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Nach der Großoffensive Aserbaidschans in Berg-Karabach steigt die Sorge, die aserbaidschanische Streitkräfte könnten auch Armenien selbst angreifen. Nun meldet das Verteidigungsministerium in Eriwan einen Toten nach Beschuss in der Grenzregion. Baku hält dagegen.
Zwei Wochen nach Aserbaidschans Militäroffensive in Berg-Karabach hat Armenien dem Nachbarland vorgeworfen, einen tödlichen Angriff an der Grenze zwischen den Kaukasusstaaten verübt zu haben. Aserbaidschanische Streitkräfte hätten das Feuer auf ein armenisches Armeefahrzeug eröffnet, teilte das Verteidigungsministerium in Eriwan bei Telegram mit. Dabei seien auf armenischer Seite ein Militärangehöriger getötet und zwei weitere verletzt worden. Baku bestreitet die Vorwürfe.
Dem Ministerium zufolge ereignete sich der Vorfall nahe der Ortschaft Kut in Osten des Landes. Demnach transportierte das Fahrzeug Lebensmittel für armenische Grenzsoldaten.
Aserbaidschan hatte am 19. September eine großangelegte Militäroffensive in der Kaukasusregion Berg-Karabach gestartet. Nach ihrer Kapitulation bereits einen Tag später mussten die pro-armenischen Kräfte die Auflösung ihrer selbsternannten Republik Berg-Karabach akzeptieren. Aserbaidschan vermeldete seitdem zahlreiche Inhaftierungen früherer pro-armenischer Politiker und öffentlicher Bediensteter. Baku wirft ihnen unter anderem “Terrorismus” vor.
Letzter Flüchtlingsbus verlässt Berg-Karabach
Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier. Inzwischen sind fast alle der vormals rund 120.000 armenischen Bewohner der Region aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans nach Armenien geflüchtet. Am Abend verließ der vorerst letzte Flüchtlingsbus das Gebiet. Armenien wirft Aserbaidschan eine “ethnische Säuberung” vor.
Die aserbaidschanische Führung hingegen betonte einmal mehr, dass es keinen Grund für eine Flucht gebe und die Menschen gemäß den Gesetzen des Landes in das Leben integriert würden. Die Südkaukasusrepublik Aserbaidschan ist anders als Armenien ein autoritär geführtes Land ohne Medienfreiheit oder demokratisch gewählte Führung und steht wegen Menschenrechtsverstößen international in der Kritik.
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev sagte bei einer Veranstaltung, dass sich das Land seit langem durch eine Gesellschaft mit vielen Ethnien und Konfessionen auszeichne. “Wir leben wie eine Familie”, sagte er aserbaidschanischen Medien zufolge. “Jetzt ist die Zeit gekommen, um Frieden zu schaffen im Kaukasus. Unsere Agenda ist Frieden in der Region, eine Zusammenarbeit und gegenseitiger Nutzen”, sagte er in der Hauptstadt Baku. Aliyev hatte zuvor die Ansiedlung von Zehntausenden Aserbaidschanern in Berg-Karabach angekündigt.
Moskau meldet Beschuss von Scharfschützen
Zuletzt waren Befürchtungen laut geworden, Aserbaidschan könne auch Armenien selbst angreifen. “Wir hören aus Baku sehr viel Aggressivität, Bedrohungen und Hassrede, nicht nur gegen Berg-Karabach, sondern auch gegen die Republik Armenien”, sagte der armenische Botschafter in Deutschland, Viktor Yengibayran, vergangene Woche.
Das russische Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, dass russische und aserbaidschanische Streitkräfte bei einer “gemeinsamen Patrouille” in Berg-Karabach von Scharfschützen beschossen worden sein. Es sei eine gemeinsame Untersuchung des Vorfalls eingeleitet worden.