieintensiv gekühlt oder unter Druck transportiert werden. Ebenso ist seine Bevorratung deutlich komplizierter und einfach von Ottomotoren verdaut werden kann er auch nicht.

Mit vereinter Kraft vieler know-how- und kapitalstarker Partner kann es gelingen, in Zukunft auch konventionelle Kraftstoffe klimaneutral herzustellen.
(Foto: Porsche)
Auf der Welt ist großer Energiehunger zu stillen, der im Sinne des Klimaschutzes künftig aus regenerativen Quellen kommen muss. Vor allem geht es um Unmengen von Strom für die Produktion von Aluminium und Stahl. Flüssige Kraftstoffe verschlingt der Verkehrssektor massenhaft – nicht nur Personenwagen, auch Flugzeuge, Laster und Schiffe. Regenerative Energien werden künftig dezentral erzeugt, und zwar dort, wo der Wind immer weht und die Sonne meist scheint. Chile ist also mit Bedacht gewählt.
Auch an anderen Standorten könnten künftig erneuerbare Energien erzeugt werden, darunter Australien, die Vereinigten Staaten und sicherlich auch Afrika – Wind und Sonne sind global betrachtet reichlich vorhanden. Übrigens auch für den Strom, der in den Akkus batterieelektrischer Fahrzeuge landen wird. Die Elektromobilität ist effizient, richtig und wichtig. Sie wird auch kommen, vor allem in der westlich geprägten Welt. Ein striktes Verbot von Verbrennern wäre schade, stattdessen ist es klug, sich Technologieoffenheit zu bewahren. Und genau dazu werden E-Fuels einen starken Beitrag leisten. Diesem Beispiel könnten nach Porsche und seinen Partnern auch noch andere Autohersteller und Energiekonzerne folgen.