BMW erneuert seine traditionelle Fünfer-Reihe. Analog zum Siebener wird auch die Businessklasse mit elektrischen Antrieben, als Plug-in-Hybrid sowie als Verbrenner (allesamt mild hybridisiert) zu haben sein. Den Auftakt bilden allerdings die beiden BEV-Modelle im Oktober dieses Jahres.
BMW ist verdammt mutig. Noch vor der Produktpremiere hatten die Münchner drei völlig ungetarnte Exemplare des neuen Fünfers (G60) in einem abgesperrten Bereich auf dem Grundstück der Villa d’Este am Comer See platziert. Und das trotz Tausender Besucher, die zum Concorso d’Eleganza geströmt waren. Gut, während des Events wird die Konzernsicherheit die noch geheimen Autos schon abgedeckt oder vielleicht sogar in Sicherheit gebracht haben. Und ohnehin dürfte das frisch präsentierte Concept Touring Coupé alle Aufmerksamkeit gebunden haben. Aber hermetisch abgeriegelt war die Stellfläche längere Zeit nicht, während die Fünfer dort parkten.
Auf eine Riesen-Niere verzichtet BMW beim Fünfer. Beleuchtet ist sie aber schon.
(Foto: BMW)
ntv.de soll es recht sein, zumal die Autos ausgiebig und ohne Zeitdruck inspiziert werden konnten. Wie schon bei den getarnten Entwicklern abzusehen: Auf die extrem große und daher polarisierende Niere verzichten die Münchner in einem Segment, das vor allem in Europa auf regen Absatz angewiesen ist. Mit den etwas schneidig gestalteten Scheinwerfern und der hohen Gürtellinie erinnert der G60 ein bisschen an den E60 der Nullerjahre – ob die interne Modellbezeichnung Zufall ist? Heck- und Seitenpartie lassen jedenfalls auch Reminiszenzen an den neuen Siebener anklingen. Klar – ist ja auch Familie.
Fünfer bekommt neues Betriebssystem

Größer geht Businessklasse nicht. Aber auch mit 5,06 Längenmetern wirkt der Münchener dynamisch.
(Foto: BMW)
Gefahren werden darf hier und heute selbstredend noch nicht, aber ich hüpfe in den i5 und lasse das Interieur wirken. Auch innen verströmt der Fünfer optisch ein bisschen Siebener, allerdings zeigt sich die Einheit mit dem Curved Display in alter Tradition mal wieder leicht zum Fahrer hingewandt. Ich darf mir Zeit nehmen, um mit dem Infotainment herumzuspielen. Schnell zeigt sich, dass im Fünfer ein neues Betriebssystem arbeitet. Das BMW Operating System 8.5 erlaubt nun, in der linken Ecke auf dem knapp 15 Zoll großen Monitor mit den Menüs zu hantieren, während im restlichen Bereich der Anzeige die Straßenkarte oder auch andere Themen abgebildet werden können. Weiterhin lässt sich per physischer Taste das Menü aufrufen. Und solche Menütasten findet man an verschiedenen Stellen im Fahrzeug – um beispielsweise das Licht-Menü (Taste oben im Bereich der Innenleuchte) oder das Sitz-Menü zu aktivieren.

Alte BMW-Fünfer-Hasen kennen sie: die etwas zum Fahrer hingewandten Instrumente.
(Foto: BMW)
Um den vollen Funktionsumgang auszuschöpfen, müsste man wohl noch ein paar weitere Stunden im neuen Fünfer verbringen, aber das muss jetzt nicht sein. Noch kurz den Raumcheck machen und flugs in den Fond auf die Bank rutschen. Hui, da ist aber Beinfreiheit. Der Radstand ist auf drei Meter angewachsen, das ist schon oberklasseverdächtig. Übrigens auch die Außenabmessungen. Mit 5,06 Metern Außenlänge ist der neue Fünfer sogar länger als die Siebener-Reihe der Neunziger (E32) als Langversion. Und selbst der bis 2015 gebaute Siebener (F01) war mit 5,07 Metern kaum länger.
Bleibt die Frage, ob die Kundschaft glücklich wird mit den Motorisierungen. Mild hybridisierte Vierzylinder-Benziner und -Diesel mit zwei Litern Hubraum werden die Basen bilden, nachdem die batterieelektrischen Modelle angelaufen sind. Sie hören auf die Namen 520d und 520i und leisten 197 plus 11 PS respektive 190 plus 18 PS – die kleineren Werte beziehen sich auf die elektrische Leistung. Und die fallen unterschiedlich aus, weil es sich um unterschiedliche Hybridsysteme handelt: Bei den Selbstzündern arbeitet ein Riemenstarter, während der Benziner auf einen stärkeren Kurbelwellenstarter setzt.

Ist er wirklich über fünf Meter lang? Sieht man ihm kaum an.
(Foto: DANIEL KRAUS)
Deutlich mehr Systempower liefern die beiden Plug-in-Hybride 530e und 550e. Der Vierzylinder leistet gemeinsam mit der 197 PS starken (in der Getriebeeinheit integrierten) E-Maschine 299 PS, während der Sechszylinder analog zum 750e mit 489 PS glänzt. Mit den beiden teilelektrischen Modellen sind 79 bis 101 Kilometer rein elektrisch drin (19,4 kWh-Akku). Für das Befüllen des Akkus sieht BMW ausschließlich Wechselstrom vor mit einer maximalen Ladeleistung von 7,4 Kilowatt. Doch das ist noch Zukunftsmusik, denn die PHEV-Modelle setzen erst nächstes Jahr ein. Ebenso etwas Zeit lassen wird sich der Selbstzünder mit Reihensechszylinder. Geplant ist ein 540d mit mutmaßlichen Leistungswerten um die 300 PS und Allradantrieb.
Die Businessklasse startet dieses Jahr elektrisch
Zunächst kommen die beiden Varianten i5 als eDrive40 und M60 xDrive zu den Kunden. Ersterer leistet 313 PS (430 Newtonmeter), beschleunigt binnen 6,0 Sekunden auf 100 km/h und rennt abgeregelte 193 Sachen. Wem die Höchstgeschwindigkeit nicht reicht, muss zum M60 greifen mit Allradantrieb, 601 PS Boostleistung und einem maximalen Drehmoment von 820 Newtonmetern. Mit Launch Control sollen 100 km/h nach 3,8 Sekunden stehen und die Topspeed beträgt 230 km/h – ebenfalls elektronisch begrenzt. Die gemittelten WLTP-Stromverbräuche bewegen sich zwischen 15,9 und 19,5 kWh/100 km beim Hecktriebler; der ungleich stärkere Allradler verschlingt zwischen 18,2 und 20,6 kWh auf gleicher Distanz.

Brooklyn Grey steht dem neuen BMW G60 wirklich ausgezeichnet.
(Foto: BMW)
Beide Varianten verfügen über eine gut 81 kWh fassende Batterie, die sich mit maximal 205 Kilowatt Ladeleistung befüllen lässt. Mit nominalen WLTP-Reichweiten von 455 bis 582 Kilometern dürfte die Businessklasse als langstreckentauglich durchgehen. Zur Effizienzsteigerung ist eine Wärmepumpe vorgesehen und zum Konditionieren der Traktionsbatterie vor dem Laden nutzt das System die Abwärme der Elektromaschinen. Falls die Ladesession an der Stromsäule doch mal länger dauern sollte – BMW versüßt seinen Reisenden die Wartezeit mit einer eingebauten Gaming-App. Einfach mit dem Smartphone (dies wird dann zur Steuereinheit) connecten, und dann kann der Spielspaß losgehen. Alternativ steht die Youtube-App bereit, um Filme auf dem großen Screen abspielen zu lassen.
Doch kurz zurück zum Thema Antrieb. Mit Features wie Hinterachslenkung, Luftfederung und Wankausgleich hilft BMW der Querperformance auf die Sprünge. Außerdem kommt der Fünfer künftig obligatorischerweise mit der sogenannten Sportlenkung. Sie verfügt über eine variable Lenkübersetzung. Ordert der Kunde die Hinterachslenkung, fährt der Fünfer nicht nur agiler durch die Kurve, sondern belohnt auch mit verkleinertem Wendekreis (11,7 statt 12,3 Meter), was in der engen City nicht ganz trivial ist.
Viel Hightech-Assistenz für den Fünfer

Zackige Scheinwerfer und ausdrucksstarke Niere machen den neuen Fünfer zum elegant-sportiven Hingucker.
(Foto: BMW)
Für sämtliche Modelle wird es das sogenannte M Sportpaket geben. Es bedeutet gleichzeitig eine optische Differenzierung zu den Grundausführungen. Wer den stärksten Stromer bucht (hier ist das “M” schon Modellbestandteil), erhält automatisch ein um acht Millimeter liefergelegtes Fahrwerk inklusive adaptiver Dämpfung sowie Hinterachslenkung. Das adaptive Fahrwerk bekommt auch der stärkste Plug-in-Hybrid 550e mit auf den Weg.
Stark wird der neue Fünfer übrigens auch in puncto Assistenz. Per Blickbestätigung lassen sich künftig Überholvorgänge einleiten, die das Fahrzeug auf Wunsch übernimmt. Und diverse Parkfunktionen kann das Auto ebenfalls selbst durchführen – eine Steuerung erfolgt per App über das Smartphone. Somit wird der bisher genutzte große Schlüssel mit integriertem Bildschirm ersetzt.
Wer möchte, kann künftig auch Fotos und Videos von sich selbst während der Fahrt anfertigen lassen durch eine Innenraumkamera. Das Material lässt sich per QR-Code auf das Smartphone übertragen. Selbige Kamera wird zusätzlich zu den Außenkameras auch aktiviert, wenn die Diebstahlwarnanlage einen Einbruch detektiert.
Sonst noch etwas? Auch wenn der Fünfer europäische Kunden begeistern soll, geizt er nicht mit Lichtspielen (beliebt auf asiatischen Märkten). Neben der breiten, markant und in vielen Farben schimmernden Kristallglas-Dekorleiste innen beherrscht der jüngste BMW auch diverse Begrüßungs- und Verabschiedungszeremonien. Nähert man sich dem Fahrzeug auf drei Meter (Schlüssel muss natürlich in der Tasche sein), wird aus dem Bereich der Niere und den Schwellern ein Lichtteppich auf die Straße projiziert. Dass es sich bei diesem BMW um einen Fünfer handelt, tragen die Münchener ab sofort prominent nach außen: Im Bereich der nach Hofmeister-Art geschwungenen C-Säule prangt eine große 5. Damit es auch jeder weiß.